Mulmig wird es Lutz Goebel, wenn der Familienunternehmer an die Steuerpläne der SPD und der Grünen denkt. "Vielen ist noch nicht klar, was mit Rot-Grün auf uns zurollt", sagt der Krefelder. Für sich und seine Henkelhausen-Unternehmensgruppe hat er schon einmal durchrechnen lassen, was es denn kosten würde, würde die SPD die Bundestagswahl im Herbst gewinnen und Peer Steinbrück mit seinen Steuerplänen ernst machen.
Allein die Wiedereinführung der Vermögensteuer würde Goebel jedes Jahr 420 000 Euro kosten, errechnete sein Wirtschaftsprüfer – das wären 20 Prozent des Jahresüberschusses. Da sein Vermögen nicht auf der Bank liege, sondern in den Firmen stecke, könne er die neue Abgabe nur durch höhere Entnahmen aus dem Unternehmen aufbringen, erklärt Goebel. "Geld, das dann für Investitionen, internationale Expansion und neue Arbeitsplätze fehlt", ärgert sich der Inhaber, der sich auch in seiner Eigenschaft als Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer für die SPD-Steuerpläne interessiert. Der Zusammenschluss besteht aus 5000 Mitgliedern mit rund zwei Millionen Mitarbeitern und 400 Milliarden Euro Umsatz.
Auf Kosten der Hidden Champions
Sozialdemokratische Beschwichtigungsversuche, hohe Freibeträge würden betriebliche Härten vermeiden, sind für Goebel ein "gefährlicher Ablenkungsversuch". Denn die größeren Familienunternehmen, "all die Hidden Champions, die Deutschlands wahrer Trumpf im internationalen Wettbewerb sind", hätten so gut wie nichts davon und würden massiv geschädigt.
Die exemplarischen Auswirkungen einer Vermögenssteuer
Ein Handwerker, Alleingesellschafter der Bäcker GmbH, erwirtschaftet einen jährlichen Gewinn von 50 000 Euro. Nach dem Ertragswertverfahren (Kapitalisierungsfaktor 14,4) taxiert das Finanzamt den Wert des Betriebes auf 720 000 Euro.
Die Bäcker GmbH wird nach dem Halbvermögensverfahren zu je 50 Prozent dem Privat- und Betriebsvermögen zugeschlagen – also jeweils 360 000 Euro. Die DIW-Studie im Auftrag von SPD-Ländern geht für das Privatvermögen von einem Freibetrag von zwei Millionen Euro aus. Für die dem Privatvermögen zugeschlagene Hälfte seines Betriebes müsste der Bäcker also keine Vermögensteuer zahlen.
Für die dem Unternehmensvermögen zugeschlagene Hälfte seines Betriebes muss der Bäcker nach Überschreiten der Freigrenze von 200 000 Euro (diese erreichen bereits kleine GmbHs mit einem Jahresgewinn von rund 28 000 Euro) voll Vermögensteuer zahlen. Für den Bäckermeister sind das jedes Jahr zusätzlich 3600 Euro Steuern.
Alles nur Panikmache? Durchaus nicht. Für viele Tausend Familienunternehmen dürfte es eher noch schlimmer kommen. Denn die meisten firmieren – anders als Goebels Unternehmen – als Personengesellschaft. Damit unterliegen sie der Einkommensteuer. Und hier wollen SPD und Grüne den Spitzensteuersatz kräftig erhöhen.
SPD gefährdet die Dynamik
Bei einer mittelständischen Personengesellschaft mit 200 Arbeitnehmern, 40 Millionen Euro Umsatz und zwei Millionen Euro Gewinn würde die Steuerlast von aktuell 47,5 Prozent auf mehr als 60 Prozent des Gewinns steigen, rechnet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor. Bei einem großen Personenunternehmen mit 14 000 Beschäftigten, 1,5 Milliarden Euro Unternehmenswert und 100 Millionen Euro Gewinn – in dieser Klasse befinden sich zahlreiche deutsche Weltmarktführer – würde die Steuerlast sogar von 47,5 auf mehr als 66 Prozent steigen. "Mit ihren Steuerplänen gefährdet die SPD die positive Dynamik", warnt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben, "und setzt aufs Spiel, dass wir endlich wieder eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, eine historisch hohe Beschäftigung und einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt haben."
