Was meinen Sie damit?
Von Weizsäcker: Seit der industriellen Revolution hat sich die Arbeitsproduktivität verzwanzigfacht. Warum? Weil die Löhne immer weiter stiegen und dies auf die Wirtschaft wie eine Produktivitätspeitsche wirkte. Dieses Modell brauchen wir nun für den Rohstoff- und Energiesektor. Wachstum ist auf Dauer nur möglich, wenn wir Rohstoffe und Energie optimal ausnutzen. Und dazu müssen die Preise steigen.
Paqué: Sie wollen ernsthaft die schon jetzt hohen Steuern und Subventionen im Umwelt- und Energiebereich noch weiter erhöhen?
Von Weizsäcker: Eine Lenkungswirkung lässt sich am besten über den Preis erzielen. Derzeit lügen uns die Preise doch schamlos an! Sie sind trotz der jüngsten Steigerungen noch weit von der ökologischen Wahrheit entfernt. Mein Vorschlag ist, die Energiepreise jährlich um so viel Prozent wachsen lassen, wie die Energieeffizienz im Vorjahr zugenommen hat. Die Monatskosten für Energie bleiben dann im Durchschnitt konstant. Und jedes Jahr wird Effizienzverbesserung lukrativer. Das ist aber nur ein Punkt unter vielen, die Marktwirtschaft ökologisch neu zu ordnen. Der Staat muss für Wirtschaft und Verbraucher einen ökologisch verträglichen Ordnungsrahmen setzen.
Paqué: Das ist sehr theoretisch gedacht. Wie wollen Sie das in Einklang bringen mit den Wünschen der Menschen? Sicher, man kann zum Beispiel die Siedlungsstruktur verändern und den Energie- und Flächenverbrauch senken, indem man die Leute in Städten zusammenpfercht. Das Problem ist nur: Die Leute wollen das vielleicht gar nicht. Ihr Traum von Eigenheim und Garten ist ihnen wichtig, und sie haben auch ein Recht dazu.
Von Weizsäcker: Ich rate Ihnen, sich einmal Luftbilder von Atlanta und Barcelona anzuschauen. Die beiden Städte haben ungefähr gleich viele Einwohner - aber die Fläche Atlantas ist etwa 25 Mal größer. Ein Verkehrspolitiker, der da ein rentables Nahverkehrssystem aufbauen will, hat keine Chance. Urbane Verdichtung kann Lebensqualität bringen, wie etwa im Freiburger Stadtteil Vauban. Da stehen nur Passivhäuser, die Leute verbrauchen praktisch keine Heizenergie. 80 Prozent der Leute haben kein Auto, aber Zugang zu Carsharing. Die Kinderzahl ist überdurchschnittlich hoch - eben weil dort die Lebensqualität sehr hoch ist.