Nach erbittertem Streit hat die rechtsextreme französische Front National (FN) ihren Gründer Jean-Marie Le Pen ausgeschlossen. Dies entschied das Exekutivbüro am Donnerstag in Nanterre bei Paris mit der nötigen Mehrheit. Die Parteispitze um seine Tochter Marine Le Pen hatte sich bereits im Frühjahr von dem 87-Jährigen losgesagt, nachdem dieser die Gaskammern der Nazis erneut als „Detail der Geschichte“ verharmlost hatte.
Jean-Marie Le Pen äußerte sich empört über den Ausschluss. Er sei „Opfer eines Hinterhalts“, sagte er im Sender iTélé und kündigte an, gegen die Entscheidung erneut vor Gericht zu ziehen. Dort hatte Le Pen zuletzt mehrere Erfolge gegen seine Tochter errungen. So hatte die Partei seine Mitgliedschaft bereits im Mai ausgesetzt. Die Justiz erklärte dies aber aus formalen Gründen für nichtig.
Wie radikal ist der Front National?
Parteiführerin Marine Le Pen versucht ihre Partei zu "entdiabolisieren" und für alle Franzosen wählbar zu machen. Deswegen verwehrt sie sich dagegen, radikal oder ausländerfeindlich genannt zu werden. Sie kündigte rechtliche Schritte gegen all jene an, die die Partei rechtsextrem nennen. Ihre Partei "sei weder rechts, noch links".
Der Front National nennt sich selbst "patriotisch" und "national". Man wolle die "französische Identität, Tradition und Souveränität" wahren. So sollen Franzosen in ihrem Heimatland generell bevorzugt werden. Das Motto – und ein Buchtitel des ehemaligen FN-Chefs Jean-Marie Le Pen – lautet: "Les Français d'abord" ("Franzosen zuerst"). Demnach sollen französische Staatsbürger bei der Arbeitsplatzsuche und bei Sozialleistungen gegenüber Nicht-Franzosen besser gestellt werden.
Der FN will den Bau von Moscheen in Frankreich verbieten, ebenso das Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit um die "Islamisierung" des Landes zu stoppen. Einwanderer aus muslimischen Ländern werden kritisch gesehen.
Marine Le Pens Vater, Jean-Marie Le Pen, fiel mehrfach durch antisemitische Äußerungen negativ auf. verharmloste die Gaskammern der Nazis als "Detail der Geschichte", bezeichnete die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg als "nicht besonders unmenschlich" und stachelte zum Fremdenhass auf. Noch heute meldet sich der 85 Jahre alte Ehrenvorsitzende wöchentlich zu Wort. Politikwissenschaftler wie Jean-Yves Camus verweisen darauf, dass sich Marine Le Pen keineswegs klar von ihrem Vater distanziert
2007 schloss sich der Front National mit anderen rechten Parteien – unter anderem die österreichische FPÖ – zu einer Fraktion unter dem Namen "Identität, Tradition, Souveränität" zusammen. Wenige Monate später löste sich die Fraktion auf.
Die Regionalzeitung "Midi Libre" aus Montpellier nennt den Front National trotz der Drohgebärden der Partei weiterhin rechtsextrem. "Lassen Sie es uns ohne Umschweife und ohne Hass sagen – auch wenn dies ihrer Vorsitzenden nicht gefällt: Die Front National ist rechtsextrem. Marine le Pen kann noch so viel drohen, gegen jeden vor Gericht zu ziehen, der die FN in diese politische Familie einstuft – wir fragen uns, aus welchem Grund - ihre Partei bleibt der Flaggenträger des französischen Nationalsozialismus. (...) Auch wenn ihre populistischen Thesen einen Teil der Wähler verführen, bleibt die Front National eine Gefahr für die Demokratie. Eine Gefahr für den Sozialpakt, der die Bürger vereint. Und ein Risiko für das Gleichgewicht in Europa."
