Grüne Tugendwächter im Wurzelwahn

Wie die Grünen mit Verboten und Steuern die Bürger gutmenschlich umerziehen wollen.

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Erst die Moral... Spitzen-Grüne Oezcan Mutlu, Renate Künast Quelle: dpa

Die Reaktion war heftig, der Spott kreativ. Junge Union und Junge Liberale veranstalteten vor der Parteizentrale der Grünen ein Protestgrillen mit Slogans wie "Burgerrechte für alle" oder "Mein Bauch gehört mir". Empörte Twitterer wetterten: "Was kommt als Nächstes: donnerstags kein Fleisch und mittwochs nur gleichgeschlechtlicher Sex?" Witzbolde passten Filmtitel vegetarisch korrekt an: "Das Schweigen der Schlemmer", "Vom Rinde verweht" und "Kill Dill". Und der Münsteraner CDU-Mann Josef Rickfelder verglich gar schon im Januar den von den Grünen propagierten "Veggieday" mit dem Eintopftag der Nazis. Das Geld, das beim Verzicht auf den Sonntagsbraten gespart wurde, sammelten nach 1.933 Freiwillige an der Haustür für das Winterhilfswerk ein.

Wie Rot-Grün die Deutschen zwangsbeglücken will
Die Grünen wollen nach der Bundestagswahl einen fleischlosen Tag in Kantinen einführen. Der Vorschlag wabert schon eine ganze Zeit lang durch die Partei und wurde schon mehrmals scharf kritisiert. So verglich beispielsweise der CDU-Politiker Josef Rickfelder im Januar 2013 den "Veggie-Day" in Kantinen und Schulen mit dem Eintopftag der Nationalsozialisten und nannte ihn eine "Gängelung der Bürger", gegen die man sich wehren müsse. Trotzdem wollen die Grünen nach der Bundestagswahl den "Veggie-Tag" einführen, an dem in Kantinen und Mensen ausschließlich vegetarisch und vegan gekocht werden soll. „Ein Veggie Day ist ein wunderbarer Tag zum Ausprobieren, wie wir uns mal ohne Fleisch und Wurst ernähren“, sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast. Mit dem Vegetariertag will die Partei den Fleischkonsum der Bundesbürger senken. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Politiker so in das Privatleben der Bürger einmischen (wollen). Quelle: dpa
Auf umweltschädliche Plastiktüten sollte nach Überlegungen in den Reihen der Grünen künftig eine Steuer von 22 Cent erhoben werden. Die Verwendung erdölbasierter Kunststoffe müsse dringend eingeschränkt werden, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Dorothea Steiner, der Bild-Zeitung. Quelle: dpa
Auch die Forderung nach einer gesetzlichen Frauenquote kommt von Rot-Grün. Mittlerweile stößt auch die CDU, allen voran Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, ins gleiche Horn. Quelle: dpa
Seit dem 01.08.2013 haben Familien einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für ein- und zweijährige Kinder. Ginge es nach dem Willen von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), müssen alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr in eine Kita gehen. Sie sprach zwar nicht ausdrücklich von einer Kita-Pflicht, sagte aber: "Bisher waren wir uns mit der CDU einig, dass Bildung schon in der Kita beginnen muss. Dann müssen wir aber auch sicherstellen, dass alle Kinder da sind, statt eine Prämie zu zahlen, damit sie fernbleiben." In der CDU stieß dieser Vorschlag auf harsche Kritik. So hatte sich beispielsweise Familienministerin Kristina Schröder echauffiert: "Wer eine Kita-Pflicht ab dem ersten Geburtstag will, muss ein ziemlich verqueres Menschenbild haben." Quelle: dpa
2012 wollten SPD und Grüne den Autofahrern an den Kragen: Sie wollten aber nicht nur Autobahnraser bremsen, auch in den Innenstädten sollte es beschaulicher zugehen. Sie forderten ein generelles Tempolimit von 30 Stundenkilometern in Städten, um die Straßen sicherer zu machen. "Mit Rot-Grün stünde ganz Deutschland auf der Bremse", schimpfte damals CDU-Politiker Hermann Gröhe. Quelle: dpa/dpaweb
Auch den steuerfreien 450-Jobs soll es nach dem Willen von Rot-Grün an den Kragen gehen. "Alle Verdienste über 100 Euro im Monat sollen steuer- und abgabenpflichtig werden, mit reduzierten Beiträgen für geringe Einkommen", fordert Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. So könne mehr Beschäftigung entstehen. "Die Leute wären besser abgesichert und könnten wieder mehr Rentenansprüche aufbauen." Für Studenten, Hausfrauen und Hartz-IV-Empfänger, die sich mit den Minijobs etwas dazu verdienen, wäre das allerdings ein Schlag ins Gesicht. Quelle: dpa
In Nordrhein-Westfahlen wollte dir rot-grüne Landesregierung die Ladenöffnungszeiten verändern: Geschäfte sollten nur noch maximal 13 mal im Jahr Sonntags geöffnet haben dürfen. Außerdem plante Rot-Grün ein Verkaufsverbot an Samstagen ab 22 Uhr. Quelle: AP

