
Im Fahrlässigkeitsprozess gegen IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich die Staatsanwaltschaft gegen eine Verurteilung ausgesprochen. Die Verhandlung habe Vorwürfe gegen Lagarde nicht gestützt, sagte Generalstaatsanwalt Jean-Claude Marin am Donnerstag vor dem Pariser Gerichtshof der Republik.
Die Behörde hatte sich bereits im vergangenen Jahr gegen einen Prozess gegen Lagarde ausgesprochen, die Untersuchungskommission des Gerichts hatte sich aber darüber hinweggesetzt.
Lagarde wird in dem Verfahren vorgeworfen, in ihrer Zeit als französische Wirtschafts- und Finanzministerin durch fahrlässiges Handeln eine Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht zu haben.
Sie hatte grünes Licht für ein Schiedsverfahren gegeben, das dem Geschäftsmann Bernard Tapie 2008 mehr als 400 Millionen Euro Entschädigung zusprach. Inzwischen ermittelt die Justiz wegen Betrugsverdachts gegen mehrere Beteiligte, es soll Verbindungen zwischen Tapie und einem der Schiedsmänner gegeben haben.
„Es ist schwierig, Frau Lagarde eine Nachlässigkeit vorzuwerfen“, resümierte Staatsanwalt Philippe Lagauche. In dem Schiedsverfahren zum jahrelangen Rechtsstreit mit Tapie sei es darum gegangen, schnell zu einer Lösung zu kommen. „Sie (Lagarde) hat nichts verhandelt.“ Lagauche fügte hinzu: „Für einen Richter ist es schwierig zu sagen, welche Meinung ein Minister haben soll.“ Lagarde führte von 2007 bis 2011 das Wirtschafts- und Finanzressort.
Generalstaatsanwalt Marin sprach von einer „schlechten Entscheidung“, die aber kein strafrechtliches Delikt sei - es ergebe sich allenfalls eine politische Verantwortlichkeit.
Das ist Christine Lagarde
Christine Lagarde gilt als Grande Dame der Finanzwelt. Dabei ist die Französin an den Schalthebeln der internationalen Finanzmacht als Frau eher eine Ausnahmeerscheinung. Lagarde ist seit 2011 - und nach dem unrühmlichen Abgang ihres Landsmannes Dominique Strauss-Kahn - die erste Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Februar 2016 wurde sie für eine zweite Amtszeit bestätigt.
Lagarde ist zu einer der zentralen Figuren in der Euro-Schuldenkrise geworden. Vor allem in schuldengeplagten Ländern wird ihr Name aber nicht immer gern gehört. So werfen viele Menschen in Griechenland, aber auch in anderen Ländern wie Irland, dem IWF unter Lagardes Führung vor, zu strikte Bedingungen für die Gewährung von Hilfskrediten zu stellen.
Als frühere Synchronschwimmerin ist Lagarde ein langer Atem eigen. Zudem gilt sie als gut vernetzte, geschickte Verhandlerin.
Vor ihrer Laufbahn beim Weltwährungsfonds hatte sie sich als Anwältin einen Namen gemacht: Von 1999 bis 2004 leitete sie die US-Kanzlei Baker & McKenzie. In die Politik kam sie 2007, als der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy die gelernte Juristin, Ökonomin und Amerikanistin zur Wirtschafts- und Finanzministerin machte.
Schon seit Jahren aber hat die zweifache Mutter Probleme mit der französischen Justiz. Wegen einer undurchsichtigen Zahlung an den Geschäftsmann Bernard Tapie während ihrer Amtszeit als Wirtschaftsministerin musste sie 2016 vor den Gerichtshof der Republik. Der verurteilte sie als schuldig - setzte jedoch keine Strafe an. Lagarde hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Das Schiedsverfahren war damals eingeleitet worden, da sich Tapie beim Verkauf seiner Anteile des deutschen Sportartikelherstellers Adidas Anfang der 1990-er Jahre von den staatlichen Großbank Crédit Lyonnais geprellt sah.
Das Urteil soll nach Angaben aus Gerichtskreisen an diesem Montag fallen, einen Tag früher als zunächst geplant. Bei einer Verurteilung drohen Lagarde bis zu ein Jahr Haft und 15000 Euro Strafe. Dies würde auch die Frage aufwerfen, ob sie an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) bleiben kann.
Am Freitag werden die Plädoyers der Verteidigung erwartet.