Charlotte Knobloch über die AfD „Antisemitisch, rassistisch, völkisch“

Eine AfD-Abgeordneter wird nach einem rassistischen Kommentar nur abgemahnt, zwei Parteiausschlussverfahren gegen andere Parlamentarier eingestellt: Die AfD schont ihre radikalen Funktionäre. Das sorgt für Unmut.

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Gekommen um zu bleiben? Die AfD. Quelle: dpa

Berlin Die Entscheidung der AfD, den wegen Antisemitismus-Vorwürfen umstrittenen Landtagsabgeordneten aus Baden-Württemberg, Wolfgang Gedeon, nicht aus der Partei auszuschließen, stößt auf scharfe Kritik. „Die heuchlerischen Versuche, die AfD als Partei des freiheitlich-demokratischen Spektrums darzustellen, sind zum Scheitern verurteilt. Die Partei ist antidemokratisch und antiliberal“, sagte die ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, dem Handelsblatt.

Zuvor hatte der AfD-Landeschef, Ralf Özkara, mitgeteilt, dass das Verfahren gegen Gedeon mit einem Urteil des Landesschiedsgerichts beendet sei. Juristen der Partei hätten die Entscheidung aus formalen Gründen getroffen. Der Parteivorstand habe dann am Dienstagabend beschlossen, keine weiteren Schritte gegen Gedeon einzuleiten, sagte Özkara. „Er ist für uns ein Mitglied wie jedes andere auch.“ Özkara betonte zugleich: „Die AfD distanziert sich von jeder Form von Antisemitismus und Fremdenhass.“

Das jedoch hält Knobloch für wenig glaubwürdig. Mit Gedeon dürfe „ein lupenreiner Antisemit“ weiterhin für die Partei im Landtag von Baden-Württemberg sitzen, sagte sie. Und mit dem Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke fungiere „der Frontkämpfer für die erinnerungskulturelle Wende um 180 Grad“ als „Chef-Ideologe und Stratege“ der Partei.

Auch Höcke muss nicht mit seinem Ausschluss aus der AfD rechnen. Aus der Bundespartei hieß es dazu, das Thüringer Landesschiedsgericht habe in seiner Verhandlung am vergangenen Donnerstag keine parteischädigenden Verfehlungen Höckes festgestellt. Die Parteispitze hatte sich im vergangenen Februar dafür ausgesprochen, Höckes Mitgliedschaft wegen seiner umstrittenen Dresdner Rede vom 17. Januar 2017 zu beenden.

Gemeinsam mit Höcke war am 17. Januar vergangenen Jahres auch der Richter Jens Maier bei einer Veranstaltung der AfD-Jugend im Dresdner Ballhaus Watzke aufgetreten. Mit Blick auf die Verbrechen der Nazi-Zeit hatte Maier damals den „Schuldkult“ für „endgültig beendet“ erklärt. Zudem sprach er von einer „Herstellung von Mischvölkern“, die dazu dienten, „die nationalen Identitäten auszulöschen“.

Maier selbst kassierte vom Bundesvorstand der Partei Vorstand am Montag eine Abmahnung wegen eines rassistischen Kommentars über Noah Becker. Vom Twitter-Account des Bundestagsabgeordneten war Anfang Januar über den Sohn des früheren Tennisstars Boris Becker der Satz gepostet worden: „Dem kleinen Halbneger scheint einfach zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären.“

Der Kommentar bezog sich auf ein Interview. In diesem hatte Noah Becker erklärt, Berlin sei im Vergleich zu London oder Paris eine „weiße Stadt“. Er selbst sei wegen seiner braunen Hautfarbe schon attackiert worden. Becker hat ein Maler-Atelier in Berlin, arbeitet als DJ und ist Mitglied einer Band.

Maiers Kommentar wurde später gelöscht. Der AfD-Abgeordnete erklärte, ihm sei Becker bis dato unbekannt gewesen. Der Tweet sei von einem Mitarbeiter abgesetzt worden. Er habe das Arbeitsverhältnis mit diesem Mitarbeiter inzwischen beendet. Er erklärte außerdem: „Dieser Tweet widerspricht nicht nur meinem Stil, er gibt auch nicht mein Gedankengut wider.“ Er entschuldige sich dafür bei Noah Becker. Das Berliner Landgericht erließ inzwischen eine einstweilige Verfügung gegen Maier. Danach darf er die gefallene Äußerung nicht wiederholen.

Knobloch sieht indes vor allem mit großer Sorge, dass Gedeon mit seinen „kruden“ Thesen und Forderungen keinen Widerspruch ernte, sondern teilweise sogar noch Rückhalt erhalte. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München wertet dies als Beleg dafür, dass „antisemitische Verschwörungstheorien und Ressentiments mit religionsfeindlichen Forderungen fester Bestandteil der AfD-Räson“ seien.

„Antisemitismus, Rassismus und völkischer Nationalismus sind keine Einzelfälle, sondern Programm“, betonte sie. „Der bewusste Bruch mit den bisher geltenden freiheitlich-demokratischen Überzeugungen gehört zum unguten Ton der Partei.“ Dass die AfD trotz oder gerade wegen dieser Agenda zur drittstärksten Kraft in Deutschland habe werden können, sei „verheerend und verstörend“.

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