Brandschutz Die starke Lobby der Rauchmelderhersteller

Immer mehr Bundesländer machen Rauchmelder zur Pflicht. Dabei ist der Zusammenhang zwischen Brandmeldern und Brandopfern nicht bewiesen.

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Lebensretter Brandmelder: In vielen Bundesländern sind Rauchmelder bereits Pflicht - Doch wird dadurch wirklich die Zahl der Brandopfer verringert? Quelle: dapd

Das Ding besteht größtenteils aus Hartplastik, ist handtellergroß, weiß, und es vollbringt Wunder am laufenden Band. Um „bis zu 40 Prozent“ ließe sich die Zahl der Brandopfer verringern, wenn Brandmelder verpflichtend eingeführt würden, behaupten deutsche Feuerwehren und Versicherungen. Wer zweifelt, den trifft die Gewissenskeule: Es gehe hier schließlich vor allem um Kinder, klein, wehrlos und leichtsinnig.

Dieser Tage wird der bayrische Landtag seine Bürger dazu verpflichten, Rauchmelder in Wohnräumen zu installieren. In NRW hat die Regierung vergangene Woche einen ähnlichen Gesetzentwurf verabschiedet, Berlin könnte folgen. Widerstand ist nicht zu erwarten. Noch vor zehn Jahren gab es eine solche Vorschrift in keinem Bundesland, 2013 wäre von den großen Flächenländern einzig Baden-Württemberg übrig, das seine Bürger leichtsinnig dem Feuertod aussetzt.

Treibende Kraft ist der Verein „Forum Brandrauchprävention“, er betreibt die Initiative „Rauchmelder sind Lebensretter“. Doch statt engagierten Bürgern steckt hinter dem scheinbar selbstlosen Verein ein Interessenverbund von Herstellern, Elektroinstallateuren und Versicherungen. Im Jahr 2000 haben sie den Verein aus der Taufe gehoben, als Geschäftsstelle fungiert eine Berliner Werbeagentur, die Vorstandsriege bilden Funktionäre. Die Arbeit des Vereins zeigt in Perfektion, unter welchen Bedingungen Lobbyismus am besten funktioniert: Man nehme ein Thema, das unter der Schwelle der breiten öffentlichen Aufmerksamkeit bleibt und ein einfaches, aber moralisch schlagendes Argument. Wer den Zusammenhang zwischen der Zahl der installierten Rauchmelder und der Zahl der Brandtoten infrage stellt, gilt schnell als potenzieller Kindsmörder. So geht es einem Feuerwehrmann, der im Fachforum des „Feuerwehrmagazins“ seine Skepsis äußert. Wegen vieler Fehlalarme, die er aufgrund mangelhafter Brandmelder erlebe, schreibt er: „Ich stehe der Rauchmelderpflicht eher kritisch gegenüber.“ Es folgt ein Sturm der Entrüstung.

Übersicht zur Anzahl von Todesfällen durch Brände (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Eher Zufall

Dabei ist der Zusammenhang zwischen Brandmeldern und Brandopfern nicht bewiesen. Vergleicht man die Entwicklung der Zahl der Brandtoten in Bundesländern mit und ohne Installationspflicht, so fällt auf, dass nichts auffällt: Überall sinkt die Zahl der Todesfälle, von gut 600 um die Jahrtausendwende auf zuletzt knapp 400. Die Unterschiede scheinen eher vom Zufall als vom Gesetz abzuhängen: In Bayern, wo bisher noch keine Pflicht gilt, sank die Opferzahl zwischen 2002 und 2010 um 54 Prozent, in Rheinland-Pfalz, Installationspflicht seit 2003, um lediglich vier Prozent.

Einer der wenigen, der Skepsis öffentlich adressiert, ist der Berliner Vermieterverband (BBU): „Der Zusammenhang zwischen Rauchmeldern und Brandopfern ist statistisch nicht zu belegen“, sagt BBU-Vertreter David Eberhart. Dass die Zahl sinke, liegt aus seiner Sicht an verbesserter Prävention. Auch die Zahl der Raucher, klassische Brandverursacher, nimmt ab. „Aber die Lobby der Rauchmelderhersteller ist stark“, sagt Eberhart. Aus politischer Sicht ist die Rauchmelderpflicht attraktiv: Da sie nicht kontrolliert wird, kostet sie nichts und macht trotzdem mächtig Eindruck. Dabei macht gerade diese günstigste aller Gesetzesvarianten die Pflicht zum Risiko, wenn es trotz Rauchmelder tatsächlich brennt. Ist der installierte Rauchmelder nicht funktionstüchtig, verweigern manche Versicherungen die Zahlung. In Hamburg etwa müssen sich Vermieter regelmäßig Zutritt zu den Wohnungen verschaffen, um die Geräte dort zu installieren oder zu warten. Wenn jemand einen Arbeitsraum zum Kinderzimmer umwidmet, müsste er den Vermieter informieren, da plötzlich ein weiterer Rauchmelder vorgeschrieben wäre. Im ganzen Land müssen sich bereits Gerichte mit Fragen wie diesen beschäftigen. Es dürften mehr werden.

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