Rechtsextremer Abgeordneter Berliner AfD droht erste Zerreißprobe

Der frisch gewählte Berliner AfD-Abgeordnete Kay Nerstheimer ist in der rechtsextremen Szene kein Unbekannter. Das sorgt für große Unruhe in der Partei. Ein Bundesvorstandsmitglied bringt harte Konsequenzen ins Spiel.

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Der Berliner Neu-Parlamentarier Kay Nerstheimer soll über Jahre auf Facebook menschenverachtende Aussagen gepostet haben, darunter auch solche, die NS-Verbrechen verharmlosen oder die NS-Zeit verherrlichen. Quelle: dpa

Berlin Kay Nerstheimer ist einer der umstrittensten Abgeordneten der AfD. Der Berliner Landeschef der Partei, Georg Pazderski, bestätigte am Montag, dass Nerstheimer 2012 Mitglied der „German Defence League“ war. Die Gruppe gilt als rechtsextremistisch und islamfeindlich. Als die Organisation 2013 ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sei, habe Nerstheimer seine Aktivitäten für die Gruppe aber schon beendet gehabt. Der Fall sei für die AfD noch nicht abgeschlossen. Man werde das untersuchen und eine Lösung finden.

Einfach dürfte das nicht sein, denn Nerstheimer genießt zumindest in seinem Wahlkreis Lichtenberg 1 großen Rückhalt. Dort holte er mit 26 Prozent das Direktmandat. Fünf Jahre kann Nerstheimer nun Politik im Landesparlament machen – es sei denn, die Partei schafft es ihn auszuschließen.

Gründe dafür gäbe es zuhauf. So hat der Neu-Parlamentarier nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ über Jahre auf Facebook menschenverachtende Aussagen gepostet, darunter auch solche, die NS-Verbrechen verharmlosen oder die NS-Zeit verherrlichen. Auch in der Flüchtlingsdebatte ergriff der AfD-Mann des Öfteren das Wort. So bezeichnete er laut SZ-Recherchen Flüchtlinge aus Syrien als „einfach widerliches Gewürm“ (2015) und Schwarze als „Bimbos“ (2013). Asylbewerber nannte er „Parasiten, die sich von den Lebenssäften des deutschen Volkes ernähren“ (2016).

Das AfD-Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel reagierte empört und legte Nerstheimer den Parteiaustritt nahe. „Solche Äußerungen passen nicht in die AfD“, sagte Weidel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Sie schaden der Partei und schwächen uns gegenüber unseren Gegnern. Sollten wir derartiges Gedankengut in der Partei dulden, bekommen wir ein veritables Glaubwürdigkeitsproblem. Alles, was mit viel Mühe mehrheitlich ehrenamtlich aufgebaut wurde, reißen solche Leute innerhalb kürzester Zeit wieder ein“, sagte Weidel.

Der Bundesvorstand der Partei will sich laut seiner Tagesordnung nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf seiner nächsten Sitzung mit dem Fall Nerstheimer befassen.


Baldige Entscheidung erwartet

In Berlin wollten die künftigen Mitglieder der AfD-Fraktion unterdessen über den Fall Nerstheimer beraten. Der Landesvorsitzende Pazderski sagte der FAZ: „Wir sind gerade in Gesprächen und haben Vertraulichkeit vereinbart“. Eine Entscheidung wurde laut Parteikreisen zunächst für den Mittwochabend erwartet. Unklar war zunächst, ob sich die Fraktion mit Nerstheimer als Mitglied konstituieren würde – um dann über seinen Ausschluss zu debattieren. Oder ob sich die Fraktion von vornherein ohne Nerstheimer als Mitglied gründen würde.

In Parteikreisen hieß es, ranghohe Fraktionsmitglieder strebten im Ergebnis eine Fraktion ohne Nerstheimer an. Dieser verfüge auch nicht über ein Netzwerk von Unterstützern, wie es im Fall des nach antisemitischen Äußerungen in die Kritik geratenen Abgeordneten Wolfgang Gedeon in Baden-Württemberg der Fall gewesen sei.

Nach Informationen der FAZ hatte der Berliner Landesvorstand schon im Sommer 2015 ein Ausschlussverfahren gegen Nerstheimer vorbereitet. Über den Antrag wurde jedoch nicht abgestimmt. Der neue Landesvorstand um Beatrix von Storch und Georg Pazderski verfolgte den Ausschlussantrag nicht weiter.

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