Nach der Silvesternacht in Köln Der Druck auf NRW-Innenminister steigt

Ralf Jäger kritisiert nach den sexuellen Übergriffen die Kölner Polizei scharf und weist die Schuld von sich. Doch nun legt CDU-Generalsekretär Tauber dem SPD-Politiker den Rücktritt nahe.

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Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) bleibt unter Druck. Quelle: dpa

Berlin Wer derzeit den NRW-Innenminister betrachtet, könnte die Redewendung „Wenn der Jäger zum Gejagten wird“ in den Sinn kommen – nicht nur wegen seines Nachnamens. Denn die Kritik an dem SPD-Politiker will nicht abreißen, zu schwer wiegen die Vorwürfe.

Am Montag hatte Ralf Jäger alle Schuld von sich und seinem Ministerium gewiesen. Die Verantwortung für die Exzesse von Köln, bei denen hunderte Frauen sexuell bedrängt und bestohlen worden waren, liege bei den Einsatzkräften in Köln: „Das Bild, das die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist nicht akzeptabel“, sagte Jäger am Montag in einer Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses in Düsseldorf. In seinem vorgelegten Bericht spricht Jäger von „Mängeln in der behördeninternen Kommunikation“ und „unzureichendem Informationsaustausch“ zwischen den beteiligten Polizeibehörden. Seine Abrechnung ist schonungslos – allerdings nicht mit sich selbst. Die Opposition kritisiert heftig. Von Bundesebene kommt jetzt eine Rücktrittsforderung. Jäger bleibt ein Gejagter.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber legt Jäger in der Dienstagsausgabe der „Rheinischen Post“ den Rücktritt nahe: „So wie er sich nun im Innenausschuss des Landtags gewunden hat, sollte er sich kritisch hinterfragen, ob er noch der richtige Mann für die innere Sicherheit im bevölkerungsreichsten Bundesland ist.“ Als Oppositionspolitiker habe Jäger alle paar Wochen diesem oder jenem Minister die Eignung abgesprochen und den Rücktritt gefordert: „Da kann man erwarten, dass er die gleichen Maßstäbe auch an sich selbst anlegt“.

Von Rücktritt indes will Jäger nichts wissen. Es ginge nicht um sein Amt, sondern darum das Vertrauen wieder herzustellen, stellt der NRW-Innenminister am Montagabend im „heute-Journal“ klar. Und auch sonst bleibt er seiner Linie treu, das Problem habe an einer falschen Lageeinschätzung gelegen – die Einsatzkräfte vor Ort nahm Jäger allerdings aus der Kritik heraus: „Das lag nicht an den Beamten, die vor Ort waren.“

Auch an anderer Stelle im Fernsehen war der NRW-Innenminister Thema. Beim ARD-Talk „Hart aber fair“ war Jägers Dienstherrin zu Gast, um über die Vorfälle von Köln zu sprechen. Wie zu erwarten war, stellte sich Hannelore Kraft hinter ihren Innenminister – und die Kritik an der Kölner Polizeiführung. Als die Nacht anders verlaufen sei als erwartet, habe die Polizei keine Einsatzkräfte nachgefordert. „Und da lag das Problem.“

Doch die Opposition will das nicht gelten lassen. Schon am Montag nach in der Befragung im Düsseldorfer Landtag: Er schöbe den schwarzen Peter hin und her, obwohl die Verantwortung bei ihm läge, hieß es beispielsweise von Seiten der FDP. Jäger sei „verantwortlich für die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen“, meinte auch der CDU-Landtagsabgeordnete Gregor Golland.

Auch Armin Laschet, CDU-Fraktionschef im nordrheinwestfälischen Landtag, machte seine Position gegenüber dem Deutschlandfunk deutlich: Jäger habe ein inakzeptables Bild abgegeben. Als oberster Dienstherr der Polizei müsse er diese so organisieren, dass es nicht zu solchen Missständen komme. Ein Innenminister aber, der sage, für das, was bei der Polizei vor Ort schieflaufe, sei er nicht verantwortlich, „der ist in der Tat eine Gefahr für die innere Sicherheit“.


Jäger will im Amt bleiben

Auch in den Kommentarspalten bleibt die Kritik an Ralf Jäger bestehen. Der Kommentar der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erkennt zwar die Fehler an, die in der Silvesternacht in Köln gemacht wurden. Lässt es allerdings nicht gelten, dass dies allein die Schuld der dortigen Polizei sei. In NRW bestünde ein Sicherheitsproblem: „Das eine ist das Ergebnis einer Leisetreterei gegenüber Ausländern, die seit Jahrzehnten politisch und medial kultiviert wird, das andere die zügellose Reaktion darauf in einem Milieu, das staatliche Autorität ohnehin nicht anerkennt“, so der Kommentar.

Auch die „WAZ“ findet deutliche Worte: Nachdem Jäger und Kraft tagelang abgetaucht wären, sollten nun die Polizeibeamten vor Ort zu den Alleinschuldigen gestempelt werden: „Ein Wort der Entschuldigung gegenüber den gedemütigten Frauen aus der Silvesternacht? Fehlanzeige. Demut? Keine Spur.“
Und für den „Kölner Stadtanzeiger“ steht fest, dass Jäger schon lange nicht mehr zum Aufklärer tauge: „Er ist Mitverursacher jener Verunsicherung, die er jetzt beklagt.“
Ausgestanden ist die Sache für Jäger längst nicht: Die Aufarbeitung im Innenausschuss gilt aber nur als erster Akt. CDU und FDP prüfen, ob sie einen Untersuchungsausschuss beantragen.

Die Exzesse von Köln sind nicht die einzige Baustelle des Innenministers: Der in Nordrhein-Westfalen untergetauchte und später in Paris erschossene mutmaßlichen Islamisten hatte in mehreren europäischen sieben Identitäten vorgespielt. Trotz mehrfacher Vorbestrafungen hatte der Mann in Recklinghausen eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Die CDU sieht in dem Fall ein weiteres Versäumnis des NRW Innenministers

Jäger will im Amt bleiben. Nach der Sitzung im Düsseldorfer Landtag sagte er: „Ich fühle mich nicht gejagt.“ Die Frage ist, wie lange noch.

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