Steinbrück testet die Leidensfähigkeit Deutschlands
Tatsächlich scheint die SPD unter Führung ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück fest entschlossen, die Leistungs- und Leidensfähigkeit der deutschen Wirtschaft von Neuem testen zu wollen – 40 Jahre nachdem der damalige Finanzminister, spätere Bundeskanzler und heutige Steinbrück-Mentor Helmut Schmidt den Weg in den Schuldenstaat eingeschlagen hatte. Nach mehreren Weltwirtschaftskrisen, einer kurz nach der Jahrtausendwende auf fünf Millionen zusteuernden Arbeitslosenzahl und einer chronisch wettbewerbsschwachen Wirtschaft hat erst die ebenso beherzte wie schmerzhafte Agenda 2010 unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder für neuen Schwung gesorgt.
Steinbrück spricht offen von einer "Richtungsfrage, vor der Deutschland steht". Zwar räumt er ein, dass "wir in einem guten, in einem starken Land leben". Doch er will "lieber einen vorsorgenden Sozialstaat (...) so wie das Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen zum Gegenstand ihrer Politik gemacht hat", sagte Steinbrück auf dem Sonderparteitag in Hannover, auf dem ihn die Sozialdemokraten zum Kanzlerkandidaten kürten.
NRW erinnert an Frankreich
Ausgerechnet NRW dient als sozialdemokratisches Vorbild?
Das rot-grün regierte Bundesland steckt in einer schweren Krise. Ministerpräsidentin Kraft machte in den ersten elf Monaten des vorigen Jahres 4,5 Milliarden Euro neue Schulden – obwohl die Steuereinnahmen im gleichen Zeitraum gegenüber dem Vorjahr um gut fünf Prozent auf 37,6 Milliarden Euro stiegen.
Wie das deutsche Steuersystem aufgebaut ist
Im vergangenen Jahr hat die Bundesrepublik insgesamt 573,4 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. 2010 waren es noch 8,1 Prozent beziehungsweise 42,8 Milliarden Euro weniger. Grund dafür ist die Konjunkturerholung im letzten Jahr: Je besser es der Wirtschaft geht, desto mehr landet in der Staatskasse. Nach der Steuerverteilung blieben dem Bund 248 Milliarden Euro Steuereinnahmen, den Ländern 224,3 Milliarden Euro und den Gemeinden 76,6 Milliarden Euro. An die Europäische Union wurden von den Steuereinnahmen 24,5 Milliarden Euro abgeführt.
Der Bund verdiente im Jahr 2011 am meisten mit der Energiesteuer: 40 Milliarden Euro spülte diese in den Bundeshaushalt. Die Bundesländer bestritten den größten Teil ihrer Einnahmen mit der Grunderwerbssteuer in Höhe von 6,4 Milliarden. Die Gemeinden verdienten am meisten mit der Gewerbesteuer. Diese hatte 2011 einen Anteil 40,4 Milliarden Euro ausgemacht.
Den größten Teil der gesamten Steuereinnahmen Deutschlands 2011 machten die sogenannten Gemeinschaftsteuern in Höhe von 403,6 Milliarden Euro aus. Zu diesen Gemeinschaftsteuern trugen die Umsatzsteuer (einschließlich Einfuhrumsatzsteuer) mit 190 Milliarden Euro und die Lohnsteuer mit 139,7 Milliarden Euro den größten Teil bei.
Die Abgabenquote ist der Anteil der Steuern und Sozialabgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Prozent. Im vergangenen Jahr beispielsweise machten Steuern und Sozialausgaben 38,2 Prozent des BIPs aus, die Abgabenquote betrug also 38,2 Prozent (Quelle: Bundesministerium der Finanzen, BMF)
Entscheidend ist allerdings die Berechnung der Quote: Zwischen den einzelnen Ergebnissen für die Abgabenquote Deutschlands liegen, je nachdem, ob sie vom BMF, dem Bundesamt für Statistik oder der OECD kommen, bis zu zweit Prozent Unterschied.
Fast überall auf der Welt gibt es direkte und indirekte Steuern. Direkte Steuern zahlt der sogenannte Steuerschuldner direkt an die jeweilige Institution, der er die Steuern schuldet. Zu den direkten Steuern gehören beispielsweise die Einkommenssteuer, die Abgeltungssteuer und die Kfz-Steuer.
Die indirekten Steuern zahlt nicht der, der sie schuldet, sie werden statt dessen übertragen. Zu den indirekten Steuern gehören beispielsweise die Tabaksteuer, die Branntwein- oder die Biersteuer. Statt des Unternehmens, das das Bier produziert, zahlt derjenige die Steuer, der das Bier kauft. Die indirekte Steuer wird also auf den Preis des Produktes aufgeschlagen und somit auf den Kunden abgewälzt.
Die Einkommensteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen eines Staates - und zwar weltweit. Nur die Höhe der Steuern, die natürliche Personen auf ihr Einkommen zahlen müssen, ist von Land zu verschieden.