Moralischer Gemüsezwang

Der grüne Regierungsanspruch bis in Topf und Teller hat den Bundestagswahlkampf - anders als Drohnendebakel und NSA-Abhörpraktiken - erstmals zum Kochen gebracht. Zwar beeilte sich Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt klarzustellen, die Grünen wollten das Fleischessen nicht verbieten, sondern nur für den Verzicht auf Wurst, Steak und Schnitzel werben (und natürlich jene Kantinen und Restaurants "fördern", die donnerstags ihren Speisezettel ethisch säubern). Das ist gut für die eigene Gesundheit und mindert das Leid der Massenhaltungstiere. Doch die siedende Stimmung entspringt nicht nur deutscher Fleischeslust, sondern auch dem Gefühl, dass der moralische Gemüsezwang exemplarisch steht für die Grundlinie der Ökopartei: das Land umzuwandeln in ein Umerziehungslager, in dem Gutmenschen aus ihren Mitbürgern Bessermenschen machen wollen.

Im Bionade-Biedermeier darf der mündige Kunde nicht frei entscheiden. "VerbraucherInnen haben die Verantwortung, durch ihr Konsumverhalten ein Zeichen für mehr Nachhaltigkeit zu setzen", verlangt das Grünen-Wahlprogramm. Mit der Anmaßung, in nahezu jeden Lebensbereich der Bürger eingreifen zu müssen, lassen sich sogar die diversen von den Grünen geplanten Steuererhöhungen rechtfertigen. Und nicht nur, um externe Kosten beispielsweise für Umweltschäden einzupreisen und über höhere Preise Ungeliebtes zu ächten und zu verdrängen. Auf Seite 76 des Wahlprogramms heißt es in schönster Offenheit: "Eine solide Finanzpolitik eröffnet demokratische Gestaltungsspielräume und macht so Einmischung erst möglich."

Wer ein Gefühl für grüne Regelungswut entwickeln möchte, arbeitet sich durch 319 Seiten Bundestagswahlprogramm. Keine andere Partei kommt auf so viel Text. Union und SPD begnügen sich für ihre "Regierungsprogramme" mit 128 beziehungsweise 118 Seiten. Das "Bürgerprogramm" der FDP findet auf 95 Seiten statt, die Linkspartei braucht gar nur 86.

Der Wurzelwahn, der nach Gender- nun auch Gemüse-Mainstreaming verlangt, ist nur die Spitze des Eisbergsalats. Gestartet sind die Grünen einst als Protestbewegung mündiger Bürger gegen die Obrigkeit. Inzwischen weiß das Matriarchat in schönstem Paternalismus, was für die Bürger das Beste ist (was die eben selbst noch nicht wissen, die Dummchen). Das Wahlprogramm wartet mit einer ganzen Reihe von Verboten und gesellschaftlichen Benimmregeln auf.

