Sozialstaat Wie teuer ist das Bürgergeld?

Das Bürgergeld oder ein Grundeinkommen mit negativen Steuern gelten als Alternativen zu Hartz IV. Was sie kosten, ob und wie sie sich umsetzen lassen, analysiert eine neue Studie.

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Götz Werner, Gründer der Quelle: dpa/dpaweb

Der Staat stellt Menschen ohne eigenes Einkommen nahezu jenen finanziell gleich, die wenig verdienen, aber ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten. Ist das gerecht? Einige Ökonomen glauben, ein staatlich garantiertes Grundeinkommen – etwa in Form des von der FDP propagierten Bürgergelds – könne den Spagat zwischen sozialer Verantwortung und Arbeitsanreizen besser lösen als das etablierte Hartz-IV-System. Chancen haben diese Konzepte aber nur, wenn vorher klar ist, was sie kosten. „Ein Grundeinkommen wäre kaum teurer als Hartz IV“, sagt jetzt André Presse vom Institut für Entrepreneurship (IEP) an der Universität Karlsruhe. In seiner Dissertation*, die im April veröffentlicht wird, hat sich der Wirtschaftswissenschaftler mit alternativen Sozialstaatskonzepten beschäftigt; sein Doktorvater ist der IEP-Chef Götz Werner, gleichzeitig Besitzer der Drogeriekette dm und Professor für Unternehmensgründung. Werner wirbt für ein bedingungsloses Grundeinkommen, finanziert durch eine höhere Mehrwertsteuer.

Bis zu 20 Milliarden Euro Mehrkosten

Dieses Konzept hat Presse einem Praxistest unterzogen. Sein Ergebnis: Verglichen mit Hartz IV würden zehn bis 20 Milliarden Euro Mehrkosten auf den Staatshaushalt zukommen. Datenbasis ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre für die Bundesrepublik erhebt. Die letzen verfügbaren Zahlen beziehen sich auf 2003. Presse packt die deutsche Einkommensverteilung in eine Formel, die auf den englischen Ökonomen Ian Pen zurückgeht. Der hatte in den Siebzigerjahren eine als Pen’s Parade bezeichnete mathematische Kurve definiert. Diese entsteht, wenn sich die Bürger eines Landes der Größe nach aufstellen, wobei jeder Einzelne so groß wird wie sein Einkommen. Arme erscheinen als Zwerge, Reiche als Riesen.

Mithilfe dieses Ansatzes hat Presse berechnet, wie viel es kostet, die untersten Einkommen bis auf ein kulturelles Existenzminimum von monatlich 900 Euro aufzustocken. Anders als das FDP-Bürgergeld orientiert sich Presse nicht an der Einkommen-, sondern an der Umsatzsteuer, auf die er das gesamte deutsche Steuersystem schrittweise umstellen will. Dabei schießt der Mehrwertsteuersatz in die Höhe, doch das Preisniveau bleibt laut Presse konstant, wenn im Gegenzug in den Nettopreisen enthaltene direkte Steuern wegfallen. Das Finanzamt erstattet dann jedem Bürger die auf seine lebensnotwendigen Ausgaben anfallende Mehrwertsteuer. Was die Umsetzung erleichtert: Seit 2008 vergibt der Fiskus an jeden Deutschen eine lebenslang gültige Steuernummer. Die Beamten könnten daher die Ansprüche auf Grundeinkommen verwechslungsfrei prüfen und auszahlen.

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