Die Abgeltungssteuer ist relativ neu und wird auf Kapitalerträge - also Einkünfte aus Zinsen und Dividenden - erhoben. Sie gilt deshalb als eine Form der Einkommenssteuer. Seit dem Jahr 2009 müssen Kapitalerträge immer mit 25 Prozent besteuert werden. Allerdings gibt es eine Freigrenze, den sogenannten Sparer-Pauschbetrag. Dieser liegt bei Alleinstehenden bei 801 Euro und bei Ehepaaren bei 1602 Euro. Das heißt, dass ein Ehepaar, das mehr als 1602 Euro an Kapitalvermögen hat, für den darüber hinausgehenden Betrag 25 Prozent Steuern zahlen muss. Singles, die beispielsweise 1000 Euro an Zinsen und Dividenden im Monat bekommen, versteuern also 199 Euro zu 25 Prozent.
Trotz Gehaltserhöhung bleibt am Ende weniger vom Lohn übrig? Das geht ganz ohne Geld verprassen: Die kalte Progression kann dafür sorgen, dass der Reallohn sinkt. Wenn die Gehaltserhöhung bloß zum Inflationsausgleich führt - wer bei einer Inflationsrate von zwei Prozent also nur zwei Prozent mehr Lohn bekommt - und der Einkommenssteuersatz nicht angepasst wird, sinkt das Realeinkommen.
Die Lage in NRW erinnert an Frankreich. Dort regiert seit Mai 2012 die sozialistische Partei. Damals pilgerte die SPD-Troika aus Parteiführer Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Vielredner Peer Steinbrück beschwingt nach Paris, um ein wenig Glanz vom strahlenden Sieger bei der Präsidentenwahl, François Hollande, zu erhaschen. Auch Frankreich steckt in einer dramatischen Wirtschafts- und Haushaltskrise. Zwar schaffte es der französische Präsident, gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgebern eine Lockerung des arg verkrusteten Arbeitsmarktes auf den Weg zu bringen. Doch bis die wirkt, sollen massive Steuererhöhungen die Staatskasse füllen – das treibt wohlhabende Bürger und Unternehmer aus dem Land. Es ist paradox: Während sich Frankreichs Linke Schröders Agenda 2010 zum Vorbild nehmen, wenden sich die Genossen in Deutschland weiter davon ab.
Weg vom Normalverdiener
In der Steuerpolitik bekämpft die klamme nordrhein-westfälische Kraft-Regierung alles, was den Fiskus irgendwie Geld kosten könnte. Auf ihr Drängen hin verhinderten die SPD-geführten Bundesländer im Bundesrat Gesetzesvorhaben für mehr Steuergerechtigkeit (Abbau der kalten Progression), für Steuervereinfachung (Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Betriebsunterlagen) oder für ökologische Steueranreize (energetische Gebäudesanierung). "Die SPD entfernt sich damit immer mehr von einer vernünftigen Steuerpolitik und den Interessen des Normalverdieners", sagt Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU).
Mit dem Rückenwind der niedersächsischen Landtagswahl will die SPD nun erst recht ihre Umverteilungspläne durchsetzen. Man werde das Thema Steuergerechtigkeit "weiter nach vorne schieben", bekräftigt Generalsekretärin Andrea Nahles. Steinbrück, der bislang eher als sozialdemokratischer Rechtsausleger galt und Wähler aus dem bürgerlichen Lager ansprechen sollte, beschränkt seine Beinfreiheit selbst, um dem linken Lager seiner Partei zu gefallen.
Nicht nur fünf Prozent sind betroffen
Der Linksdrall passt ins Wahlkalkül: Mit ihrem Steuererhöhungsmantra gelingt es den Sozialdemokraten offenbar, der Linkspartei Wähler zu entreißen, wie das Wahlergebnis von Niedersachsen zeigt.
Historische Vorbilder für Zwangsanleihen in Deutschland
Als Wehrbeitrag führte das Reich 1913 eine einmalige Abgabe auf höhere Vermögen und Einkommen ein. Die Abgabenbelastung wurde über einen dreijährigen Zeitraum verteilt erhoben. Das gesamte Aufkommen machte etwa 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 1913 aus und wurde zur Finanzierung der hohen Rüstungsausgaben verwendet.
Im Jahr 1919 wurde das Reichsnotopfer im Rahmen der Erzbergerschen Finanzreformen als allgemeine außerordentliche Vermögensabgabe eingeführt. Das Nettovermögen der Steuerpflichtigen wurde breit erfasst und nach Abzug eines Freibetrages von 5000 Mark (für Verheiratete 10.000 Mark) progressiv besteuert. Die Steuersätze begannen bei zehn Prozent und stiegen stufenweise bis auf 65 Prozent für abgabepflichtige Vermögen über sieben Millionen Mark.
