EU-Gipfel Polen droht mit Blockade

Der Streit zwischen Polen und anderen EU-Staaten um Donald Tusk droht zu eskalieren: Wenige Stunden vor dem Spitzentreffen fährt Warschau schweres Geschütz auf, um die Bestätigung des Ratschefs noch zu verhindern.

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EU-Gipfel: Polen droht mit Blockade Quelle: dpa

Im erbitterten Streit über die Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk hat das nationalkonservativ regierte Polen gedroht, den Brüsseler Gipfel kurzfristig platzen zu lassen. „Wir werden unsere Partner informieren, dass der gesamte Gipfel in Gefahr ist, wenn sie die Abstimmung heute erzwingen“, sagte der polnische Außenminister Witold Waszczykowski dem Sender TVN24. „Wir werden alles dafür tun, dass diese Abstimmung nicht stattfindet.“

Ministerpräsidentin Beata Szydlo werde sich für eine Vertagung der Wahl des EU-Ratspräsidenten einsetzen. Diese dürfe angesichts der Zweifel am Kandidaten Tusk nicht voreilig stattfinden, sagte Waszczykowski. Derweil sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vormittag im Bundestag für eine Wiederwahl des konservativ-liberalen Tusk aus. Dies wäre für sie „ein Zeichen der Stabilität der gesamten Europäischen Union“.

Als Gegenkandidaten zu Tusk hat Polen den Europaabgeordneten Jacek Saryusz-Wolski nominiert. Die Warschauer Regierung wehrt sich gegen eine zweite Amtszeit des EU-Ratspräsidenten aus dem gegnerischen liberalen Lager. Sie wirft ihm vor, sein Amt in Brüssel missbraucht und sich in den politischen Konflikt in Polen eingemischt zu haben. Im Widerstand der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sehen Kritiker eine Fehde des mächtigen PiS-Chefs Jaroslaw Kaczynski, der seine eigene Wahlniederlage im Jahr 2007 gegen Tusk nicht verwunden haben soll.

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen am Donnerstag entscheiden, ob Tusk bis Ende 2019 Ratschef bleiben soll. Erstmals könnte der Ratspräsident ohne Unterstützung seines Herkunftslandes gewählt werden. Die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite ging von einer zweiten Amtszeit für den Polen aus. „Ich denke, dass Tusk wiedergewählt wird“, sagte sie am Donnerstag im litauischen Rundfunk vor ihrer Abreise zum EU-Gipfel.

Zum „angeblichen Herausforderer“ wollte sich Grybauskaite nicht äußern. „Zum Präsidenten des Europäischen Rates gewählt werden aktuelle oder ehemalige Regierungschefs.“ Auch sei die Position nicht dem einen oder anderen Land zugeordnet. „Der Posten ist kein polnisches Eigentum“, sagte die litauische Staatschefin.

Vor dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag mahnte Tusk weitere Anstrengungen für eine wirtschaftliche Erholung Europas an. Der Schwung müsse erhalten bleiben. Beim Frühjahrsgipfel stehen die Themen Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung traditionell im Zentrum. Tusk erinnerte am Mittwoch daran, dass es erstmals seit fast zehn Jahren in allen 28 EU-Mitgliedstaaten Wachstum gebe. Trotz der weiter hohen Arbeitslosigkeit sei dies eine gute Nachricht.

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