Bundesbank-Präsident Weidmann zeigt vor zweiter Amtszeit Profil

Bundesbank: Jens Weidmann bleibt und kritisiert Industriepolitik Quelle: www.imago-images.de

Im Ausland oftmals verhasst, unter deutschen Ökonomen und Sparern geschätzt: Jens Weidmann bekommt eine zweite Amtszeit als Bundesbank-Chef. Nicht nur der lockeren Geldpolitik der EZB begegnet er mit Skepsis.

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Im Auftreten gelöst, in der Sache bestimmt: Jens Weidmann hat bei der Vorstellung der Bundesbank-Bilanz am Mittwoch ein klares Profil für seine zweite Amtszeit als Chef der Notenbank abgesteckt. Just am Vormittag war aus Berlin durchgesickert, dass die Bundesregierung Weidmanns Vertrag verlängert. „Ich bin gerne Bundesbank-Präsident“, betonte Weidmann, um anschließend gegen Kollegen im Rat der Europäischen Zentralbank wie gegen die Politik auszuteilen.

Als Verfechter einer restriktiven Geldpolitik widerstrebt Weidmann die anhaltende Geldschwemme im Euroraum. Vergeblich hat der promovierte Volkswirt und frühere Berater von Kanzlerin Angela Merkel im 25-köpfigen EZB-Rat auf eine Zinswende gepocht. Bei der Jahrespressekonferenz stellte Weidmann zudem heraus, dass er unkonventionelle Instrumente wie das Anleihekaufprogramm auf „Notfallsituationen“ beschränkt wissen will. Auch hier vertritt der EZB-Präsident Mario Draghi eine andere Meinung. 

Weidmann sieht seine zweite Amtszeit als Chef der Bundesbank folglich ganz im Zeichen einer geldpolitischen Normalisierung. Diese werde „Jahre dauern“, vermutet Weidmann.

Dass die Bundesbank ihren Bilanzgewinn von 2,5 Milliarden Euro fast vollständig an den Bundeshaushalt überwies, freut Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Weidmann betont lieber das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen der anhaltenden geldpolitischen Lockerung, darunter ein negativer Einlagezins. 0,4 Prozent müssen Geschäftsbanken draufzahlen, wenn sie Geld bei der Bundesbank parken. 

Im Ausland oftmals verhasst, unter deutschen Ökonomen und Sparern geschätzt: Der prinzipientreue Ordnungspolitiker polarisiert – und so mancher würde ihn gerne auf einem anderen Posten sehen. „Jens Weidmann gehört zu den profiliertesten Geldpolitikern in Europa“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Und: In den zwanzig Jahren des Bestehens der Eurozone war nie ein Deutscher Präsident der EZB. Als größter Anteilseigner am EZB-Kapital, findet Krämer, „wäre Deutschland an der Reihe“.

Schon länger ist Weidmann als Anwärter für die Nachfolge des amtierenden EZB-Präsidenten Draghi im Gespräch. Die Amtszeit des Italieners endet im Oktober, dann wäre der Posten frei. Doch eine „große Mehrheit“ der Staats- und Regierungschefs, die als Europäischer Rat den EZB-Präsidenten wählen, wird wohl für eine Nachfolge in der Tradition Draghis votieren, mutmaßt Krämer: „für einen Notenbanker, der die hoch verschuldeten Ländern im Süden weiter unterstützt.“ Weidmann, sagt Krämer, „steht aus guten Gründen nicht für diese Politik“. 

Dies machte der Bundesbank-Präsident bei der Vorstellung der Bilanz seines Hauses einmal mehr deutlich. Er monierte „viel zu häufige“ Verstöße gegen die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes innerhalb der Europäischen Union. So seien zuletzt nur zehn Mitgliedstaaten „unter oder nahe“ der vertraglich geregelten Schuldengrenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Viele Länder hätten die Niedrigzinsphase und die günstige wirtschaftliche Lage „nicht genutzt, um ihre Staatsfinanzen nachhaltig zu verbessern und die Schuldenquote abzubauen“, kritisierte Weidmann. „Hier wurde die Chance verpasst, für schlechtere Zeiten vorzusorgen“.

Einer „Wachstumsdelle“ zum Trotz hob Weidmann die „ganz ausgezeichnete Verfassung des deutschen Arbeitsmarktes“ hervor. Erstmals mehr als 44 Millionen Beschäftigte, mehr als 1,5 Millionen offene Stellen, hohes Lohnwachstum – doch Weidmann warnt: Nach Berechnungen seiner Mitarbeiter sei das Arbeitskräfteangebot hierzulande „schon ab 2022 rückläufig“. Grund ist die alternde Gesellschaft. Weidmann hält es daher für geboten, Frauen wie Zuwanderer stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. 

Subtiler redete Weidmann der Bundesregierung mit mahnenden Worten zur Wirtschaftspolitik ins Gewissen. Eine Industriepolitik, die europäische Champions formen will, eine Wettbewerbspolitik, die Eintrittsbarrieren zum Schutz bestimmter Sektoren hochfährt, eine Rentenpolitik, die durch höhere Abgaben Beschäftigung hemmt: Ohne auf Einzelfälle einzugehen, hielt Weidmann ein Plädoyer für Markt und Wettbewerb dagegen. Regelmäßig habe es sich als vorteilhaft erwiesen, „die Kräfte des Marktes zu stärken“. 

Nicht zuletzt die Hunderten mittelständischen Weltmarktführer in diesem Land seien doch „das Ergebnis privatwirtschaftlicher Entscheidungen“. Für Weidmann Zeugnis, dass der Staat eben nicht der bessere Unternehmer sei.

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