Stephans Spitzen

Demographie taugt nicht für alarmistische Schlagzeilen

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Zahl der Erwerbstätigen geht nicht zurück

Vor allem aber geht die Zahl der Erwerbstätigen gar nicht zurück, sie liegt in Deutschland derzeit sogar auf Rekordniveau, worauf der Soziologe Hannes Weber hinweist („Demographie als Problem – und als Lösung“, in: FAZ, 10. Oktober 2016). Nicht nur die verstärkte Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren trägt dazu bei, sondern auch die Tatsache, dass weniger Kinder weniger Zeit und Ressourcen beanspruchen.

Auch in anderen Bereichen geht die Zahl der Erwerbstätigen nicht deshalb zurück, weil es nicht genug Nachwuchs gäbe, es sind technischer Fortschritt und Automatisierung, die unqualifizierte Arbeitskräfte freisetzen. Schon deshalb macht die Einwanderung unausgebildeter Menschen wenig Sinn.

Die Jungen wollen wieder aufs Land

Hannes Weber weist nebenbei darauf hin, dass ein Fachkräftemangel zunächst einmal die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer stärkt. Er sei im Übrigen selbstverschuldet, denn er liege auch daran, dass „der Staat die jungen Menschen am Markt vorbei ausbildet“, indem er sie an den Universitäten in Studiengänge lockt, für die es keine Stellen gibt. Kein geringer Faktor übrigens bei der „Verödung“ des ländlichen Raums, denn Studienplätze gibt es nur in den Städten, Arbeitsplätze aber, zumal in Deutschland, bei den „hidden champions“ in der Provinz.

Das Land verödet? Die Trendumkehr ist längst im Gange. Bei vielen Deutschen gewinnt die Provinz wieder an Attraktivität, während die Zuwanderer in den Städten die Nähe zu ihresgleichen suchen. Ein „Aleppo in Mecklenburg-Vorpommern“ ist nichts, mit dem man sie locken könnte.

Dass die deutsche Gesellschaft im Schnitt älter wird, ist in vieler Hinsicht eher eine gute Botschaft: die Lebenserwartung bei geistiger und seelischer Gesundheit nimmt stetig weiter zu. Und: eine ältere Gesellschaft ist friedlicher. Zum Kriegführen braucht es eine Vielzahl junger Männer, die nichts zu verlieren haben. Wer indes nur wenige Söhne hat, wird weder sie noch die Töchter auf dem Schlachtfeld opfern wollen. Ungünstig ist das nur im Vergleich mit anderen Gesellschaften, die jede Menge Kanonenfutter zur Verfügung haben. Ist das vielleicht wünschenswert?

Die Demographie taugt nicht zu schnellen Schlüssen und alarmierenden Schlagzeilen. Ob die Deutschen „aussterben“, hängt von anderen Faktoren ab, nicht zuletzt von einer Politik, die mit einer Fehlinterpretation demographischer Daten ungeregelte und unbedachte Einwanderung begründet.

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