Nach Silvester in Köln Übergriffe schrecken Touristen ab

Die Übergriffe an Silvester halten viele Touristen aus Köln fern. Eine Sprecherin von Köln-Tourismus spricht von einem „Imageschaden“. Doch die Übergriffe sind nicht der einzige Grund für die Zurückhaltung der Besucher.

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Polizisten stehen in Köln vor dem Hauptbahnhof. Innenminister Jäger (SPD) ist am Montag als Zeuge in Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht geladen. Jäger steht wegen der teils chaotischen Einsatzplanung der Polizei und umstrittener Kommunikation nach den massenweisen Übergriffen am Hauptbahnhof in der Kritik. Quelle: dpa

Köln Nach den Übergriffen in der Silvesternacht sind deutlich weniger Touristen nach Köln gekommen. Selbst im Karnevalsmonat Februar sank die Zahl der Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,1 Prozent auf 425 422. Bei den ausländischen Gästen gab es sogar einen Rückgang um 8,9 Prozent. Im Januar ging die Gesamtzahl der Übernachtungen um 0,7 Prozent zurück.

„Köln hat durch Silvester einen Imageschaden erlitten, und das wird uns auch noch eine Weile begleiten“, sagte eine Sprecherin von Köln Tourismus. „Es gab keine größeren Stornierungen, aber eine Zurückhaltung bei spontanen Buchungen.“ Offenbar seien eine Reihe von Gästen nicht gekommen, die ursprünglich einen Köln-Besuch erwogen hatten. Für März sei keine steigende Tendenz zu erwarten, Zahlen lägen noch nicht vor.

„Die Silvester-Übergriffe waren aber nicht der alleinige Grund für den Rückgang“, betonte die Sprecherin. Die latente Terrorgefahr in Europa habe allgemein zu einer Verunsicherung im Städte-Tourismus geführt. So hätten sich die Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris bereits negativ auf die Dezember-Übernachtungszahlen ausgewirkt. Zudem fänden 2016 einige besucherstarke Veranstaltungen in Köln turnusmäßig nicht statt, etwa die Küchenmesse „Living Kitchen“ im Januar.

Währenddessen forscht der nordrhein-westfälische, wie es zu der Eskalation an Silvester kommen konnte. Im „Untersuchungsausschuss Silvesternacht“ muss Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) muss am Montag als Zeuge aussagen und Ungereimtheiten erklären. Der oberste Polizeichef des Bundeslandes soll Ungereimtheiten beim Polizeieinsatz in Köln, Kommunikationsdefizite sowie das Handeln der Landesregierung bei der Bewältigung und Aufarbeitung des Geschehens klären.

In der Silvesternacht waren Hunderte Frauen am Kölner Hauptbahnhof von Männergruppen drangsaliert, beraubt und belästigt worden - auch Vergewaltigungen wurden angezeigt. Ein großer Teil der Beschuldigten ist nach Erkenntnissen der Ermittler nordafrikanischer Herkunft. Die Polizei bekam von den massenhaften Übergriffen nach eigenem Bekunden kaum etwas mit. Die Ausschreitungen hatten im In- und Ausland für großes Aufsehen gesorgt.

Die bisherigen Zeugenaussagen von Mitarbeitern verschiedener Polizeibehörden und Stadtvertretern zeichneten ein Bild von Zuständigkeitswirrwarr und Kommunikationsdefiziten. Bislang lastete Jäger die Schuld für Versäumnisse der Kölner Polizeiführung an, er ließ den damaligen Polizeipräsidenten der Domstadt ablösen.

In seiner vergangenen Sitzung hatte der Ausschuss ergründen wollen, ob das Innenministerium versuchte, Einfluss auf interne Polizeimeldungen zu nehmen, um die Dimension der Vorfälle herunterzuspielen. Konkret geht es um die Aussage eines Kölner Kriminalkommissars, der von der Aufforderung der Landesleitstelle berichtet hatte, das Wort „Vergewaltigung“ aus einer internen Polizeimeldung zu streichen. Die Identität des Anrufers ist allerdings ungeklärt. Ein Spitzenbeamter des Innenministeriums bestreitet, dass es so einen Anruf gegeben habe – dies wird ein Knackpunkt der Befragungen sein.

Außerdem will das Gremium aufklären, wann Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihr Innenminister die Dimension der Ereignisse hätten erkennen müssen und ob sie angemessen reagierten. Die CDU droht damit, die Herausgabe ihrer Kommunikationsdaten zu erzwingen, um nachzuzeichnen, wann sie informiert wurden und wie sie handelten. SPD und Grüne im Landtag wollen einem Bericht des „Kölner Express“ zufolge zudem von der Justiz prüfen lassen, ob Unterlagen des U-Ausschusses Medien zugespielt worden sind.

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