Auseinandersetzung mit der AfD Gauck widerspricht den Euro-Kritikern

Die Diskussion über den richtigen Umgang mit der „Alternative für Deutschland“ ist im Bundespräsidialamt angekommen. Joachim Gauck äußerte sich skeptisch über die Euro-Kritiker – ohne sie beim Namen zu nennen.

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Der phänomenale Aufstieg der AfD
AfD Bundesparteitag in Erfurt Quelle: dpa
AfD im Europaparlament Quelle: dpa
AfD Zeiungsabonnements Quelle: dpa
Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
AfD Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
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Frauke Petry Quelle: dpa

Dieses Mal war Joachim Gauck vorsichtiger als noch im Oktober 2013. Damals sorgte der Bundespräsident mit einer Äußerung über die „Alternative für Deutschland“ für Empörung. Gauck nannte im Herbst des vergangenen Jahres – vier Wochen nach der Bundestagswahl – die Euro-Kritiker eine „populistische Partei“, über deren verpassten Einzug ins Parlament er „sehr dankbar“ sei. AfD-Chef Lucke reagierte angefressen: „Ich halte das für eine Entgleisung und einen Verstoß gegen die Neutralitätspflichten des Bundespräsidenten.“

Gauck musste die Wogen glätten und bestritt, die AfD des Populismus zu bezichtigen. Gleichwohl unterstrich der wichtigste Mann im Staat: Man dürfe es sich mit der AfD nicht zu einfach machen, sondern müsse sich mit ihren kritischen Positionen zu Europa auseinandersetzen. Gesagt, getan.

Knapp ein Jahr – und vier Wahlerfolge der AfD – später hat sich Bundespräsident Joachim Gauck erneut über die Lucke-Partei geäußert. Dieses Mal allerdings vorsichtiger. Im Interview mit der „Rheinischen Post“ vermied Gauck, die AfD namentlich zu nennen, er sprach allgemein über Europa-kritische Stimmen.

Stimmen zu den Wahlen in Thüringen und Brandenburg

„Ich möchte als Bundespräsident nicht über einzelne Parteien räsonieren“, sagte Gauck der Düsseldorfer Zeitung. „Wir müssen uns damit auseinandersetzen, was es bedeutet, wenn europakritische Bewegungen in Deutschland aufkommen.“ Allerdings seien auch in vielen anderen Ländern Gruppierungen erstarkt, die dem europäischen Weg negativ gegenüber stünden und eine Rückbesinnung auf die Nation forderten.

„Wenn ein Teil der Bürger etwa das Gefühl hat, Brüssel mache uns zu viel Vorgaben, dann sollte das zwar diskutiert werden – allerdings ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten“, meinte Gauck. Damit geht der Bundespräsident deutlich auf Distanz zur AfD, dessen Ablehnung von „mehr Europa“ er offenbar nicht teilt.

Die wichtigsten Köpfe in der AfD

„Weil wir Europäer sind, hören wir nicht auf, Deutsche zu sein und nationale Interessen zu definieren. Was nimmt die EU uns denn weg?“, fragte Gauck – und antwortete direkt selbst: Zur Befürchtung, Deutschland werde zum Zahlmeister Europas, sagte er: „Es gibt keinen Grund für die Angst, übervorteilt zu werden.“

Auch bei der Frage nach dem richtigen Umfang mit Russland vertritt Gauck eine andere Position als viele AfD-Sympathisanten. Der Bundespräsident äußerte wenig Verständnis für die Verteidiger des Vorgehens Russlands im Ukraine-Konflikt. „Ich kann die Auffassung mancher Beobachter und Kommentatoren nicht nachvollziehen, dass man es Russland nicht zumuten könne, wenn in seinem Umfeld andere Völker eigene Politik-Entscheidungen treffen“, sagte Gauck. „Als Teil der ostdeutschen Demokratiebewegung hätte ich mich auch niemals mit dem Gedanken zufrieden gegeben, dass eine Demokratisierung Ostdeutschlands und Polens Moskau nicht zumutbar sei.“

Ukraine ratifiziert Assoziierungsabkommen mit der EU

Gauck betonte, das Selbstbestimmungsrecht der Völker habe Vorrang. Deshalb müsse die Entscheidung der Ukraine zur Annäherung an die Europäische Union respektiert werden. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass wir in vorauseilendem Gehorsam die Empfindsamkeiten Russlands ernster nehmen sollten als das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bevölkerung“, sagte Gauck. Das ukrainische Parlament hatte am Dienstag trotz des heftigen Widerstands Russlands das Assoziierungsabkommen mit der EU ratifiziert, das seit Monaten im Zentrum des Konflikts in der Ukraine steht.

Der Bundespräsident und Bürgerrechtler Gauck wies in dem Interview mit der Düsseldorfer Zeitung auch die Kritik an der Russland-Politik des Westens zurück. „Die Nato und die EU waren nach der deutschen Wiedervereinigung an Russland mit Vertrags- und Bündnisangeboten herangetreten. Es war das Interesse des Westens, Russlands Sicherheit zu garantieren“, sagte Gauck. Kritiker werfen der Nato und der EU vor, seit dem Zerfall der Sowjetunion durch die Aufnahme der osteuropäischen Staaten die legitimen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen Russlands missachtet und Moskau damit wiederholt gedemütigt zu haben.

Gauck betonte in dem Gespräch aber auch, seine Kritik richte sich allein gegen die russische Politik, nicht gegen die Gesellschaft Russlands. „Mir geht es bei meiner Kritik nicht um das Land Russland, das ich mit seiner Kultur und seinen Menschen schätze. Mir geht es um die Missachtung von Bürgerrechten, von Menschenrechten und um den Bruch des Völkerrechts“, sagte Gauck der Zeitung.

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