Bundesbankpräsident Axel Weber "Kein Problem der gesamten Währungsunion"

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Bundesbankpräsident Axel Weber Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Die Bürger wissen, dass Inflation ein monetäres Phänomen ist und sorgen sich, dass die von den Notenbanken ins Finanzsystem gedrückte Liquidität früher oder später die Verbraucherpreise in die Höhe treiben wird.

Die Notenbanken haben den Banken in der Krise massiv Liquidität zur Verfügung gestellt, weil der Geldmarkt zwischen den Kreditinstituten wegen des Vertrauensverlustes ausgetrocknet war. In dieser Notsituation haben die Zentralbanken den Interbankenmarkt durch ihre Liquiditätsspritzen ersetzt. Damit haben sie die Fähigkeit der Banken zur Kreditvergabe unterstützt. Das Euro-System hat bereits im vergangenen Jahr damit begonnen, diese Maßnahmen zurückzunehmen. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass das zusätzliche Zentralbankgeld von den Banken in die Realwirtschaft abfließt und die Preise erhöht.

Aber das könnte sich ändern, sobald die Banken wieder mehr Kredite vergeben.

Um Kredite zu vergeben, benötigen die Banken vor allem Eigenkapital. Daher müssen die Banken jetzt ihre durch die Krise ohnehin geschwächte Eigenkapitalbasis stärken, um im Aufschwung die notwendige Kreditvergabe sicherstellen zu können. Eine neue Kreditschwemme ist jedoch nicht zu befürchten, da die neuen regulatorischen Maßnahmen ab voraussichtlich 2012 höhere Eigenkapitalanforderungen vorsehen. Bis dahin wird das Euro-System auch die Liquidität wieder aus dem Bankensystem abgezogen haben.

Eine heroische Annahme.

Das finde ich nicht. Das richtige Timing ist sicher ein Balanceakt. Das Euro-System schaut daher sehr genau auf die Entwicklung monetärer Größen wie Kredite und Geldmengen. So können wir feststellen, ob die Kredit- und Geldmengenexpansion durch die Konjunkturentwicklung gedeckt ist. Wenn die Kredite stark wachsen, ist das ein Indiz dafür, dass die Schulden im Verhältnis zum Einkommen steigen, also der Verschuldungsgrad zunimmt. Das war in der Vergangenheit ein Warnzeichen für sich anbahnende Spekulationsblasen. Mithilfe der monetären Analyse können wir Risiken erkennen und ihnen rechtzeitig entgegentreten.

Warum handeln Sie dann nicht? Die Geldmenge M1, die das Bargeld und die Sichteinlagen bei Banken umfasst, wächst schon wieder mit Raten von mehr als zehn Prozent.

Dass die Geldmenge M1 kräftig wächst, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass zurzeit viele Anleger wegen der niedrigen Zinsen Bargeld halten und ihr Geld in sehr liquide Mittel umschichten. Die Geldmenge M3 dagegen, die auch längerfristige Einlagen und Anteile an Geldmarktfonds umfasst und in einem engeren Verhältnis zur Preisentwicklung steht, ist zuletzt sogar geschrumpft. Mittelfristig sind die Preisrisiken aufgrund der moderaten monetären Dynamik gering.

Aber die Konjunktur erholt sich, und die Unternehmen könnten die Preise bald erhöhen.

Dafür spricht zunächst wenig. Nach dem historisch starken Einbruch der Wirtschaftsleistung wird es länger dauern, bis wir die Kapazitätsgrenzen wieder erreichen, die Betriebe die Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen anheben und die Arbeitnehmer höhere Lohnforderungen durchsetzen können. Im Euro-Raum liegt die Kapazitätsauslastung in der Industrie derzeit um neun Prozentpunkte unter ihrem langfristigen Durchschnitt von rund 80 Prozent. Die Wirtschaft muss noch um einiges wachsen, bis wir wieder eine normale Auslastung erreicht haben. Erst wenn die Kapazitäten überdurchschnittlich ausgelastet sind, entstehen deutliche Spielräume für höhere Preise. Für die nächsten ein bis zwei Jahre sehe ich dieses Risiko nicht.

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