Streit über CO2-Steuer Es geht ums Klima – und ums Kanzleramt

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU, spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung in Frankfurt am Main. Quelle: dpa

Die Frage der CO2-Steuer ist nicht nur eine ordnungs- sondern auch eine machtpolitische. Für Armin Laschet bietet sie eine Gelegenheit, die Schwäche der vermeintlichen Merkel-Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer zu offenbaren.

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Der Streit in der CDU um die CO2-Steuer hat – wie so oft in der Politik – mindestens zwei Ebenen: eine vordergründig sachpolitische und eine hintergründig machtpolitische. Auf der ersten geht es um die Frage, wie der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid vermindert werden kann und welche Bürger und Unternehmen dazu welche Belastungen zu tragen haben sollen. Auf der zweiten Ebene geht es darum, wer der nächste Bundeskanzler wird. Drüber hinaus geht es aber auch um Grundsätzliches, das wichtiger ist als sowohl die konkrete klima- und energiepolitische Sachfrage, als auch die Nachfolgefrage im Kanzleramt.

Was die sachliche Ebene angeht: Dass eine CO2-Besteuerung so eingerichtet werden kann, dass wenig und durchschnittlich verdienende Haushalte kompensiert werden, ist klar. Der Klimaschutz-Ökonom und Regierungsberater Ottmar Edenhofer zeigt, wie das geht. Damit ist allerdings nicht die Frage beantwortet, ob dies wirklich das effizienteste Mittel ist, um den Ausstoß deutlich zu verringern. Aber möglicherweise ist die Effizienz der Maßnahme auch gar nicht das ausschlaggebende Motiv derjenigen Regierungspolitiker in der SPD, aber auch in der Union, die gerne eine neue Steuer zum Kerninhalt eines künftigen Klimaschutzgesetzes machen möchten.

Steuern zu erhöhen und neue einzuführen, ist stets eine Verlockung für Angehörige eines politischen Betriebes. Wer dagegen als Politiker eine Steuer reduzieren, abschaffen oder die Einführung einer neuen verhindern möchte, kann zwar auf Beifall der Steuerzahler hoffen, muss aber immer mit größtem Widerstand im eigenen Berufsstand rechnen. Denn: Je mehr Steuern, desto mehr Aufgaben für den Staat - und seine Verwalter. Es gehört schließlich zum Selbstverständnis des Politikers, neue Aufgaben für den Staat (also auch ihn selbst) zu entdecken und für deren Bewältigung die Mittel aufzutreiben. Das „Wagnersche Gesetz der zunehmenden Staatstätigkeit dürfte eine der wenigen ökonomischen Theorien sein, die den Praxistest bislang tatsächlich langfristig bestanden haben. Der „Katheder-Sozialist“, Monarchist und Antisemit Adolph Wagner (1835-1917) begrüßte diese Zunahme übrigens.

Eine neue Steuer, und dazu dann ein ausgeklügeltes Umverteilungssystem, um „soziale Härten“ abzufedern: Solch ein Projekt, wie es Umweltministerin Svenja Schulze und ihren SPD-Parteifreunden vorschwebt, schafft ganz neue Möglichkeiten für „zunehmende Staatstätigkeit“. Die ordnungspolitische Alternative – also die Zügel zu straffen im bestehenden europäischen Emissionshandelssystem und es zugleich, wie die FDP vorschlägt auf Verbraucher auszuweiten – macht dagegen keine oder kaum eine Expansion der staatlichen Umverteilung nötig/möglich. Ordnungspolitik setzt auf einen starken, regulierenden, aber schlanken, wenig Geld verschiebenden Staat.

Die große Ironie in der CO2-Debatte ist außerdem: Ausgerechnet die Sozialdemokraten, die uns derzeit auf ihren Wahlplakaten allerorten „Europa ist die Antwort“ verkünden, wollen ausgerechnet beim Klimaschutz lieber eine nationale Antwort geben. Als hätte Deutschland mit seiner Energiewende nicht schon ohnehin einen fatalen energiepolitischen Sonderweg beschritten. 

Für Armin Laschet kommt aber noch ein anderes, persönliches Motiv hinzu, das ihn nun seine Zuneigung zur CO2-Steuer entdecken lässt. Womit wir bei der zweiten, machtpolitischen Ebene wären: Er hält sich selbst vermutlich anstelle von Annegret Kramp-Karrenbauer für den besseren Nachfolger von Angela Merkel. Mit dieser Meinung dürfte er derzeit nicht gerade eine Mehrheit in der Union, geschweige denn im Wahlvolk hinter sich haben. Aber Stimmungen können sich ändern. Indem Laschet ihr und dem Rest der Republik aufzeigt, dass sie sich in einer zentralen Frage nicht durchsetzen kann, bremst Laschet den ohnehin schon sehr verlangsamten Lauf der neuen Parteivorsitzenden zum großen Hauptgewinn: dem Kanzleramt. Und eine schwache, nicht durchsetzungsfähige Chefin, hebt die CDU nicht gerne auf den Thron.

Wenn nach den Wahlen zum Europäischen Parlament, bei denen aller Voraussicht nach eine mittlere Katastrophe für die Union droht, dann die große Abrechnung in der Parteiführung ansteht, könnte alles möglich sein. Dazu kommt: Die Noch-Bundeskanzlerin vermittelt nicht den Eindruck, als ob ihr der Widerspruch gegen ihre vermeintliche Lieblingsnachfolgerin sonderlich missfällt. Zumal wenn er von Armit Laschet kommt, der ihr nie auch nur ansatzweise in die Quere kam. Und ein besonderes Interesse an Ordnungspolitik und der Vermeidung neuer Steuern hat Merkel ohnehin seit Amtsantritt vor 14 Jahren nie gezeigt.

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