Eurokrise „Das Risiko ist deutlich gestiegen“

Isabel Schnabel. Quelle: dpa

In Italien sieht die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel die Gefahr eines Wiederaufflammens der Euro-Krise – und warnt vor der Konzentration heimischer Staatsanleihen bei den nationalen Banken.

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WirtschaftsWoche: Frau Schnabel, im Haushaltsstreit zwischen der EU und Italien sind die Fronten verhärtet. Die italienische Regierung will von ihrem Schuldenkurs offenbar nicht abweichen. Wird Italien das neue Griechenland?
Isabel Schnabel: Eine Eskalation der Krise in Italien wäre wegen der Größe der dortigen Volkswirtschaft noch viel gefährlicher. Wenn sich die ökonomische und finanzielle Lage in Italien verschlechtert und italienische Banken ins Wanken geraten, dürfte dies auf die gesamte Währungsunion ausstrahlen. Die Staatsverschuldung Italiens ist enorm hoch. Irgendwann kann ein Punkt erreicht sein, ab dem sich die Investoren an den Märkten schlicht weigern, dem Staat weiteres Geld zu leihen. Das Risiko eines Wiederaufflammens der Euro-Krise ist in den vergangenen Monaten daher deutlich gestiegen.

Laut EU-Kommission ist der Anteil der faulen Kredite in der EU im zweiten Quartal auf 3,4 Prozent gesunken. In Italien sind es aber immer noch zehn Prozent. Warum sind Italiens Banken vergleichsweise wacklig aufgestellt?
Weil sie es in den Jahren nach der Krise nur unzureichend geschafft haben, ihre Bilanzen zu bereinigen. Der Abbau der notleidenden Kredite ist eher schleppend verlaufen. Trübt sich die Konjunktur ein oder kommt es gar zu einer Rezession, dürften die Kreditausfälle wieder zunehmen. Schon jetzt sind die Märkte nervös: Wenn italienische Banken nachrangige Schulden – also besonders riskante Papiere – emittieren, müssen sie inzwischen hohe Risikoprämien zahlen. Außerdem sind die Banken in Italien stark mit dem Staat verflochten. Sie halten in erheblichem Umfang italienische Staatsanleihen, die Bestände haben sich in den vergangenen Monaten sogar weiter erhöht. Wenn sich andere Investoren beim Kauf der Anleihen zurückhalten, springen die Banken in die Bresche und stabilisieren den Anleihemarkt. Dieser Mechanismus ist allerdings mit erheblichen Risiken behaftet. Banken und Staat bilden geradezu eine Schicksalsgemeinschaft... 

… was auch dazu führt, dass die Politik alle Forderungen von Ökonomen ablehnt, die Privilegierung von Staatsanleihen bei den Eigenkapitalvorschriften aufzugeben. Gibt es hier eine Kompromisschance?
Man muss nicht generell das Halten von Staatsanleihen bestrafen, sie spielen ja durchaus eine wichtige Rolle im Finanzsystem. Aber wir müssen auf jeden Fall wegkommen von der starken Konzentration auf heimische Staatsanleihen.

Die italienische Regierung sagt: Wenn bei uns eine Bank kippt, schaffen wir die Rettung alleine, wir brauchen Europa nicht. Ist das politische Hybris oder ein realistisches Szenario?
Es gibt klare europäische Regeln zu staatlichen Beihilfen und Bankenabwicklungen. Diese gelten auch für Italien. Eine Bankenrettung wie damals während der Finanzkrise ist heute nicht mehr möglich. Und das ist auch gut so.

Könnte Italien am Ende die Währungsunion verlassen?
Das glaube ich nicht. Italien hat bei einem Austritt nur wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Die Zustimmung zu Europa ist in Italien zudem noch immer recht hoch. Allerdings ist derzeit nicht absehbar, wie der aktuelle Haushaltsstreit mit Brüssel endet. Wenn eine anti-europäische Stimmung entsteht, weil sich die Italiener von Europa schlecht behandelt fühlen, dann ist vieles denkbar.

Wie bewerten Sie die jüngsten Beschlüsse der Eurogruppe?  Inwieweit können die angestrebten Reformen eine neuerliche Krise verhindern?
Die Beschlüsse gehen in die richtige Richtung. Der Rettungsfonds ESM wird gestärkt und die Schlagkraft des Bankenabwicklungsfonds erhöht. Von Bedeutung sind auch die Bestrebungen, die Restrukturierung von Staatsanleihen zu erleichtern. Keinerlei Fortschritte gab es hingegen bei den Themen Europäische Einlagensicherung und Entprivilegierung von Staatsanleihen. Beide wären aber wesentlich, um den Euroraum zu stabilisieren.

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