Interview zu AfD-nahen Betriebsräten „Die völkische Rechte will die Volks- und Betriebsgemeinschaft“

AfD-nahe Beschäftigte wollen ihren Einfluss in Betriebsräten, etwa bei Daimler, ausbauen. Eine gefährliche Entwicklung, findet der Gewerkschaftsforscher Dörre.

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„Die Gewerkschaften müssen die Radikalpopulisten bei ihren inneren Widersprüchen packen.“ Quelle: Jan-Peter Kasper/FSU Jena

Berlin Von Anfang März bis Ende Mai wählen sich die Belegschaften vieler privatwirtschaftlicher Betriebe einen neuen Betriebsrat. Beflügelt durch den AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl rechnen sich Sympathisanten der Partei gute Chancen aus, in Arbeitnehmervertretungen gewählt zu werden.

Das hat jüngst den Betriebsrat des Daimler-Werkes Untertürkheim veranlasst, gegen die als rechtsextrem eingestufte Gruppierung „Zentrum Automobil“ Stellung zu beziehen. Dahinter steht die Sorge um den Ruf des Werks Untertürkheim. In Medien erscheine es schon als ein Sammelbecken für Neonazis und Zentrum rechtsextremer Umtriebe. Klaus Dörre, der an der Universität Jena zu Gewerkschaften forscht, hält die Sorgen für berechtigt. Und er warnt die Politik davor, das Problem kleinzureden.

Herr Professor Dörre, wie bewerten Sie die Aktivitäten der rechten Arbeitnehmervertreter: Steht zu befürchten, dass die Betriebsräte von Rechtspopulisten unterwandert werden?
Soweit ist es noch nicht. Es wird wohl nur wenige rechte Betriebsratslisten geben. Man darf das Problem aber nicht kleinreden. Das Zentrum Automobil gibt sich im Betrieb globalisierungskritisch und kämpferisch. Sie treten als Kümmerer auf und vermeiden rassistische Töne. Es kann aber kein Zweifel bestehen, dass Spitzenleute des Zentrums tief in der militanten Rechten verankert sind. Gefährlicher ist eine andere Entwicklung.

Was meinen Sie?
Es gibt Betriebsräte, die sich im Unternehmen vorbildlich engagieren, bei politischen Fragen mit Pegida und der AfD sympathisieren. Im Betrieb halten Sie sich zurück, das macht die Auseinandersetzung mit ihnen schwer. Wo es Personenwahlen gibt und gewerkschaftliche Vertrauensleute nicht vorhanden sind, werden Betriebsräte mit rechtspopulistischer Gesinnung gar nicht auffallen.

Wie ist diese Entwicklung zu erklären?
Dass es ein rechtspopulistisches Potential unter Arbeitnehmern und Gewerkschaftern gibt, ist lange bekannt. Nun tritt offen zutage, was zuvor als Unterströmung in demokratischen Organisationen verborgen war. Dafür gibt es viele Ursachen.

Zum Beispiel?
Eine ist das berechtigte Empfinden, in einer Gesellschaft, in der angeblich alles immer besser wird, nicht genug vom Kuchen abzubekommen. Rechtspopulisten deuten dies in einen Kampf zwischen Inländern und migrantischen Eindringlingen um. Damit betreiben sie eine symbolische Aufwertung nur deutscher Arbeitnehmer, die zulasten abgewerteter Gruppen wie Fluchtmigranten, Muslime, oder sogenannter „Sozialschmarotzer“ geht.

Könnte auch und vor allem die AfD von dieser Entwicklung profitieren, etwa in der Form, dass sie sich immer stärker auch als Arbeiterpartei positionieren kann – mit womöglich positiven Effekten bei künftigen Wahlen?
Ja. Die AfD verfügt über parlamentarische Positionen, Geld und Einfluss. Sie versucht, ihr Arbeiterpotential auszuschöpfen. Deshalb darf man nicht wegschauen. Lässt man rechte Listen gewähren und verzichtet auf eine offensive Auseinandersetzung in den Betrieben, wird das Problem weiter wachsen. In Sachsen gibt es bereits einzelne Betriebsräte, die von AfD-Sympathisanten dominiert werden.

Welche Möglichkeiten haben die etablierten Parteien beziehungsweise Gewerkschaften, um ein Erstarken rechter Arbeitnehmergruppierungen zu verhindern?
Sie dürfen das Problem nicht kleinreden. Betriebsräte, Gewerkschaften und Unternehmen können gemeinsam dafür sorgen, dass die rückwärtsgewandte Politik der Rechtspopulisten zum betrieblichen Thema wird. Die Gewerkschaften dürfen den Rechten nicht den Part des Kümmerers überlassen. Sie müssen die Radikalpopulisten bei ihren inneren Widersprüchen packen. Nichts will die völkische Rechte weniger als Umverteilung von oben nach unten. Sie will die Volks- und Betriebsgemeinschaft. Das darf man ihnen nicht durchgehen lassen.

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