Christian Wulff Freispruch bedeutet nicht: unschuldig

Christian Wulff kämpft um seine Ehre: Er will sich nicht auf ein Geschäft mit der Staatsanwaltschaft einlassen, die das Ermittlungsverfahren gegen die Zahlung von 20.000 Euro einstellen würde. Seine Reputation wird das aber nicht mehr retten können.

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Der frühere Bundespräsident Christian Wulff beharrt weiterhin auf seine Unschuld Quelle: dapd

Wulff will einen glasklaren Freispruch, kein Gemauschel Geld gegen Wohlwollen. Das alles ist sein gutes Recht. Und wenn er früher auch immer so geradlinig gewesen wäre, hätte es all seine Probleme nie gegeben.

Das Beharren auf seiner Unschuld ist eine juristische Kategorie, keine politische. Denn ob er sich wirklich nichts hat zu Schulden kommen lassen, wie seine Anwälte für ihn sagen? Ob das strafrechtlich zutrifft, wird das Gericht feststellen. Politisch-moralisch dagegen lassen sich die Zweifel auch mit einem Freispruch nicht ausräumen. Denn es handelte sich Ende 2011/Anfang 2012 nicht um eine aus der Luft gegriffene Medienkampagne, wie nun bisweilen nahegelegt wird (auch wenn es in der Berichterstattung peinliche Ausrutscher wie die vermeintliche „Bobby-Car-Affäre“ der Berliner Zeitung gab). Auch dass der frühere Bundespräsident inzwischen aufgrund seines familiären Pechs Mitleid erfährt, ändert nichts an der Bewertung seines Verhaltens, um das es bei der Frage seines Rücktritts ging.

Chronologie der Wulff-Affäre

Denn Wulff hat nicht jene Distanz gewahrt, die schon für einen Ministerpräsidenten angemessen, für ein Staatsoberhaupt aber zwingend ist. Gern hat er als Landesvater in Niedersachsen persönliche Freunde zu Delegationsreisen ins Ausland mitgenommen – im Falle seines väterlichen Freundes Egon Geerkens zu einem Zeitpunkt, als der weder geschäftlich aktiv war, noch in Niedersachsen wohnte. Auch wenn alle Delegationsteilnehmer die Reisekosten selber tragen (wie Journalisten auf solchen Touren auch), ist der Vorteil offensichtlich – von der perfekten Organisation bis zum Zugang zu Gesprächspartnern, die man sonst nicht so einfach treffen würde.

Üblich ist es auch durchaus, dass sich Ministerpräsidenten für Projekte von heimischen Unternehmern einsetzen; das können im Einzelfall sogar persönliche Freunde sein, wenn diese Freundschaft nicht gerade aus rein geschäftlichen Zwecken erst begründet wird. Nur einladen lassen sollte man sich dann eben nicht.

Nicht zu vergessen: Im Landtag zu Hannover hat Christian Wulff nicht die Wahrheit über seine privat-geschäftlichen Beziehungen zu seinem väterlichen Freund gesagt, als nach der Finanzierung des Privathauses gefragt wurde. Bei der Organisation der umstrittenen Veranstaltungen des „Nord-Süd-Dialogs“ zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg lief nicht alles sauber. Noch wird ermittelt, wer wie die Sponsoren-Beiträge von fördernden Unternehmen eingeworben hat. Von der Beteiligung seines engsten Vertrauten und früheren Regierungssprechers, den Wulff einst als seinen Zwilling bezeichnete, wollte der frühere Regierungschef aber später nichts gewusst haben.

Das Einleiten des Ermittlungsverfahrens, um dessen Ende es nun geht, war nur der Anlass für den Rücktritt Christian Wulffs als Bundespräsident. Der Grund war sein fehlendes Gefühl dafür, was ein Repräsentant eines Landes sich erlauben kann, auch wenn die kritisierten Vorfälle in seine Zeit in Niedersachsen fallen. Gerade das Staatsoberhaupt soll Vorbild sein. Ja, da wird mehr verlangt als vom Normalbürger – es ist aber auch niemand verpflichtet, sich zum Bundespräsidenten wählen zu lassen. Nur prüfen sollte man sich halt vorher.

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