Bundesfinanzminister Olaf Scholz scheint ein glücklicher Mensch zu sein. Er lächelt ständig, und er hat allen Grund dazu. Die Steuereinnahmen des Bundes steigen kräftig an, er kann viel Geld für soziale Wohltaten ausgeben, damit die geschundene Seele seiner Partei ein wenig streicheln, und trotzdem bleibt sein Haushalt in den schwarzen Zahlen. Doch wenn er die Kollegen Stadtkämmerer sieht, müsste er angesichts deren dreistem Treiben entweder rot vor Wut oder gelb vor Neid anlaufen.
Denn die Kommunen toppen alle Einnahmenrekorde und füllen sich mit ihren beiden kommunalen Steuern – Gewerbe- und Grundsteuer – maßlos die Taschen. Von 2015 bis 2017, binnen zwei Jahren, erhöhten die Gemeinden ihre Steuereinnahmen um 13 Prozent, ermittelte jetzt die Beratungsgesellschaft Ernst & Young.
Die wundersame Geldmehrung in den Gemeinden ist nicht allein auf die brummende Konjunktur und die hohe Beschäftigung hierzulande zurückzuführen. Nein, die Gemeinden drehen zusätzlich an den ihren zur Verfügung stehenden Stellschrauben. Mehr als jede zweite Kommune hat laut Ernst & Young in den vergangenen fünf Jahren ihren Hebesatz für die Gewerbesteuer angehoben, und 60 Prozent haben die Grundsteuer mindestens einmal heraufgesetzt. Und weil sich die betroffenen Eigenheimbesitzer und Mieter genauso wenig wehren können wie bereits ansässige Unternehmen, muss das Wort von einer modernen Wegelagerei erlaubt sein – nur dass hier die Ansässigen und nicht Durchreisende geschröpft werden.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
So sehr sich viele Kommunen nun über die Steuer sanieren wollen, so kurzsichtig ist ihr Handeln jedoch, zumindest was die Gewerbesteuer betrifft. Denn die Gewerbesteuer übertrifft bei vielen Unternehmen inzwischen die ebenfalls (an Bund und Länder) zu zahlende Körperschaftsteuer und macht den Großteil der steuerlichen Belastung aus. Damit steigt der Druck in der Wirtschaft, sich den Firmen- und /oder Investitionsstandort unter gewerbesteuerlichen Aspekten auszuwählen. Und dann drohen die Kommunen am Ende leer auszugehen, die bei der Gewerbesteuer den Bogen überspannen.