"Solide Finanzpolitik macht Einmischung erst möglich"

Welche Politiker die Deutschen (nicht) lieben
Angela Merkel: 65 ProzentKanzlerin Merkel baut ihren Vorsprung in der Wählergunst im ARD-Wahltrend nochmal um fünf Prozent zum Vormonat aus. Damit ist sie nicht nur die Politikerin, mit deren Arbeit die Deutschen am zufriedensten sind. Sondern sie führt als CDU-Vorsitzende auch die Partei an, die – laut aktueller Sonntagsfrage – eine unveränderte Mehrheit von 41 Prozent der Deutschen wählen würden. Bei einer Stichwahl zwischen den Kanzlerkandidaten Steinbrück und Merkel, würden 55 Prozent der Deutschen für Merkel stimmen. Im Profilvergleich mit ihrem SPD-Herausforderer schneidet sie nur beim Einsatz für soziale Gerechtigkeit schlechter ab. Quelle: dapd
Thomas de Maizière: 63 ProzentVerteidigungsminister de Maizière folgt der Kanzlerin auf den Fersen: Auch der CDU-Politiker konnte zum Vormonat nochmal fünf Prozent gutmachen. De Maizière kommt in seinem Amt als Verteidigungsminister wohl deshalb so gut an, weil er den Umbau der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee zügig vorantreibt. Außerdem macht er auf das Schicksal traumatisierter Soldaten aufmerksam und erklärt den pazifistischen Deutschen, warum mancher Bundeswehreinsatz doch nötig sein könnte. Quelle: dapd
Wolfgang Schäuble: 59 ProzentAuch auf dem dritten Platz der Zufriedenheitsrangliste steht ein CDU-Politiker aus dem merkelschen Ministerkabinett: Finanzminister Schäuble hat nochmal zwei Prozent mehr Zustimmung bekommen als im Dezember. Und das obwohl er als einer der prominenten Manager der Euro-Krise nicht gerade auf Beliebtheit abonniert ist: Glauben doch 70 Prozent der Deutschen, dass uns das schlimmste in der europäischen Schuldenkrise noch bevorsteht. 54 Prozent der Wähler machen sich Sorgen um ihre Ersparnisse. Quelle: REUTERS
Hannelore Kraft: 58 ProzentDer populärste Sozialdemokrat ist weder Parteiführer Gabriel noch die „Stones“, sondern die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen: Hannelore Kraft hat zum Vormonat nochmal zwei Prozent auf der Zufriedenheitsskala zugelegt. Ihre Beliebtheit gründet sich wohl vor allem darauf, dass sie nicht kühl und abgehoben und ihre Auftritte inszeniert wirken, wie bei vielen anderen Spitzenpolitikern. Sie wirkt immer noch wie die gute Freundin von nebenan – und diese Bodenständigkeit kommt an. Quelle: REUTERS
Frank-Walter Steinmeier: 51 ProzentVor noch nicht allzu langer Zeit hatte die SPD noch drei potentielle Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst: die „Stones“, Steinbrück und Steinmeier, und den dritten im Bunde, Parteiführer Gabriel. Zum Spitzenkandidat kürte die SPD – irgendwie über Nacht – Peer Steinbrück, der inzwischen in den Beliebtheitsumfragen abstürzt. Dagegen sind die Deutschen in der aktuellen Umfrage mit Frank-Walter Steinmeier aus dem ehemaligen SPD-Triumvirat am zufriedensten, auch wenn er seit den letzten Umfragen um 5 Prozent absackte. Quelle: dapd
Jürgen Trittin: 45 ProzentDer beliebteste Grünen-Politiker im Deutschlandtrend ist Bundesfraktionsvorsitzender Jürgen Trittin mit unverändert 45 Prozent Zustimmung. Bei der aktuellen Sonntagsfrage würden 14 Prozent der Deutschen die Grünen in den Bundestag wählen, zwei Prozent mehr als noch in der Vorwoche. Quelle: dpa
Ursula von der Leyen: 44 ProzentDie Zufriedenheit mit Arbeitsministerin von der Leyen liegt unverändert bei 44 Prozent. Sie selbst geht mit dem Thema Popularität ganz pragmatisch um: “Beliebt wollte ich zu Schulzeiten sein, das sind Poesiealbumkategorien. Als Ministerin ist das für mich kein Kriterium mehr. Die Themen, die ich behandele, polarisieren, weil sie jeden angehen.” Quelle: dpa

