Verschärfte Coronaregeln Kontrollpflichten lösen Boom bei Sicherheitsdiensten aus

Kontrollgang: Sicherheitsfirmen profitieren von den verschärften Coronaregeln, die auch auf Weihnachtsmärkten gelten. Die Sicherheitsleute werden vom Handel, von Verkehrsbetrieben und Firmen zunehmend zur Unterstützung angefordert – allerdings ist auch bei ihnen das Personal knapp.     Quelle: imago images

3G am Arbeitsplatz und im Nahverkehr, 2G im Einzelhandel: Vielen Betrieben fällt die Kontrolle schwer. Sie fordern Sicherheitsdienste zur Unterstützung an – doch die Branche klagt selbst über Engpässe.  

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Die Verschärfung der Coronaregeln löst einen Boom bei den Sicherheitsdiensten aus. Führende Anbieter berichten von einer deutlich anziehenden Nachfrage durch Unternehmen, den Handel und Verkehrsbetriebe, die die 2G- und 3G-Regeln kontrollieren müssen und dabei Unterstützung brauchen.   

„In manchen Regionen ist es schwierig, die Nachfrage zu decken“, sagt Jens Müller, Geschäftsführer des Sicherheitsdienstes Securitas und Vizepräsident des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW). „Der Bedarf überfordert aktuell die Kapazitäten des Marktes“, bestätigt ein Sprecher des Anbieters Gegenbauer. 

Angefordert werden die Sicherheitsdienste nach eigenen Angaben vor allem, um zu kontrollieren: Testzertifikate, Impf- beziehungsweise Genesenen-Nachweise sowie die Einhaltung der Maskenpflicht und der Abstandsregeln.

Der Handel braucht sein Personal für den Verkauf

Vergangenen Donnerstag waren die Corona-Auflagen im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) noch einmal verschärft worden. In vielen Bereichen des öffentlichen Lebens gilt nun bundesweit die 2G-Regel: In Kinos und Theatern, bei Sport- und Großveranstaltungen, in Sportclubs sowie in Gaststätten haben nur Genesene und Geimpfte Zutritt, ebenso im Einzelhandel. „Der Zugang muss von den Geschäften kontrolliert werden“, heißt es im Bund-Länder-Beschluss. Doch damit sind viele Händler offenbar überfordert – auch deshalb, weil sie gerade in der Vorweihnachtszeit ihr eigenes Personal für den Verkauf brauchen. 

„Täglich kommen weitere Anfragen“, sagt Securitas-Chef Müller. Dabei gehe es nicht nur um die Durchführung der Kontrollen, sondern auch um Konzepte, wie die neuen Regeln überhaupt zu realisieren seien. Das betreffe auch Arbeitsplätze und den öffentlichen Nahverkehr, wo seit dem 24. November die 3G-Regel gilt.

Lauterbach: „Kontrolldefizite kollektiv angehen“

In Bus und Bahn werden Test- und Impfausweise bisher allerdings kaum überprüft. „Diese Kontrolldefizite müssen wir kollektiv angehen“, forderte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“. Doch wie soll das funktionieren, wenn den Verkehrsbetrieben die Leute fehlen?



Doch auch die Sicherheitsdienste könnten den anziehenden Anfragen mangels Personal teils nicht mehr nachkommen, heißt es vom BDSW. Schon vor Corona habe es bis zu 13.000 unbesetzte Stellen gegeben, rund 260.000 Beschäftigte zählt die Branche insgesamt. Die Lücke werde durch die Pandemie nun noch größer, fürchtet der Verband.

40-Stunden-Kurs als Mindestqualifikation

Denn auch für einfachere Tätigkeiten wie Objektschutz müsse bei den Industrie- und Handelskammern ein 40-Stunden-Kurs zu Themen wie Haus- und Jedermannsrechten absolviert werden. Wer zur Personenkontrolle eingesetzt werde, müsse eine entsprechende Prüfung zu den Rechtsfragen und Themen ablegen. Während der Pandemie seien jedoch viele Kurse ausgefallen, nun könne das Personal nicht so schnell ausgebildet werden. 

Freigewordene Kapazitäten aus dem Veranstaltungsbereich würden nicht ausreichen, heißt es vom Verband. Zumal sich einige Beschäftigte, die früher etwa bei Clubs oder Konzerten eingesetzt waren, während der langen Coronapause umorientiert hätten. Die Zahl der unbesetzten Stellen werde 2021 um rund 15 Prozent ansteigen, sagt BDSW-Chef Harald Olschok.

Zur Impfquote unter seinen eigenen Beschäftigten kann der Verband keine Angaben machen. Doch auch für sie gilt selbstverständlich die 3G-Regel, die vor jedem Einsatz kontrolliert werden muss.  

Handel fühlt sich mit der Umsetzung allein gelassen 

Besonders gefragt sind die Sicherheitsfirmen aktuell auch im Handel, der über die zunehmende Belastung durch die Kontrollpflicht klagt. „Die Einführung von 2G-Regelungen in Geschäften bringt den Handel personell und finanziell an seine Grenzen“, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands. Um den immensen Aufwand bewältigen zu können, werde zwar teils Personal aus der Sicherheitsbranche eingesetzt, doch eine solche externe Unterstützung sei „kostenintensiv“.

Dass die Politik die Betriebe mit der Umsetzung der Regeln alleine lasse, „ist vollkommen unverständlich“, kritisiert Genth: Der Handel werde „mit jedem Tag wirtschaftlich weiter ausgezehrt“.

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Bund soll „Schadensausgleich“ zahlen

Nach dem zweiten Adventswochenende sei die Bilanz ernüchternd. Mit den 2G-Regeln seien die Besucherzahlen in den Innenstädten durchschnittlich um 41 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 gesunken. Die Umsätze im stationären Non-Food-Handel seien um durchschnittlich 26 Prozent geringer als 2019. Genth spricht von einer „dramatischen Zäsur“ und fordert vom Bund „einen Schadensausgleich“, um die Schäden abzudecken, die nicht durch die Überbrückungshilfe abgefedert werden könnten.

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