Die Vermögensabgabe scheiterte in den Folgejahren weitgehend. Die Finanzverwaltung war kaum in der Lage, die Vermögen umfassend zu ermitteln, die hohen Abgabesätze lösten politische Empörung sowie starken Steuerwiderstand und Steuerflucht aus.
Ab 1923 wurde das Reichsnotopfer durch die allgemeine Vermögensteuer ersetzt, die dann in Deutschland bis 1996 erhoben wurde. Parallel zur Einführung der Vermögensteuer erhob das Reich 1922/23 eine Zwangsanleihe. Zeichnungspflichtig waren alle am 1. Januar 1923 vermögensteuerpflichtigen Personen mit einem Vermögen über 100.000 Mark.
Im Zuge der Hyperinflation im Jahre 1923 wurde die Zwangsanleihe zu einer Vermögensabgabe, soweit sie angesichts der sich stark beschleunigenden Inflation nennenswerte Belastungswirkungen auslöste.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ab 1949 eine Vermögensabgabe auf den Vermögensbestand von 1948 erhoben, die1952 im Rahmen des Lastenausgleichs abschließend geregelt wurde. Die Bemessungsgrundlage orientierte sich grundsätzlich an der Vermögensteuer, juristische Personen waren gesondert steuerpflichtig. Abgabepflichtig waren vor allem Grund- und Betriebsvermögen entsprechend den steuerlichen Einheitswerten.
Das Investitionshilfegesetz von 1952 sah eine Zwangsanleihe bei der gewerblichen Wirtschaft zugunsten von Investitionen in einzelnen Grundstoffindustrien vor. Hintergrund waren Finanzierungsprobleme der Grundstoffindustrien, die noch Bewirtschaftungsvorschriften und Preisregulierungen unterlagen. Bei den aufbringungspflichtigen Unternehmen wurde auf Grundlage der Gewinne und Umsätze 1950/51 ein Betrag von einer Milliarde DM (1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 1952) erhoben.
Als Gegenleistung erhielten die leistenden Unternehmen Aktien oder Schuldverschreibungen der begünstigten Unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht akzeptierte diese Zwangsanleihe später als vereinbar mit den Kompetenzen des Bundes zur Wirtschaftsregulierung und sah darin auch keinen Verstoß gegen die Grundrechte.
Im Herbst 1982 führte die neugebildete schwarz-gelbe Bundesregierung eine Investitionshilfeabgabe zur Förderung des Wohnungsbaus ein, die später unverzinslich zurückgezahlt werden sollte. Die Abgabe betrug fünf Prozent der festzusetzenden Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld der Jahre 1983, 1984 und 1985, wobei sie auf die Einkommensteuer nur erhoben wurde, soweit die Steuerschuld 15.000 DM (30.000 DM bei Verheiratenden) überstieg.
Bei Gewinneinkünften ermäßigte sich der Abgabesatz um 20 Prozent der inländischen Investitionen des Abgabepflichtigen. Die Abgabe sollte in den Jahren 1990 bis 1993 zurückgezahlt werden. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Abgabe 1984 für verfassungswidrig.
Pardon dürfen Mittelständler, Führungskräfte und Personengesellschaften folglich nicht erwarten. Umgekehrt rechnet die SPD nicht mit großem Widerstand. Schließlich seien ja nur "weniger als fünf Prozent der Steuerpflichtigen betroffen", heißt es in einem Beschluss des Parteivorstandes. Doch das ist ein Irrtum.
Grundsteuer trifft Mieter
Beispiel Vermögensteuer: Ihre Forderung nach Wiedereinführung dieser Substanzsteuer begründen Sozialdemokraten wie Grüne gerne damit, in Deutschland werde Vermögen international betrachtet zu niedrig besteuert. Tatsächlich erheben die meisten Industriestaaten aber keine Vermögensteuer; zu den wenigen Ausnahmen zählen Frankreich, Norwegen und die Schweiz. Dass es dennoch in vielen Ländern eine höhere Vermögensbelastung gibt, hängt mit einer stärkeren Besteuerung von Immobilien zusammen. Eine Anhebung der – in Deutschland vergleichsweise sehr niedrigen – Grundsteuer würde aber jeden Mieter treffen, weil Vermieter diese Steuer umlegen dürfen. Wollen das die Sozialdemokraten?
