Bundesbankpräsident Axel Weber "Kein Problem der gesamten Währungsunion"

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Heißt das, Sie haben die Bedeutung des Finanzsektors bisher unterschätzt?

In den vergangenen 10 bis 15 Jahren haben in der makroökonomischen Forschung Konjunkturmodelle eine große Bedeutung erlangt, die den Finanzsektor völlig ausgeblendet haben. Mit diesen Modellen konnten Ökonomen die Finanzkrise nicht erklären. Daher muss und wird die Makroökonomie in Zukunft den geldpolitischen Transmissionsmechanismus und die Vermögensmärkte stärker in den Fokus nehmen. In der Forschung zeichnet sich bereits ein entsprechender Umschwung ab.

Die Zentralbanken haben die Entwicklung der Vermögenspreise bei ihren geldpolitischen Entscheidungen bisher kaum berücksichtigt. War das ein Fehler?

Es gibt gute Gründe, die Geldpolitik an der Kaufkraft der Konsumenten auszurichten und dabei einen repräsentativen Warenkorb zugrunde zu legen. Allerdings gibt es Erfassungsprobleme, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Ein Beispiel sind die Wohnkosten. Bisher berücksichtigt der Verbraucherpreisindex nur die Mieten, nicht aber die Preise für eigengenutzte Immobilien. Und das, obwohl es sich in beiden Fällen um eine bedeutsame Ausgabenkomponente handelt. In Zukunft muss der Verbraucherpreisindex die Wohnkosten umfassender berücksichtigen.

Und was ist mit Vermögenswerten wie Aktien, Rohstoffen und Anleihen? Wie wollen Sie die berücksichtigen?

Grundsätzlich halte ich es für problematisch, wenn die Notenbanken versuchten, Vermögenspreise direkt zu beeinflussen. Die Vermögenspreise gehören nicht in den Zielkatalog, sondern in den Analyserahmen der Geldpolitik. Notenbanken haben zwar eine fundierte Vorstellung davon, wie stark die Konsumentenpreise steigen sollten, um Verzerrungen im Preisgefüge gering zu halten. Bei Vermögenspreisen aber ist das viel schwieriger abzuschätzen. Gleichwohl müssen die Notenbanken bei der Einschätzung der mittelfristigen Inflationsrisiken ein wachsameres Auge darauf haben, welche Folgen ihre Entscheidungen für die Vermögensmärkte haben, denn davon können beträchtliche Rückwirkungen auf Output und Inflation ausgehen.

Das hört sich nach dem Eingeständnis an, dass die Zentralbanken mit ihrer Niedrigzinspolitik in der Vergangenheit den Keim für Spekulationsblasen gelegt haben.

Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, dass die Niedrigzinsen der vergangenen Jahre maßgeblich für die Krise verantwortlich sind. Aber sie haben Übertreibungen bei der Kreditvergabe zugelassen, die durch einen – in meinen Augen entscheidenden – Mangel an effizienter Regulierung ausgelöst wurden. Durch außerbilanzielle Kreditgeschäfte wurde das Eigenkapital geschont, und es entstanden enorme Hebelwirkungen. In Zukunft müssen wir solchen Boom-Bust-Zyklen durch zweierlei vorbeugen. Durch eine symmetrischere und längerfristig ausgerichtete Geldpolitik – und vor allem durch eine bessere Regulierung.

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