
Angela Merkel scheint ihr Leitmotiv für das schwierige Wahljahr 2017 gefunden zu haben. Sicherheit. Sicherheit der Wirtschaft, der Arbeit, Sicherheit der Existenz, der Rente. Und gerade nach dem verheerenden islamistischen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin kurz vor Weihnachten: Sicherheit vor Terror. Das ist die Botschaft, mit der die Kanzlerin hofft, im Bundestagswahljahr die Rechtspopulisten von der AfD möglichst klein halten zu können. Mit dem Thema Sicherheit will Merkel auch die Verunsicherten in die Unionsreihen zurückholen.
Große Terroranschläge in Europa
Ein Lieferwagen rast auf der Flaniermeile "Las Ramblas" im Zentrum Barcelonas in eine Menschenmenge. Nach offiziellen Angaben soll es mindestens einen Toten und 32 Verletzte gegeben haben, Medien berichten von zwölf Toten. Die Polizei bestätigt, dass es sich um einen Terroranschlag handelt. Die Hintergründe der Tat sind zunächst unklar.
Auf der London Bridge überfahren drei Attentäter mehrere Fußgänger, dann greifen sie eine beliebte Markthalle an. Mindestens sechs Menschen kommen ums Leben, die Angreifer werden getötet.
Bei dem Selbstmordanschlag in Manchester auf Gäste eines Pop-Konzerts hatte Salman Abedi, ein Brite libyscher Abstammung, 22 Menschen ermordet. Außerdem wurden 116 Menschen zur Behandlung von Verletzungen in Krankenhäuser gebracht. Die Polizei geht davon aus, dass Abedi kein Einzeltäter war, sondern dass ein ganzes Terrornetzwerk hinter der Tat steckt.
Auf dem Pariser Boulevard Champs-Élysées schießt ein Islamist mit einem Sturmgewehr in einen Polizeiwagen. Ein Beamter wird getötet, zwei weitere Polizisten und eine deutsche Passantin werden verletzt. Die Polizei erschießt den Angreifer, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert die Attacke für sich.
Ein gekaperter Lastwagen rast in einer Einkaufsstraße erst in Stockholm in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus. Fünf Menschen werden getötet, 15 verletzt. Noch am selben Tag nimmt die Polizei einen 39-jährigen Usbeken unter Terrorverdacht fest.
Ein Attentäter steuert ein Auto absichtlich in Fußgänger auf einer Brücke im Zentrum Londons und ersticht anschließend einen Polizisten. Von den Opfern auf der Brücke erliegen vier ihren Verletzungen. Sicherheitskräfte erschießen den Täter.
Auf dem Pariser Flughafen Orly verhindern Soldaten nur knapp einen möglichen Terroranschlag. Ein Mann will einer dort patrouillierenden Soldatin das Gewehr entreißen und wird von anderen Soldaten erschossen. Erst Anfang Februar war nahe dem Louvre-Museum ein Ägypter niedergeschossen worden, der sich mit Macheten auf eine Militärpatrouille gestürzt hatte.
Am Abend des 19. Dezember 2016 rast ein LKW in einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Das Attentat fordert 12 Tote und viele teils Schwerverletzte.
In Nordfrankreich ermorden zwei Angreifer einen katholischen Priester in einer Kirche und verletzen eine weitere Person schwer. Beide Attentäter werden von den Sicherheitskräften erschossen.
In Ansbach in Bayern sprengt sich ein 27-jähriger syrischer Flüchtling vor dem Eingang zu einem Musikfestival mit einer Rucksackbombe in die Luft. Der Attentäter stirbt. 15 Menschen werden verletzt. Auf dem Handy des Mannes findet die Polizei später ein Bekennervideo. Das IS-Sprachrohr Amak behauptet einen Tag später, der Attentäter sei „Soldat des Islamischen Staates“.
