Brexit „Letzter Versuch“ für einen Handelspakt mit Großbritannien

Am Freitag waren es noch 13 Tage bis zum Ende der Brexit-Übergangsphase, also bis zum wirtschaftlichen Bruch Großbritanniens mit der EU. Quelle: dpa

Wenige Tage bis zum Stichtag – und immer noch kein Brexit-Deal: Das Europaparlament ist am Ende seiner Geduld. Am Sonntag sei „Schicht im Schacht“. Aber was heißt das?

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Klappt es im „letzten Versuch“? Großbritannien und die EU haben am Samstag weiter über einen Brexit-Handelspakt verhandelt. Der Druck ist groß, denn das Europaparlament hat eine letzte Frist bis zum späten Sonntagabend gesetzt. Bis dahin müsse ein fertiger Handelsvertrag vorliegen, weil die Abgeordneten sonst nicht mehr ausreichend Zeit zur Prüfung hätten. EU-Unterhändler Michel Barnier warnte am Freitag, es blieben nur noch „wenige Stunden“ für eine Einigung. Allerdings hatten die Unterhändler bereits zuvor mehrere Fristen gerissen. Zuletzt hieß es vor allem in London, der einzige Stichtag sei der 31. Dezember.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat sich ohnehin wiederholt skeptisch geäußert, dass sich beide Seiten noch einigen. Beobachter der zähen Verhandlungen berichteten auf Twitter, dass die EU beim strittigen Thema Fischerei einen Schritt auf London zu machen könnte.

Mittlerweile rückte selbst die EU-Seite erstmals ein wenig von der Deadline am Sonntag ab: Wie der britische Guardian am Samstag berichtete, könnten die Verhandlungen auch nach der Deadline weitergehen. So zumindest sehe es Clément Beaune, französischer Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. Frankreich werde in den „nächsten 48 Stunden nicht überstürzt einem Deal zustimmen“, wird Beaune im Guardian zitiert. Es sei notwendig, sich die Zeit zu nehmen.

Beide Seiten rüsten sich auch für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern und vom 1. Januar 2021 an Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen Großbritannien und der EU in Kraft treten. Dann endet eine Übergangsphase. Großbritannien ist zwar bereits Ende Januar aus der EU ausgetreten, scheidet aber erst zum Jahresende aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus.

Die britische Regierung sei allerdings schlecht vorbereitet, kritisierte der Brexit-Ausschuss des Parlaments in London. Entscheidungen seien „zu spät“ getroffen worden, die Kommunikation mit Unternehmen sei „bestenfalls lückenhaft“, hieß es in einem am Samstag in London veröffentlichten Bericht. Die Polizei könne gezwungen sein, „langsamere und umständlichere“ Systeme zu verwenden - so sei „unwahrscheinlich“, dass ein Abkommen, das den Europäischen Haftbefehl ersetze, rechtzeitig vorliege.

Noch immer könne die Regierung Unternehmen, Händler und Bürger nicht mit Gewissheit darüber informieren, was in den Bereichen passieren wird, die von den Verhandlungen mit der EU über einen Handelspakt betroffen sind, sagte der Ausschussvorsitzende Hilary Benn. „Mit nur sieben verbleibenden Werktagen bis zum Ende der Übergangsphase bestehen nach wie vor erhebliche Bedenken.“

Die Regierung müsse bereit sein, Notfallpläne in Kraft zu setzen, forderte der Politiker der oppositionellen Labour-Partei. Am Freitag hatte das Europaparlament für Notfallmaßnahmen im Falle eines No-Deal-Brexits gestimmt. Dabei geht es um Pläne für die Bereiche Fischerei, Flugsicherheit sowie Flug- und Straßenverkehr.

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Der britische Industrieverband CBI forderte mit Nachdruck beide Seiten zur Einigung auf. Ein Abkommen werde die wirtschaftlichen Aussichten in ganz Europa enorm verbessern. „Mutige Schritte“ seien nun notwendig.

Auf den Autobahnen in Richtung des wichtigen Hafens Dover am Ärmelkanal sowie des Eurotunnels stauten sich auch am Samstag Lastwagen kilometerweit. Gründe sind das Weihnachtsgeschäft und der hohe Bedarf an medizinischen Gütern in der Corona-Pandemie, aber auch die Aufstockung vieler Lager vor Ende der Brexit-Übergangsphase. Schon seit Wochen kritisieren Handelsverbände verstopfte Häfen und hohe Frachtpreise. In einigen Häfen wurden bereits Schiffe abgewiesen, weil kein Platz war, um Fracht zu löschen.

Mehr zum Thema: Der Brexit-Deal hakte bis zuletzt beim Thema Fischerei. Das ist kein Wunder, zeigen Besuche bei Fischern beider Seiten.

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