München "Einzeltäter sind im Vorfeld kaum zu identifizieren"

Nach der Schießerei in München war lange unklar, ob es sich um einen Anschlag oder einen Amoklauf handelte. Die Polizei geht von Letzterem aus. Sicherheitsexperte Florian Peil erklärt das Vorgehen der Behörden.

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Polizisten mit Sturmhauben stehen am 22.07.2016 in München am Eingang zur U-Bahn am Hauptbahnhof und sichern nach einer Schießerei das Gelände. Quelle: dpa

Herr Peil, bereits während des Angriffs in München kamen Spekulationen über ein IS-Attentat auf. Die Polizei schließt einen solchen Zusammenhang mittlerweile aus. Was wissen wir bisher?
Florian Peil: Die Terrorkampagne des IS in den vergangenen Wochen und insbesondere die vor wenigen Tagen erfolgten Anschläge in Würzburg und Nizza haben dazu geführt, dass die Öffentlichkeit bei neuen Lagen erst einmal von einem jihadistischen Anschlag ausgeht. Aufgrund dieser Vorgeschichte ordnen wir das als IS-Attentat ein. Im Falle von München gibt es nun Hinweise, die für eine Amoktat sprechen.

Der mutmaßliche Täter hat sich nach aktuellen Erkenntnissen umgebracht. Schließt das nicht ohnehin eine islamistische Motivation aus?
Ein Selbstmord weist eindeutig in eine andere Richtung, ja. In der islamistischen Ideologie bedeutet der Tod im Jihad den Eintritt ins Paradies. Selbstmord hingegen ist der direkte Weg ins Höllenfeuer. Insofern sind Zweifel an einem islamistischen Hintergrund unbedingt angebracht.

Zur Person

Im Internet kursiert ein Video, auf dem laut Polizei höchstwahrscheinlich der Täter zu sehen ist. Der mutmaßliche Täter ruft unter anderem „ich bin Deutscher“, sagt, er wäre in einer „Hartz-IV-Gegend“ aufgewachsen, hier geboren und in „Behandlung“ gewesen. Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?
Das Video weist in meiner Wahrnehmung lediglich auf eine gewisse psychische Instabilität des mutmaßlichen Täters hin. Zu weiteren Deutungen sollte man sich in Anbetracht der dünnen Erkenntnislage aber nicht hinreißen lassen. Fest steht: Menschen, die keine militärische oder vergleichbare Ausbildung haben, stehen bei so einer Tat unter wahnsinnigem Stress. Da ist jede Reaktion möglich. Auch der Tatverlauf zeigt, dass der Täter keine entsprechenden Vorkenntnisse hatte.

Inwiefern?
Die Fußstellung beim Schießen deutet darauf hin, dass er keine militärische Ausbildung hat. Zudem scheint die Stressresistenz des Täters sehr gering zu sein, was sich in seinem wirren Verhalten auf dem Parkdeck zeigt. Außerdem nutzte er kein Sturmgewehr, sondern nur eine Pistole. Vermutlich, kam er mangels Beziehungen an keine andere Waffen heran. All das macht die Tat zu der eines Amateurs.

Die Täter von Orlando, Nizza und Würzburg galten ebenfalls als psychisch labil. Lässt das Rückschlüsse zu?
Man kann in diesem Zusammenhang von einem Effekt der Inspiration sprechen. Die Idee ist auf einmal in der Welt und findet schnell Nachahmer: Menschen mit einem ähnlichen psychischen Profil, die sich durch die Taten anderer motiviert fühlen, ihre eigene Idee endlich in die Tat umzusetzen – ob mit oder ohne jihadistisches Motiv.

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