An öffentlichen Orten soll auf "unnötige Beschallung verzichtet werden" (eine Ethikkommission "Viel Nichts um Lärm" könnte vermutlich einen Leitfaden erstellen, was ein guter, was ein böser Ton ist). Tierversuche, von der Industrie meist ohnehin durch andere Verfahren ersetzt, sollen weitgehend verboten werden. Die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen wird auf 120 Stundenkilometer begrenzt, auf zweispurigen Landstraßen darf nicht schneller als 80 km/h gefahren werden. Per Rahmengesetz sollen die Kommunen ermächtigt werden, auf allen Stadtstraßen Tempo 30 einzuführen. Nachtflüge werden generell untersagt. Ab 2015 ist der Einbau von Ölheizungen verboten. Dass jeder nach seiner Facon selig werden möge, wie es einst Friedrich II. postulierte, rückt da in weite Ferne. Aufgeklärter Absolutismus war gestern.

Der Umerziehungsanspruch hat Tradition. Einst wollten Grünen-Abgeordnete Ferienflüge nur noch alle paar Jahre genehmigen (vielleicht mittels eines Sperrstempels im Reisepass?), mal wollten sie Zirkustiere verbieten und Weichmacher in Sexspielzeug; dann kamen Motorroller auf den Index, später Limonade in Schulen. Außerdem: Computerspiele, Paintball, Standby-Funktion an Elektrogeräten, Süßigkeiten-Werbung im Fernsehen (aber nur vor 20 Uhr, Spätfilm-Kinder dürfen naschen). Auch Plastiktüten könnten verboten werden - aber nur, wenn die geplante Tütensteuer von 22 Cent pro Stück nicht wirkt. Das Dosenpfand lässt grüßen.

Das vorläufige amtliche Endergebnis – hier sehen Sie, wie die politische Stimmung im Land ist.

Eine Abgaben- oder Steuerlösung wäre ja zumindest die marktwirtschaftliche Variante. Denn dann kann der Konsument wenigstens selbst entscheiden, ob er zum verdammten Produkt greifen möchte, falls er es sich dann noch leisten kann.

Krude Logik

Dieses Privileg freilich ist umstritten. Denn auch Gleichmacherei gehört zum Repertoire. Wer geglaubt hatte, die Forderung nach Abschaffung der 1. Klasse in Regionalzügen sei nur der Spleen der Grünen Jugend Schleswig-Holstein, sah sich getäuscht. Schneller als ein ICE vorbeirauscht, erkannte die Landesvorsitzende der Mutterpartei, dass derlei Klassengesellschaft unzeitgemäß ist. Die krude Logik: Allen gehe es besser, wenn es einigen schlechter geht. Die Bahn verlöre aber vielleicht gut zahlende Kunden.

Der nächste logische Schritt ist das Einheitsauto. Denn warum sollte sich jemand mit mehr Geld einfach so ein größeres, schnelleres, luxuriöseres Fahrzeug leisten dürfen? Der Trabi lässt grüßen. Aber auch bei anderen Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge spielt das Geld eine Rolle. Ja, der Reiche kann den Wasserhahn Stunden lang laufen lassen und daheim die Festbeleuchtung einschalten, was dem Normalverdiener nicht vergönnt ist. Aber muss man das verbieten?

Immerhin, bei Drogen heißt es klar und deutlich im Wahlprogramm: "Wir setzen dabei auf das Selbstbestimmungsrecht der Menschen." Deshalb wollen die Grünen auch "den Eigenverbrauch und privaten Anbau von Canabis legalisieren". Freunde des Rausches sollten sich jedoch nicht zu früh freuen. Denn auch hier heißt es, wie so oft bei den Grünen: Was noch erlaubt ist - wird besteuert.

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