Natürlich nicht, und deshalb basteln sie an einer Wiedereinführung der vor 16 Jahren eingemotteten Vermögensteuer. Diese hatte damals das Verfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärt, weil Immobilien und andere Vermögenswerte nicht gleichmäßig erfasst und bewertet wurden.
Rechnen mit dem Manager-Magazin
Auch in einem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), Mitte 2012 im Auftrag von vier SPD-geführten Landesfinanzministerien erstellt, fehlen verlässliche Daten. Weil das Sozio- oekonomische Panel nicht genug hergab, griffen sich die DIW-Experten einfach die Reichen-Liste des "Manager-Magazins" aus dem Jahr 2007 und machten diese mit zur Grundlage ihrer Berechnungen. Die Journalisten aber können gar nicht genau wissen, für wie reich sich die angeblich 300 reichsten Deutschen in ihren Steuererklärungen selbst deklarieren; in den Medien wird – natürlich nach bestem Wissen und Gewissen – über den Daumen gepeilt, vor allem was den Wert von nicht börsennotierten Unternehmen betrifft. Trotzdem will die SPD mit dem Pi-mal-Daumen-Konzept rund elf Milliarden Euro Vermögensteuer im Jahr kassieren.
Einen Gesetzentwurf haben die SPD-regierten Länder trotz Ankündigungen bislang allerdings nicht in den Bundesrat eingebracht. Umstritten sind selbst unter Genossen die Höhe von Freibeträgen und betrieblichen Verschonungsregeln, worauf vor allem das grün-rot regierte Baden-Württemberg Wert legt. Selbst ein Freibetrag von zwei Millionen Euro würde viele Handwerker oder Freiberufler treffen und deren Altersvorsorge gefährden, kritisiert Matthias Lefarth vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Denn noch immer ist die Anschaffung von ein paar Mietwohnungen die beliebteste Altersvorsorge für Selbstständige, die nicht in die staatliche Rentenversicherung einzahlen.
Vermögensteuer behindert Wohnungsbau
Die Einführung der Vermögensteuer kollidiert auch mit einem anderen Wahlversprechen – der Schaffung von mehr Wohnraum. Wenn die ohnehin schmalen Renditen von Wohnimmobilien von zwei bis vier Prozent durch weitere Belastungen gedrückt würden, warnt der Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses, Andreas Mattner, "werden schlicht keine Wohnungen mehr gebaut". Kommt es aber so, verschärft sich die Wohnungsnot weiter. Gänzlich unerwähnt lassen die Genossen, dass die Abschaffung der Vermögensteuer seinerzeit mit einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer kompensiert worden ist, damit die Länderkassen nicht leiden. Den damaligen Zuschlag will Steinbrück natürlich nicht wieder rückgängig machen.
So ganz ehrlich rechnen die Genossen auch bei der Einkommensteuer nicht. Ihre Forderung, den Spitzensatz von derzeit 42 auf 49 Prozent zu erhöhen, klingt noch erträglich, weil wenigstens die 50-Prozent-Marke nicht überschritten würde.
Insgesamt 53,7 Prozent Steuern
Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich: Schon heute ist die tatsächliche Belastung in der Spitze höher. Inklusive Solidaritätszuschlag, Reichensteuer und der von vielen noch gezahlten Kirchensteuer werden bis zu 49,5 Prozent fällig, errechnet Frank Hechtner, Steuerprofessor an der Freien Universität Berlin. Nach den Plänen der SPD und auch der Grünen würden Einkommen bis zu 53,7 Prozent wegbesteuert.
Derart hohe Steuern "können den Fiskalpatriotismus wieder überstrapazieren", warnt der Steuerabteilungsleiter im Bundesfinanzministerium, Michael Sell, und fügt hinzu: "Ich persönlich bin für einen politischen Halbteilungsgrundsatz, dass der Staat den Steuerbürgern in Zeiten sehr guter Steuereinnahmen nicht mehr als 50 Prozent seines Erwerbseinkommens wegnehmen sollte." Genau dies findet sich wieder im Forderungskatalog der FDP.
Die politische Schlacht hat gerade erst begonnen. Steinbrück und seine Genossen mobilisieren mit ihren Umverteilungsplänen nicht nur die eigenen Truppen, sondern auch den politischen Gegner. "Die Säle sind wieder proppenvoll wie in besten Zeiten", freut sich der rheinland-pfälzische FDP-Chef Volker Wissing. Vergessen sind die nicht erfüllten Wahlversprechen von 2009. Die Angst vor den rot-grünen Steuerplänen könnte nun der FDP Flügel verleihen – und sie ganz ohne Leihstimmen über die Fünf-Prozent-Hürde heben.