Betreuungsgeld Eltern gegen Eltern

Es sind die kleinen Dinge, die manchmal so kompliziert sind. Etwa das geplante Betreuungsgeld: 100 Euro sollen Familien erhalten, die ihre Kinder zu Hause erziehen und nicht eine Kita in Anspruch nehmen.

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Quelle: Klaus Stuttmann

Solche Familien kommen dem Staat billig – die 100 Euro Betreuungsgeld sind nur ein Bruchteil der Kosten, die in den Kitas entstehen. Kann man also dagegen sein?

Man kann. Manuela Schwesig, SPD-Vize, findet das „rückwärtsgewandt“. Kinder zu Hause statt in staatlicher Betreuung ist bäh. Ganz furchtbar. Wo kämen wir dahin? Nur staatliche geprüfte Kita-Beamte können Kinder erziehen. Aus allen anderen kann nichts werden. Mittlerweile schließen sich auch CDU-Abgeordnete an wie Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher, und die Medienbeauftragte Monika Grütters. Für sie ist das ein „Unfug-Gesetz“. Die Begründung fehlt.

Eltern sollen gegen Eltern ausgespielt werden. Gute Eltern schicken ihre Kinder in die staatliche Betreuung und werden dafür unterstützt. Schlechte Eltern erziehen sie selber, und wenn es schon keine Kindererziehungsstrafsteuer gibt, dann hält man sie wenigstens kurz und knapp. Ich selbst gehörte zu den guten Eltern. Meine drei Kinder sind in unterschiedlichen Erziehungsformen groß geworden: Kita, gemeinsame Kinderschule, Tagesmutter. Wie viele Eltern haben wir mühsam einen Weg gesucht, um Beruf und Familie zu vereinen.

Das war nicht einfach. Das will ich meinen Kindern gern ersparen, wenn sie so weit sind. Denn: Meine Frau und ich wären dankbar gewesen für Hilfe, etwa das Betreuungsgeld. Ich freue mich, dass es in Zukunft anderen jungen Eltern helfen kann. Hoffentlich.

Deshalb wundert mich der Hass, der von SPD-, Grünen- und Unionspolitikern diesem Vorschlag entgegengebracht wird. Es wird auch Herd-Prämie genannt. Aber viele Mütter und Väter finden in der Situation mit mehr Kindern keinen adäquaten Job. So werden Kinder zum Armutsrisiko. Und machen wir uns nichts vor: Bei drei und mehr Kindern entsteht ein Stress, den sich viele heute nicht vorstellen können, die gerade ein Kind haben und meinen, das sei der Höhepunkt allen Übels – bei vielen Kindern ist eines immer krank, gerade schlecht drauf oder aus irgendeinem der vielen Kindergründe auf die Eltern angewiesen.

Gerade Viel-Kinder-Familien brauchen das Betreuungsgeld. Dem sollten wir nachgeben. Kinder zu haben ist keine Strafe, der nur mit einem Bewährungshelfer abgeholfen werden kann. Kinder sind Freude. Gönnen wir es Eltern, dass sie davon nicht genug kriegen können. Kinderzeit ist kurze Zeit. Die Berufszeit davor und danach wird vielen lange genug. Manche genießen, ja, liebe Kritiker, ihre Kinder. Gönnen wir ihnen das und helfen wir ihnen bei der Bewältigung.

Eltern sind nicht zu doof

Quelle: Klaus Stuttmann

Es ist nicht die wichtigste Aufgabe, die Familien in den Beruf zu treiben. Klar, wenn Frauen oder Männer zu Hause bleiben, fehlen sie auf dem Arbeitsmarkt. Aber ich bin gegen staatlichen Zwang, um billige Arbeitskräfte zu produzieren. Wer gegen solche Profitmacherei ist, sollte für das Betreuungsgeld sein. Wer arbeiten gehen will, soll die Kinder in die Kita bringen, auch gut. So soll es sein – gerecht ist es, beiden zu helfen.

Bei allen Kritikern schwing aber noch ein böser Unterton mit: Eltern seien zu doof, um Kinder zu erziehen. Nur angestellte Betreuer und Betreuerinnen sollen in der Lage sein, Kindern sprechen, spielen und lachen vermitteln zu können. Was für ein Unsinn. Die Welt ist voll von Menschen, die von ihren Eltern alles mitbekommen haben, ganz ohne Staats-Kita, was man für das Leben braucht. Sie sprechen sogar deutsch! Und bei vielen Kritikern schwingt noch etwas mit, was mich unheimlich ärgert: ein heimlicher Rassismus.

Das sieht man an der obenstehenden Karikatur, die in wichtigen Tageszeitungen gedruckt worden ist: Ein mümmelnder Muslim nimmt die 100 Euro Betreuungsgeld zum Anlass, um seiner Schleier-Mutti zu noch einem Nebeneinkommen zu verhelfen. Natürlich ein Gastarbeiter! So sind se, das ist die Botschaft, beuten mit ihrer Brut die Deutschen aus! Der Türke kann nur eins – Kinder fürs Sozialamt machen. Da muss schon die Allianz aus SPD, Grünen und CDU daherkommen, um ihm wenigstens die Kinder wegzunehmen und zu guten Menschen zu erziehen.

Nein, diese Form des offenen Rassismus beschämt mich. Ich bin mit so vielen ausländischen Familien befreundet. Sie sind ein Reichtum für dieses Land. Wir müssen sie davor bewahren, dafür beschimpft zu werden, dass sie Kinder haben und sie auch noch erziehen wollen. Deshalb wehre ich mich gegen diesen offenen oder auch nur verdeckten Rassismus. Auch wenn er von scheinbar progressiven Predigern kommt, die immer alles besser wissen nur nicht, was Familien wirklich brauchen.

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