Freytags-Frage

Warum hat die CDU keine Lust mehr auf Wirtschaft?

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Ursachenforschung zur mangelnden Wirtschaftskompetenz

Der Wirtschaftsrat hat sich in diesem Jahr – anders als früher – mit seiner Kritik an der großkoalitionären Wirtschaftspolitik zurückgehalten. Denn offenbar können sich diejenigen, die zum Wirtschaftsflügel gehören bzw. im Wirtschaftsrat aktiv sind, kein Gehör verschaffen.
Dort sammeln sich dann auch zunehmend Frustrierte und Verzweifelte, die schon nach der FDP rufen. Oder – wie jetzt in Berlin – hält man sich zurück, wahrscheinlich um wenigstens den Zugang zu den Führungskräften der Union nicht völlig zu verlieren. Das wird aber kaum reichen, um die Bedeutungslosigkeit der Wirtschaftspolitik in der CDU des Jahres 2016 zu beenden.

Da stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser Ignoranz und dieser Missachtung fundmentaler politischer Herausforderungen der Zukunft durch die größte Partei mit der bei weitem überzeugendsten politischen Persönlichkeit an ihrer Spitze.

  • Zum ersten mag es damit zusammenhängen, dass Ordnungspolitik nicht viele Spielräume für Regierungshandeln gibt. Ein aktiver Politiker möchte sicher nicht zum Halbautomaten degradiert sein und braucht dafür Spielraum. Auf diese Weise wird eine wirtschaftspolitische Ordnung systematisch ausgehöhlt und müsste deshalb regelmäßig erneuert werden.

  • Zweitens ist das ökonomische Grundverständnis der Bevölkerung so gering, dass man mit komplexen Themen in der Öffentlichkeit nicht punkten kann. Wer auf die mit der Mietpreisbremse verbundenen potentiellen Feedback-Prozesse hinweist, dürfte damit wenig Zuspruch ernten; dann doch lieber die Karten Moral, Gerechtigkeit und soziale Belange spielen. Dass wirtschaftspolitischer Unsinn auch unmoralisch ist, wird vielfach ausgeblendet.

  • Drittens trägt vermutlich die neue Diskussionskultur im Internet in Verbindung mit den ständigen politischen Umfragen dazu bei. Schnelle Antworten auf aufkommende Probleme sorgen für ständige Beruhigung der Öffentlichkeit. Langfristig orientierte Maßnahmen können da nicht attraktiv sein. Wer erfolgreich „Government by polls“ betreiben will, darf keinen langen Atem haben. Effektive Wirtschaftspolitik ist jedoch Langfristpolitik.

  • Dazu passt viertens, dass wirtschaftspolitische Fehler und Unterlassungen in der Gegenwart sich oftmals erst sehr viel später negativ auswirken. Da es heute wirtschaftlich gut zu laufen scheint, sind die Menschen zufrieden und wollen nicht gestört werden.

  • Fünftens hat sich die CDU mit großem Erfolg den Sozialdemokraten angenähert und ihnen die Wählerschaft abgejagt. Damit verschiebt sich sich natürlich auch der Kompass in wirtschaftspolitischer Hinsicht – weg von der Ordnungspolitik, hin zur ad-hocerie.

  • Schließlich ist die Konkurrenz wie schon erwähnt so schwach, dass das Thema einfach ignoriert werden kann

Insofern muss man sich nicht wundern, dass die Wirtschaftspolitik in der CDU nicht mehr zuhause ist. Sie tummelt sich lieber auf den populären Feldern, die keine wirtschaftspolitische Kompetenz erfordern. Politisch ist dies sehr erfolgreich; aber wehe, die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich. Dann dürften sich diejenigen mit den ganz einfachen Lösungen leichter tun als eine entkernte CDU. Sie sollte lieber langsam anfangen umzusteuern.

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