Sondersendungen ARD & ZDF "Haben wir nicht genau genug hingesehen?"

Hat die Polizei komplett versagt? ARD und ZDF befassten sich in Sondersendungen mit Enthüllungen über die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht. Auch die heikle Täter-Frage wurde nicht ausgeklammert.

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Die ARD ließ einen WDR-Polizeireporter zur Wort kommen, der der Kölner Polizei „Komplettversagen“ vorwarf.

Köln/Mainz Es hat lange gedauert, bis die Ereignisse, die in der Silvesternacht Köln erschütterten, Medien-Thema wurde – vor allem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Auch nachdem der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen auf Facebook eine „klare Fehleinschätzung“ zugegeben hat, läuft die Diskussion weiter.

Schließlich wurde am Donnerstag bekannt, dass vieles, was am Dienstagabend geäußert wurde (als das ZDF und spätabends die ARD bereits kurze Sondersendungen brachten), wohl erheblich von der Wahrheit abwich.

Anlass für beide Anstalten, am Donnerstag weitere Sondersendungen ins Programm zu nehmen. Im ZDF moderierte Norbert Lehmann nach der „heute“-Sendung vor knallrotem Studio-Hintergrund die „spezial“-Sendung „Nach der Gewalt in Köln - Ist unsere Polizei überfordert?“.

Zunächst kontrastierte ein Filmbericht Aussagen des Kölner Polizeidirektors vom Dienstag mit in Schriftform eingeblendeten Auszügen aus neu bekannt gewordenen Einsatzberichten. Zumindest durch das Zitieren der in diversen Onlinemedien bereits erwähnten angeblichen Aussage eines Kölner Täters „Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln! Frau Merkel hat mich eingeladen“ ging das ZDF auf die heikle und kontrovers diskutierte Täter-Frage ein. Bebildert wurde das mit Youtube-Aufnahmen von der Kölner Domplatte.

Im ersten Interview wurde der für seine „harte Gangart“ bekannte Berliner Jugendrichter Andreas Müller zugeschaltet, der aus Talkshows bekannt ist. Seine Aussagen konnten zu den tagesaktuellen Fragen erwartungsgemäß wenig beitragen. Immerhin dürften längst nicht alle Zuschauer gewusst haben, dass derzeit nicht einmal ein überregionales Zentralregister für Ermittlungsverfahren gegen junge Menschen besteht.

Die Pressekonferenz-Ausschnitte mit Bundespolizeipräsidiums-Präsident Dieter Romann und Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der bekanntlich vor Kameras gerne auch wenig Neues äußert, waren bereits in der „heute“-Sendung davor zu sehen gewesen.

Im letzten Beitrag, bevor es mit „Apotheken-Umschau“-Werbung und der Krimiserie „Notruf Hafenkante“ weiterging, sprach der vom Köln-Bonner Flughafen zugeschaltete CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach von „über Stunden hinweg rechtsfreien Räumen in der Innenstadt von Köln“. Auch seine Aussagen deckten sich weithin mit dem, was viele Regierungspolitiker zurzeit fordern.

Fazit: Die aus wenig eigenem und wenig aktuellem Material improvisierte ZDF-Sendung war wohl als Signal zu verstehen, dass das ZDF Kritik ernst nehmen will. Neues zum Thema trugen sie nicht bei.


„Komplettversagen“ der Kölner Polizei


In der ARD hatte sich schon die „Tagesschau“ besser informiert gezeigt als die „heute“-Sendung. Der folgende „Brennpunkt“, vom WDR in Köln produziert, bestätigte den Eindruck. Markus Preiß moderierte vor eher gelbem Studiohintergrund und machte von Anfang an deutlich, dass „die Vorfälle von Köln eine Zäsur bedeuten könnten“.

Zusätzlich zum auch im ZDF zitierten Einsatzbericht hatte die ARD einen Polizisten aufgetan, der zwar mitteilte, dass er seit 29 Jahren im Dienst sei, sich aber nicht zu erkennen geben wollte. Eine nachgesprochene Stimme mit schattiger Silhouette berichtete von seinen Erfahrungen, dass beispielsweise „Fuck the police!“ gerufen worden sei.

Anschließend warf WDR-Polizeireporter Oliver Köhler der Kölner Polizei „Komplettversagen“ vor. Nachdem Moderator Preiß mitgeteilt hatte, dass weder NRW-Innenminister Ralf Jäger, noch Polizei-Spitzenvertreter zum Interview bereit gewesen seien, hatte er mit Ernst G. Walter einen Polizeigewerkschafter zu Gast.

Walter sagte, dass in Köln durchaus „wesentlich mehr Personal“ eingesetzt worden sei als im Vorjahr und es für eine normale Lage auch „dicke ausgereicht“ hätte. Schließlich gebe es in Nordrhein-Westfalen viele Brennpunkte, die Polizeipräsenz erfordern. Allerdings verschärfe der Einsatz von über 2.000 Bundespolizei-Beamten an der Südgrenze zur Bewältigung der Migrationslage die Personalsituation. Anstatt die Polizei zu kritisieren, sollten Politiker jedoch "danke sagen, dass nicht noch mehr passiert ist".

Walter sprach von "überwiegend jungen Männer aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum", darunter Flüchtlingen, die in Heimen im Raum Duisburg untergebracht seien. Ein Filmbericht thematisierte dann noch die drastische Zunahme von Taschendiebstählen. Begangen würden sie vor allem von „jungen Männern aus den Maghreb-Staaten“, die „demokratische Strukturen in Deutschland ausnutzen“ würden.

„Haben wir in den letzten Jahren nicht genau genug hingesehen, was in unseren Städten passiert?“, fragte Markus Preiß, bevor ein Bericht von der Reeperbahn in Hamburg deutlich machte, dass die Kölner Vorfälle kein Einzelfall gewesen sind.

Fazit: In 15 Minuten hat die ARD tatsächlich eine Menge untergebracht. Der Vorwurf, die Vorfälle in Köln zu verharmlosen, kann man dem Sender spätestens jetzt nicht mehr machen.

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