In einem Vorort von Würzburg greift ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan in einem Regionalzug Fahrgäste mit einer Axt an. Er verletzt mehrere Menschen teils schwer. Auf seiner Flucht wird er von der Polizei erschossen. Einen Tag später veröffentlichte das IS-Sprachrohr Amak im Internet ein Video des Attentäters. Darin spricht er davon, dass er im Auftrag des IS gehandelt habe und sich an Nicht-Muslimen rächen wollte, die seinen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten.
In Nizza fährt ein schwer bewaffneter Franzose tunesischer Herkunft mit einem Lastwagen in die Menge, die den französischen Nationalfeiertag feiert. Er tötet 84 Menschen.
Am Flughafen Istanbul-Atatürk schoss am 28. Juni 2016 ein Attentäter in der Eingangshalle mit einem Sturmgewehr um sich, warf Handgranaten in die Menge und zündete einen Sprengsatz. Zeitgleich sprengte sich ein weiterer Attentäter in einem Parkhaus in die Luft. Ein dritter Täter zündete offenbar einen Bombe in U-Bahn-Nähe. Die türkische Regierung ordnet den Anschlag dem Islamischen Staat zu. Insgesamt kamen 44 Menschen ums Leben (darunter die drei Attentäter); 239 weitere wurden verletzt. (Stand: 29.06.2016, 14:30 Uhr)
Ein Franzose marokkanischer Herkunft ermordet in einem Pariser Vorort einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin, die ebenfalls bei der Polizei arbeitet.
Am Morgen des 22. März 2016 sprengten sich zwei Terroristen am Flughafen Brüssel-Zaventem in die Luft sowie ein weiterer im U-Bahnhof Maalbeek/Maelbeek in der Brüsseler Innenstadt nahe der EU-Behörden. Nach offiziellen Angaben kamen 35 Menschen ums Leben, darunter drei der Attentäter. Mehr als 300 Personen wurden verletzt.
Zwei Attentäter brachten ihr gestohlenes Auto an der Bushaltestelle einer Metrostation im Stadtzentrum von Ankara zur Explosion – 38 Menschen kamen ums Leben, darunter waren auch die Attentäter. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt. Zu dem Anschlag, der sich am 13. März 2016 ereignete, bekannte sich eine Splittergruppe der Terrororganisation PKK.
Ein IS-Attentäter sprengte sich am 12. Januar 2016 auf dem belebten Sultan-Ahmed-Platz in Istanbul in die Luft – und riss 12 Menschen mit in den Tod. Elf von ihnen gehörten einer deutschen Touristengruppe an. 13 weitere Personen wurden verletzt.
Extremisten mit Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat greifen die Konzerthalle Bataclan und andere Ziele in der französischen Hauptstadt Paris an. Dabei kommen 130 Menschen ums Leben. Ein Hauptverdächtiger im Zusammenhang mit den Angriffen ist der 26 Jahre alte Salah Abdeslam, der am 18. März 2016 in Brüssel festgenommen wird.
Ein 22-jähriger radikalislamischer Angreifer tötet den Filmemacher Finn Nørgaard und einen jüdischen Wachmann einer Synagoge in Kopenhagen. Bei einem Feuergefecht mit einer Spezialeinheit der Polizei wird er erschossen.
Drei Extremisten töten bei einer mehrere Tage dauernden Terrorwelle in Paris 17 Menschen, bevor sie selbst erschossen werden. Zunächst greifen zwei Brüder das Büro der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ an und erschießen zwölf Menschen. Für den den Angriff übernimmt Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel die Verantwortung. In den Tagen darauf tötet ein weiterer Extremist eine Polizistin und nimmt in einem koscheren Supermarkt Geiseln. Vier jüdische Kunden sterben.
Im Jüdischen Museum in Brüssel tötet ein Angreifer mit einer Kalaschnikow vier Menschen. Der mutmaßliche Täter ist ein ehemaliger französischer Kämpfer, der Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien haben soll.
