BND-Gesetz – Fragen und Antworten Grenzenlos abhören

Die Bundesregierung stellt die Arbeit des Auslandsgeheimdienstes auf eine neue gesetzliche Grundlage. Legalisiert sie mit der BND-Reform nur bisher verbotene Spähpraktiken in der Telekommunikationsüberwachung?

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Horchposten: Im bayerischen Bad Aibling forscht der BND Telefon- und Internetkommunikation aus. Quelle: dpa

Warum wurde die BND-Reform überhaupt notwendig?

Mit der Enthüllung streng geheimer Dokumente des US-Geheimdienstes NSA brachte  der Whistleblower Edward Snowden  2013 eine weltweite Affäre ins Rollen, die bis heute in Deutschland einen Untersuchungsausschuss beschäftigt. So wurde bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) an einem Frankfurter Internetknoten abgefischte große Datenmengen direkt an die NSA weitergeleitet hatte – ohne dass die parlamentarischen Kontrolleure davon erfuhren. Die sogenannten „Selektoren“, mit denen der BND in seinem Horchposten im bayerischen Bad Aibling für die Amerikaner die Kommunikationsströme filterte, umfassten dabei aber auch Telefonnummern oder IP- und E-Mail-Adressen von Behörden und Unternehmen in Europa. Der BND, so der Verdacht, hat die NSA also jahrelang bei Politik- und Wirtschaftsspionage unterstützt. BND-Chef Gerhard Schindler kostete die Affäre den Job. Und die schwarz-rote Bundesregierung entschied, dem Auslandsgeheimdienst Zügel anzulegen.

Was darf der BND künftig?

Die Regierung will nach eigenem Bekunden mit dem „Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ vor allem Rechtssicherheit für die Geheimdienstmitarbeiter schaffen. Sie dürfen die über Telefon oder Internetverbindungen laufende Kommunikation zwischen Ausländern anhand von Suchbegriffen filtern und die Verbindungsdaten – also etwa wer hat wann wen angerufen – speichern.

Die Kriterien sind dabei sehr weit gefasst. So darf der Dienst laut Gesetz aktiv werden, um „frühzeitig Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erkennen und diesen begegnen zu können“. Aber auch, wenn er mit seiner Horchtätigkeit „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ gewinnen kann. Deutsche darf der Nachrichtendienst dabei aber nicht ausspähen, EU-Bürger und -Einrichtungen nur unter besonderen Voraussetzungen, etwa  zur Verhinderung von Straftaten. Wirtschaftsspionage wird dem BND ausdrücklich untersagt. Außerdem regelt das Gesetz den Datenaustausch und die Schaffung gemeinsamer Dateien mit ausländischen Diensten.

Wer kontrolliert seine Arbeit?

Spähaktivitäten des BND müssen vom Bundeskanzleramt angeordnet werden. Mit dem Gesetz wird zudem eine neue Kontrollinstanz geschaffen. Ein unabhängiges Gremium aus zwei Richtern und einem Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof  soll die Auslandsaufklärung überwachen.


Massive Einwände der Kritiker

Was sagen die Kritiker?

Die Phalanx der Kritiker des Gesetzesvorhabens ist groß. Sie reicht von Ex-BND-Chef Gerhard Schindler über Netzpolitiker und Uno-Experten bis hin zu Datenschützern und Verfassungsrechtlern. Vor allem bemängeln die Kritiker, dass es technisch so gut wie unmöglich ist, Deutsche von der Ausspähung auszunehmen.

Bei einem mitgehörten Internetchat sei eben schwer zu beurteilen, ob am jeweiligen Ende der Leitung tatsächlich auch ein Ausländer sitzt. „Es ist unmöglich, bei einer globalen Massenüberwachung zwischen deutschen und nicht-deutschen Bürgern zu trennen“, kritisiert etwa die Organisation Reporter ohne Grenzen. Die Erklärung des Geheimdienstkoordinators im Bundeskanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, dass das Abhören ende, sobald Deutsch gesprochen werde, stellt die Kritiker nicht zufrieden.

Netzaktivisten wie der Blogger Sascha Lobo werfen der Regierung zudem vor, aus dem BND eine deutsche NSA zu machen und alle Praktiken, die den Skandal ausgelöst hatten, einfach zu legalisieren. Auf Widerspruch stößt auch, dass die schwarz-rote Koalition das in Artikel 10 des Grundgesetzes verbriefte Post- und Fernmeldegeheimnis nicht auf Ausländer anwenden will. Ausländische Geheimnisträger wie Anwälte oder Journalisten dürfen damit einfach ausgehorcht werden. Auch deshalb hat die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bereits eine Klage beim Bundesverfassungsgericht angekündigt.

Kritisiert wird zudem die zunehmende Zersplitterung der Geheimdienstkontrolle. Statt die Kontrolle der Auslandsaufklärung dem parlamentarischen Kontrollgremium oder der G10-Kommission zu überlassen, die über das Fernmeldegeheimnis wacht, wird mit dem Unabhängigen Gremium eine weitere Instanz geschaffen. Die Opposition bemängelt zudem, dass die Mitglieder des neuen Kontrollorgans nicht vom Parlament, sondern von der Bundesregierung bestimmt werden, die sich damit ihre Kontrolleure selbst aussucht.        

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