DGB-Chef Reiner Hoffmann über das Arbeitsrecht „Arbeitgeber sind in der Pflicht, für Schutz am Arbeitsplatz zu sorgen“

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, arbeiten viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von zu Hause aus - und wollen das auch in Zukunft gerne tun. Quelle: dpa

DGB-Chef Reiner Hoffmann über das Recht auf Homeoffice, die neue Arbeitswelt nach Corona und die Lehren aus der Pandemie für Gewerkschaften und Arbeitgeber.

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WirtschaftsWoche: Herr Hoffmann, kann der Arbeitgeber nach dem Abflauen der Pandemie eine Rückkehr an den Arbeitsplatz anordnen? Welche Haltung vertreten die Gewerkschaften?
Reiner Hoffmann: Zunächst einmal entscheidet der Gesetzgeber darüber, ob die temporäre sogenannte Homeoffice-Verpflichtung nach dem Infektionsschutzgesetz über den Juni hinaus verlängert wird. Wenn diese ausläuft, kommt es darauf an, ob und welche Vereinbarungen zum Homeoffice getroffen worden sind. Gewerkschaft und Betriebs- oder Personalräte haben dazu bereits viele wegweisende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen ausgehandelt.

Was wollen die Beschäftigten?
Wir gehen davon aus, dass viele Beschäftigte ihre Kolleg*innen nach der langen „Zwangspause“ endlich auch im Betrieb wiedersehen wollen, gleichzeitig aber auch die durch mobiles Arbeiten gewonnenen Vorteile weiterhin nutzen möchten. Es ist unser Anspruch, einen gesunden Mix durch klare Regeln für selbstbestimmte Arbeit im Homeoffice, ausreichende Sicherheit im Betrieb und mehr Arbeitszeitsouveränität für alle Beschäftigten zu gestalten.

Wie weit ist der vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagene „Anspruch auf Homeoffice“ umgesetzt?
Die Tatsache, dass viele Arbeitgeber trotz der dramatischen Pandemie-Lage praktisch zum Homeoffice verpflichtet werden mussten, zeigt, dass weiterhin politischer Druck nötig ist. Der Rechtsanspruch würde Arbeitnehmer*innen neue Freiheit ermöglichen, wenn die Rahmenbedingungen dafür stimmen. Beides – mehr Freiheit und klare Regeln – hat die Union bislang leider blockiert. Außerdem muss klar sein, dass Beschäftigte zwar ein Recht auf mobiles Arbeiten haben, aber keine Pflicht, dieses Angebot anzunehmen. Nicht jeder kann und will von Zuhause arbeiten, etwa weil die räumlichen Gegebenheiten nicht passen, die familiäre Situation es nicht zulässt oder eine Abgrenzung zwischen Beruf und Privatleben gewünscht ist. Das A und O ist deshalb, dass Arbeiten von Zuhause freiwillig bleibt.

Reiner Hoffmann ist Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Quelle: dpa

Was sind aus Ihrer Sicht die betrieblichen Konsequenzen aus dem Corona-Jahr?
Wichtig ist, die richtigen Lehren aus der Pandemie zu ziehen. Die Arbeitgeber sind bei einem Abflachen des Infektionsgeschehens und der möglichen Rückkehr in den Betrieb umso mehr in der Pflicht, für einen umfassenden Schutz am Arbeitsplatz zu sorgen. Es wäre unverantwortlich, wenn der Arbeits- und Gesundheitsschutz – auch unabhängig von der Pandemie – so sträflich vernachlässigt würde wie in der Vergangenheit.

Woran denken Sie besonders?
Vor allem die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz sind seit Jahren ein Riesenproblem und haben mit der Pandemie noch zugenommen. Wir brauchen hier – wie auch fürs Homeoffice – moderne rechtliche Instrumente, um Stress und arbeitsbedingten Erkrankungen vorbeugen zu können. Dazu gehören bessere Mitbestimmungsrechte zum Beispiel bei der indirekten Leistungssteuerung, der Personalbemessung und anderen. Außerdem brauchen wir eine Antistress-Verordnung, die für mehr Verbindlichkeit sorgt, sowie eine klare Definition von Homeoffice, damit auch hier die nötigen Schutzregeln greifen können.

Mehr zum Thema: Mit dem absehbaren Ende des Lockdowns stellt sich die Bürofrage neu. Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter von der Rückkehr überzeugen wollen – und warum Top-Leute zu Hause bleiben dürfen.

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