Hinter dem Familienkrach steckt ein Macht- und Richtungsstreit. Marine Le Pen bemüht sich seit Jahren, der Rechtsaußen-Partei mit einer gemäßigteren Wortwahl ein bürgerliches Image zu verschaffen. Mit ihrem Kurs fuhr sie einige der besten Wahlergebnisse der Parteigeschichte ein.
Jean-Marie Le Pen hatte die französischen Rechtsextremen von 1972 bis 2011 mit straffer Hand geführt. Sein größter Erfolg war der Einzug in die Stichwahl um die Präsidentschaft im Jahr 2002. Wegen der über Jahrzehnte mehrfach wiederholten Bemerkung über die Gaskammern und andere Ausfälle war er immer wieder verurteilt worden.
Woran Frankreich krankt
In Frankreich sticht die ungünstige Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit hervor. Auch deshalb ist der Weltmarktanteil des Exportsektors des Landes deutlich gesunken; die Leistungsbilanz hat sich seit Beginn der Währungsunion kontinuierlich verschlechtert– von einem Überschuss von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu einem Defizit von zuletzt etwa 2 Prozent. Im Durchschnitt der zurückliegenden drei Jahre hat Frankreich damit das höchste Leistungsbilanzdefizit aller Kernländer aufgewiesen. Im „Global Competitiveness Report 2012-2013“ belegt Frankreich damit nur Rang 21 von insgesamt 144 Ländern. Im Jahr 2010 wurde es mit Rang 15 noch deutlich besser bewertet.
Quelle: Frühjahrsgutachten der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute; Commerzbank
Die Lohnstückkosten sind seit 1999 um 30 Prozent gestiegen. Die Lage heute: Während eine Arbeitsstunde deutsche Arbeitgeber 30,40 Euro kostet, fallen westlich des Rheins 34,20 Euro an. Typisch für den Niedergang sind die Autobauer. „Hier verdichten sich die Probleme Frankreichs“, sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Das Land produziere 40 Prozent weniger Kraftfahrzeuge als 2005, Deutschland dagegen 15 Prozent mehr.
Die wirtschaftliche Entwicklung lässt kaum eine deutliche Reduzierung der Arbeitslosigkeit und der öffentlichen Verschuldung erwarten. Die Arbeitslosigkeit dürfte auf einem hohen Niveau jenseits von 10 Prozent verharren.
Noch wird die Schuldentragfähigkeit von den Anlegern nicht in Frage gestellt. Die öffentliche Verschuldung Frankreichs hat sich aber seit der Großen Rezession deutlich erhöht. Zwischen 2008 und 2012 stieg die Schuldenstandsquote um rund 25 Prozentpunkte auf über 90 Prozent. Im Jahr 2013 lag die Defizitquote mit 4,3 Prozent weiterhin deutlich über den Maastricht-Kriterien. Und auch für das Jahr 2014 wird eine diesen Wert überschreitende Quote erwartet. Damit steigt die öffentliche Verschuldung weiter.
Die private Verschuldung ist in Frankreich weniger stark gestiegen und liegt auf einem deutlich geringeren Niveau als z. B. in Irland, Spanien und Portugal. Dennoch ist Frankreich das einzige der ausgewählten Länder, in dem die private Verschuldung auch seit 2009 noch merklich zunimmt.
Parteiinterne Unterstützer von Jean-Marie Le Pen zeigten sich bestürzt über den Ausschluss. Dieser sei „moralisch extrem schockierend“, sagte der FN-Europaabgeordnete Bruno Gollnisch dem Sender BFMTV. Le Pens Anwalt Joachim vertritt die Auffassung, dass der 87-Jährige selbst bei einem Ausschluss weiterhin Ehrenvorsitzender der Partei bleibe - und damit auch an der bevorstehenden FN-Sommerakademie teilnehmen könne. Die Konfrontation zwischen Jean-Marie und Marine Le Pen dürfte also noch nicht vorbei sein.