Öffentlicher Dienst Verdi-Chef Bsirske lässt da streiken, wo es weh tut

Im Tarifstreit für die Beschäftigten von Bund und Kommunen wollen die Gewerkschaften am Dienstag auch vier Flughäfen lahmlegen.

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Verdi-Chef Frank Bsirske lässt da streiken, wo es weh tut Quelle: dpa

Berlin Warnstreiks im Öffentlichen Dienst sind oft kaum mehr als Nadelstiche. Eltern ärgern sich, wenn die Kita geschlossen bleibt, aber am nächsten Tag ist der Spuk meist schon vorbei. Im Keller quellen die Mülltonnen über, aber bei der nächsten Leerung werden sie dann doch abgeholt.

Richtig krachen lassen die Gewerkschaften es erst, wenn sie auch ihre Mitglieder an den Flughäfen aufrufen, die Arbeit zeitweise ruhen zu lassen. Ohne Gepäck- und Frachtkontrolle oder eine einsatzbereite Flughafenfeuerwehr hebt kein Flieger ab. Und wenn massive Flugausfälle drohen, schafft es der Streik auch bis in die Fernsehnachrichten.

Für diesen Dienstag ruft Verdi deshalb die Beschäftigten an den Flughäfen in Frankfurt, München, Köln und Bremen zum Ausstand aus. Wie schon in der letzten Tarifrunde für Bund und Kommunen vor zwei Jahren ist auch dieses Mal mit Verspätungen und Flugausfällen zu rechnen.

„Die Arbeitgeber haben bislang kein Angebot vorgelegt. Mit Warnstreiks und Aktionen erhöhen die Beschäftigten jetzt den Druck, damit die Arbeitgeber ihre Blockadehaltung endlich aufgeben“, begründete Verdi-Chef Frank Bsirske die Eskalation.

Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport warnt bereits, dass am Dienstag die Sicherheitskontrollstellen zum Abfluggate A und Z im Terminal 1 geschlossen bleiben und Abflüge von dort nicht möglich sein werden. Auch an den übrigen Kontrollstellen sei den ganzen Tag mit längeren Wartezeiten zu rechnen.

Die Gewerkschaften Verdi und dbb Beamtenbund und Tarifunion fordern für die rund 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen sechs Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro im Monat. Vor allem diese „soziale Komponente“ sorgt für Streit mit den Arbeitgebern. Zwei jeweils zweitägige Verhandlungsrunden blieben bisher ohne Ergebnis.

Am kommenden Sonntag und Montag soll nun in Potsdam weiterverhandelt werden. Deshalb erhöhen die Gewerkschaften im Vorfeld den Druck. So soll am Dienstag in Nordrhein-Westfalen auch der öffentliche Nahverkehr lahmgelegt werden. In Sachsen sollen Kinderbetreuungseinrichtungen bestreikt werden. Bis zum 13. April muss in allen Bundesländern mit Streiks gerechnet werden.

Besonders großen Druck können die Gewerkschaften aber mit ihren Mitgliedern bei den Bodenverkehrsdiensten an den Flughäfen entfalten. Dazu gehören etwa die Fluggast- und Gepäckabfertigung. Auch einzelne Flughafenfeuerwehren könnten bestreikt werden, kündigte Verdi an.

Zwar sind viele Dienstleistungen am Boden inzwischen privatisiert worden und gehören deshalb nicht mehr zum öffentlichen Dienst. In Frankfurt etwa gibt es aber laut der für die Flughäfen zuständigen Verdi-Tarifsekretärin Katharina Wesenick noch knapp 500 Beschäftigte bei den Passagierkontrollen, die dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes unterliegen. In München gilt das noch für alle Sicherheitskontrolleure.

Auch die Bezahlung der Mitarbeiter in der Gepäck- und Frachtkontrolle richtet sich an den ins Visier genommen Flughäfen noch nach dem Tarif des Staatsdienstes. Die Gewerkschaften können also mit relativ wenig Aufwand den Flugbetrieb stören.

Verdi bittet Flugpassagiere um Verständnis für eventuelle Verspätungen oder Ausfälle. „Wir sind diejenigen, die immer für Sie da sind, wenn Sie Ihre Geschäftsreise oder Ihren Urlaub antreten. Egal ob Weihnachten oder Ostern, ob 5:00 Uhr in der Früh oder 22.00 Uhr am Abend“, heißt es in einer Mitteilung der Gewerkschaft im Namen der Flughafenbeschäftigten.

„Doch gleichzeitig bleiben unsere Gehälter immer öfter durch Outsourcing und Lohndumping auf der Strecke.“ Wegen der eher geringen Verdienste bei den Bodendiensten sei die soziale Komponente für die Beschäftigten besonders wichtig, heißt es in der Mitteilung weiter.

Schon vor zwei Jahren waren in der Tarifauseinandersetzung von Bund und Kommunen durch Arbeitsniederlegungen an elf Flughäfen, darunter die Drehkreuze Frankfurt und München, an einem Tag mehr als 1.400 Flüge ausgefallen. Allein in Frankfurt mussten 33.000 Lufthansa-Passagiere umdisponieren.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hatte den Ausstand damals als „unverhältnismäßig“ kritisiert. Der Streik richte sich zwar formal gegen die Öffentliche Hand als Tarifverhandlungspartner. Er treffe aber im Wesentlichen die Fluggesellschaften, die die wirtschaftlichen Folgen zu tragen hätten. Damit werde massiv in den laufenden Betrieb am Arbeitskampf unbeteiligter Dritter eingegriffen.

Dass Verdi und Beamtenbund nun erneut die Flughafenkarte ziehen, dürfte Befürwortern eines speziellen Streikrechts für den Transportsektor wieder Auftrieb geben. In der Debatte um das Tarifeinheitsgesetz hatten vor allem Wirtschaftspolitiker der Union dafür geworben und zum Beispiel längerfristige Ankündigungsfristen für Ausstände im Bahn- oder Luftverkehr gefordert.

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