Konservatives Jubiläum Die CDU wird 70

Die CDU feiert ihren 70. Geburtstag. Wird es eine krachende Party geben? Die Bilanz der CDU über die letzten sieben Jahrzehnte gibt es her; ein Blick auf die künftigen Herausforderungen legt jedoch Zurückhaltung nahe.

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CDU Quelle: dpa

46 Jahre CDU-Kanzlerschaft haben die Bundesrepublik Deutschland entscheidend geprägt. Doch wird der Wind in der Politik rauer. Die Schlagzahl im politischen Geschäft hat sich massiv erhöht. Mit Angela Merkel tauschen hätte in den letzten Jahren auch von uns oberschlauen Ratgebern wohl niemand wollen. Es ist unglaublich, welchen Tribut die Krisen dieser Welt unserer Bundeskanzlerin abverlangt haben. Und es ist bewundernswert, wie Merkel diesen nun schon einige Jahre dauernden Gipfel- und Krisenmarathon bewerkstelligt.

Vielleicht war Angela Merkels Kurs, Ecken und Kanten der CDU abzuschleifen, genau das Richtige in den vergangenen turbulenten Jahren. Die Finanz-, Euro- und Griechenlandkrise waren (hoffentlich) genauso außergewöhnlich wie die außenpolitischen Spannungen durch den Ukraine-Konflikt und die NSA-Affäre. Fraglich ist jedoch, ob die CDU in Zukunft wieder mehr Konturen braucht, um im politischen Wettbewerb bestehen zu können.

Prof. Dr. Niklas Potrafke Quelle: PR

Größtes Sorgenkind ist das wirtschaftspolitische Profil der CDU. Früher hätte kaum jemand für möglich gehalten, dass die Union einmal einen gesetzlichen Mindestlohn und eine Mietpreisbremse einführen würde. So hatten sich das die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft sicher nicht vorgestellt und würden sich heute im Grabe umdrehen. Der Atomausstieg und die Energiewende erhitzen ebenso die Gemüter.

Insbesondere in der Wirtschaftspolitik braucht die CDU sehr gute Antworten auf die Frage, was sie von der politischen Konkurrenz unterscheidet. Eine etwas schwarz angepinselte SPD wird auf Dauer nicht tragen. Die AfD fischt fleißig Wählerstimmen und bedient mit Wonne enttäuschte CDU-Wähler. Dass Leistung sich lohnen muss, ist ein guter Leitspruch für die CDU. Ein marktorientierteres Wirtschaftsprofil stände der Union gut zu Gesicht.

In der Euro- und Griechenland-Krise denken viele an das Vermächtnis Helmut Kohls. Ende 2000 machte Kohl in seinem Tagebuch klar, warum er um jeden Preis nicht nur die deutsche Einheit, sondern auch die europäische Integration wollte. Der Krieg insbesondere mit den französischen Nachbarn hinterließ bei Kohl tiefe Spuren. Er schwor sich als Jugendlicher, dass es nie wieder einen Krieg in Europa geben dürfe. Kohl agierte in den 1990er Jahren wie heute Mario Draghi: Deutsche und europäische Integration um jeden Preis, koste es, was es wolle. In der gegenwärtigen Griechenlandkrise trägt bodenloses Retten jedoch gerade nicht zum erfolgreichen Weiterführen des Europäischen Projektes bei.

Ununterscheidbarkeit droht der Union auch in gesellschaftspolitischen Fragen. Rot, grün und dunkelrot treiben die Union in Sachen Homo-Ehe vor sich her. Die Union hadert, ihre früheren Positionen über Bord zu werfen. Dabei mag sich die CDU einen Bärendienst erweisen, gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Ehe zu vermarkten und gleichgeschlechtlichen Paaren das volle Adoptionsrecht zukommen zu lassen.

Die Stärken und Schwächen der Bundeskanzler
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Willy Brandt Quelle: dpa
Helmut Schmidt (1974 – 1982)„Schmidt-Schnauze“ sammelte Wählerstimmen nicht nur bei klassischen SPD-Anhängern, sondern überproportional bei Frauen und Unionswählern. „Guter Mann in der falschen Partei“, hieß es oft. Im „deutschen Herbst“, der Terrorwelle der RAF, behielt er die Nerven und nahm Opfer in Kauf, damit der Staat nicht erpressbar würde. Mit seiner These „lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit“ erwarb sich Schmidt den Ruf als gewiefter Ökonom. Das war durchaus erstaunlich. Seine Schwäche: Genau diese von ihm getroffene Wahl führte nämlich in die Stagflation, die erheblich zum politischen Scheitern Schmidts beitrug. Schmidt war in den späteren Jahren seiner Kanzlerschaft nur noch wenig beratbar, verpasste den Anschluss an die Stimmung im Lande, die Wirtschaftsreformen und einen Weg aus der Massenarbeitslosigkeit einforderte. Seine Partei konnte er am Ende nicht mehr überzeugen – sie verweigerte ihm beim Ausbau der Kernenergie und bei der Nachrüstungspolitik der NATO die Gefolgschaft. Quelle: dpa
Helmut Kohl Quelle: AP
Gerhard Schröder Quelle: dpa

Innenpolitisch ist es in Deutschland verhältnismäßig ruhig geworden. Richtig heiße Kontroversen zwischen den Parteien gibt es wenig. Vorbei sind die Zeiten, in denen über die doppelte Staatsbürgerschaft gestritten und darüber gerungen wurde, besetzte Häuser zu räumen. Vielmehr mag jede Partei und jeder Politiker „politically correct“ sein. Die Schwarzen Sheriffs sind arbeitslos geworden.

Doch bleibt zum Beispiel die Integration von Ausländern eine große Herausforderung und bietet die Möglichkeit zur Profilbildung. Friedrich Merz hatte seinerzeit den Begriff der Leitkultur geprägt – das könnte die CDU als ihren für jeden Bürger sichtbaren Kompass nehmen.

Außenpolitisch muss erkennbar sein, wem Deutschland besonders nahe steht. Die NSA-Affäre hat zweifelsohne Vertrauen verspielt. Doch sind die Vereinigten Staaten von Amerika einer unserer wichtigsten Verbündeten. Wir teilen sehr viele Weltanschauungen mit den Amerikanern und verdanken ihnen viel. Es sind Werte wie das in den Vereinigten Staaten gelebte Verständnis von Freiheit und ein gesunder Patriotismus, die die Herzen der CDU-Mitglieder höher schlagen lassen und das Flair auf CDU-Parteitagen versprühen.

Um auch in den nächsten 70 Jahren weiter so erfolgreich sein zu können, wird sich die CDU um ein wieder klar erkennbares politisches Profil bemühen müssen.

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