Zwei von Al-Kaida inspirierte Extremisten greifen auf einer Londoner Straße den britischen Soldaten Lee Rigby an und töten ihn mit Messern und einem Fleischerbeil.
Ein Bewaffneter, der nach eigenen Angaben Verbindungen zur Al-Kaida hat, tötet in der südfranzösischen Stadt Toulouse drei jüdische Schulkinder, einen Rabbi sowie drei Fallschirmjäger.
Der muslimfeindliche Extremist Anders Behring Breivik legt eine Bombe im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt Oslo und greift anschließend ein Jugendlager auf der Insel Utøya an. 77 Menschen werden getötet, viele davon Teenager.
52 Pendler kommen ums Leben, als sich vier von Al-Kaida inspirierte Selbstmordattentäter in drei Zügen der Londoner U-Bahn und einem Bus in die Luft sprengen.
Bombenanschläge auf Züge zum Madrider Bahnhof Atocha töten 191 Menschen.
Am Samstag umschreibt Merkel ihren Kurs für die nächsten Monate bis zur Entscheidung im September. Sie sehe dem Wahlkampf „mit Interesse und innerer Motivation entgegen“, formuliert die Kanzlerin in gewohnt nüchternen Worten ihre Gemütslage. Und wie sie zu einer möglichen Kanzlerkandidatur von Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel stehe? „Wen andere Parteien als Spitzenkandidaten aufstellen, ist Sache jeder Partei“ - sie will sich nicht in die Karten schauen lassen.
Soviel wird an diesem trüben Tag im Mosel-Örtchen Perl jedenfalls klar: Die Kanzlerin will sich trotz der lautstarken Proteste der Populisten gegen ihre Politik in einer „postfaktischen“ Zeit nicht vom Kurs abbringen lassen: „Wir sagen klar, dass wir Fakten auch benennen wollen, dass wir ein Angebot an alle machen. (...) Wir schließen keinen aus.“ Anders als die Rechtspopulisten von der AfD eben, oder jene, die gegen Ausländer Stimmung schüren.
Die AfD wird ...
2014:
Ost: 2 Prozent
West: 1 Prozent
2016:
Ost: 11 Prozent
West: 3 Prozent
*Anteil der AfD-Anhänger in Prozent; Quelle: SOEP, DIW
2014:
unter 30 Jahre: 2 Prozent
über 60 Jahre: 1 Prozent
2016:
unter 30 Jahre: 10 Prozent
über 60 Jahre: 3 Prozent
2014:
Realschulabsolventen: 2 Prozent
Abiturienten: 2 Prozent
2016:
Realschulabsolventen: 7 Prozent
Abiturienten: 2 Prozent
Merkels Credo für die Verunsicherten: „Je besser wir arbeiten, je weniger die Menschen beunruhigt, je mehr sie den Eindruck haben, es werden Lösungen für ihre Themen angeboten“, umso stärker werde die CDU werden. Der Wahlkampf der CDU werde bestimmt sein von „ruhigen, sachlichen Antworten auf Fragen, die im Raum stehen“. Ob dabei alle in ihrer Partei die Nerven behalten?
Von der Jahresauftakt-Klausur der CDU-Spitze im Saarland sollte vor allem die Botschaft ausgehen: Nach den fast nur vom Thema innere Sicherheit und der Empörung über den Umgang mit dem 24-jährigen Berliner Attentäter Anis Amri bestimmten Wochen des Jahreswechsels kümmert sich die CDU auch um die anderen Sorgen der Menschen. Arbeitslosigkeit, Rente - das seien ebenfalls existenzielle Sicherheits-Sorgen der Menschen, ist der Hintergedanke.
Doch die Folgen des bisher schwersten islamistischen Anschlags in Deutschland bestimmen zumindest am zweiten Tag weite Teile der internen CDU-Diskussionen. Kein Wunder: Der den Behörden als sehr gefährlich bekannte abgelehnte tunesische Asylbewerber Amri hatte 12 Menschen getötet und etwa 50 zum Teil schwer verletzt.