EU-Handelskammer „China muss seine Grenzen öffnen“

Ein Mann trägt eine Gesichtsmaske und Handschuhe im Finanzviertel Lujiazui in Shanghai, nachdem die Lockdown-Regeln Anfang Juni gelockert wurden. Quelle: REUTERS

Die Stimmung bei europäischen Firmen in China ist im Keller, es herrscht große Unsicherheit. Die strengen Corona-Maßnahmen müssen weg, fordern die Unternehmer.

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Wenn die EU-Handelskammer in Peking ihren jährlichen Stimmungsbericht vorlegt, war der Tenor in der Vergangenheit immer sehr ähnlich. Mehr China, nicht weniger, sei der richtige Weg für die Firmen. Schließlich wächst kein Markt schneller als die Volksrepublik.

Die strengen Corona-Maßnahmen und der Krieg in der Ukraine haben nun zumindest ein leichtes Umdenken ausgelöst. „Die jüngsten Ereignisse haben viele dazu veranlasst, sich zu fragen, wie viele Eier sie bereit sind, in ihrem China-Korb zu belassen“, schreibt die Kammer in der am Montag vorgelegten Ausgabe ihrer diesjährigen Mitgliederbefragung.

Dass Diversifizierung plötzlich ein Thema ist, dürfte mit dem deutlichen Schock zusammenhängen, den viele deutsche und europäische Unternehmen in China in den vergangenen Monaten erlebt haben.

Die chinesische Wirtschaft war wegen der strikten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in der ersten Jahreshälfte unter Druck geraten. Mehrere Millionen Menschen waren von Ausgangssperren betroffen. Die Wirtschaftsmetropole Shanghai befand sich seit Anfang April für zwei Monate in einem Komplett-Lockdown. Zwar hat sich die Lage leicht gebessert, jedoch herrscht weiter große Unsicherheit.

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Die Lage, so schildert es Kammer-Vizepräsidentin Bettina Schön-Behanzin anlässlich der Veröffentlichung der Umfrage am Montag, habe sich zuletzt sogar so sehr verschärft, dass Teile der diesjährigen Mitgliederbefragung bereits überholt waren, als die Kammer noch dabei war, die ausgefüllten Fragebögen auszuwerten. Denn die Deadline endete noch vor dem Beginn des Lockdowns in Shanghai und auch vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges. Die Kammer versuchte, dies mit einer separaten Blitz-Umfrage aufzufangen.

Beide Ereignisse hatten demnach „erhebliche destabilisierende Auswirkungen auf die China-Aktivitäten europäischer Unternehmen“. Drei Viertel der Mitglieder berichteten, dass die strengeren Eindämmungsmaßnahmen ihren Betrieb negativ beeinflusst hätten. Sogar 92 Prozent klagten über Lieferketten-Probleme, die etwa durch Hafenschließungen und steigende Frachtkosten verursacht wurden. 23 Prozent der Befragten gaben an, darüber nachzudenken, neue Investitionen auf Eis zu legen.

Eine große Herausforderung sei es zudem, neues Personal aus Europa zu gewinnen. „Es ist schwierig, jemanden zu finden, der noch nach China reisen will“, sagte Schön-Behanzin. Lockdowns, lange Quarantänezeiten, sowie immer weniger verfügbare Flüge hätten einen wahren „Exodus“ ausgelöst.

Nun ist erstmal Vorsicht angesagt. Laut der Kammer sei die überwältigende Mehrheit der Unternehmen jedoch trotz aller Schwierigkeiten noch immer bereit, an China festzuhalten. Die weiterhin wachsende Mittelschicht ist demnach ein wichtiger Grund für die Firmen, zu bleiben. Chancen würden sich auch durch die rasant zunehmenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Land ergeben.



Doch damit sich das China-Geschäft wieder zum Besseren wenden kann, müsse zunächst die Coronakrise in den Griff bekommen werden. Die Kammer appellierte, die strengen Maßnahmen zu beenden. China müsse den Unternehmen die Angst nehmen und „mit einem klaren Plan Vertrauen zurückgewinnen“, appellierte Schön-Behanzin. Mit Massentests und Lockdowns könne die Lage nicht unter Kontrolle gebracht werden. „China muss seine Grenzen öffnen. Es verfügt über alle Mittel für ein großartiges Comeback“. Um die Lage in China zu entspannen, empfahl sie der Regierung, auf wirksamere mRNA-Impfstoffe zu setzen.

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