Lebensmittelkrise Wie Rumänien die Getreidekrise lösen will

Ein Feld in der Region Odessa. Quelle: dpa

Die Regierung in Bukarest vermittelt im Streit um ukrainische Getreide-Ausfuhren. Ein Kompromiss soll die Blockade von Polen, Ungarn und der Slowakei beenden.

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Die rumänische Regierung vermittelt nach Informationen der WirtschaftsWoche, um die Ausfuhrblockade für ukrainisches Getreide und Ölsaaten in osteuropäische Staaten aufzuheben. „Zusammen mit den Ukrainern arbeiten wir derzeit an guten Lösungen, die sowohl für die Produzenten dort als auch für unsere Landwirte geeignet sind“, sagte Wirtschaftsminister Ştefan-Radu Oprea der WirtschaftsWoche.

Demnach soll über Ausfuhr-Lizenzen für Getreidehändler sichergestellt werden, dass die Lieferketten nachvollziehbar sind und lediglich eine begrenzte Menge in den Nachbarländern verbleibt. Der Transit in weitere Länder werde gesichert. „Vier von fünf Ländern haben die Vorschläge als ausreichend identifiziert, um das Vertrauen der einheimischen Landwirte zu erlangen,“ so Oprea. Den Abweichler will er nicht namentlich nennen. Vor allem in Polen, wo Mitte Oktober ein neues Parlament gewählt wird, stellte sich die amtierende national-konservative PiS-Regierung zuletzt entschieden quer

Die Konkurrenz durch Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumen aus der Ukraine führt in den Nachbarländern zu beträchtlichen Preisabschlägen für einheimische Produkte, massiven Protesten der Bauern und entsprechendem innenpolitischem Druck auf die Regierungen. In Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte die EU die Zölle auf ukrainische Exporte gestrichen, den Nachbarländern aber zunächst Einfuhrbeschränkungen gestattet. 

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von Thomas Stölzel

Nachdem die Europäische Kommission diese Beschränkungen im September auslaufen ließ, hatten Polen, Ungarn und die Slowakei umgehend angekündigt, die Maßnahmen auch ohne Zustimmung Brüssels beizubehalten. Ein glatter Bruch von EU-Recht und nach Ansicht von Deutschland und anderen EU-Ländern zudem ein unsolidarischer Akt gegenüber der Ukraine. Für die unter Druck stehenden Regierungen sind sie dagegen ein notwendiger Schutz der eigenen Produzenten. Die rumänische Regierung hatte zunächst ein Moratorium von 30 Tagen für Getreideeinfuhren beschlossen.

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Nach Berechnungen rumänischer Landwirte, die der WirtschaftsWoche vorliegen, führen die ukrainischen Importe dort zu Preisabschlägen von durchschnittlich 50 Euro pro Tonne. Auf Basis der einheimischen Produktion von rund 22 Millionen Tonnen Weizen, Gerste, Mais, Soja und Sonnenblumen im vergangenen Jahr errechnen allein die rumänischen die Bauern einen Schadenbetrag von mehr als 1,1 Milliarden Euro. Sie beklagen, dass sie steigende Preise für Düngemittel im der Folge von Corona-Krise und dem Krieg im Nachbarland Ukraine verkraften, ihre Erzeugnisse aber billiger als zuvor verkaufen müssten und nicht selten vor allem im Export weniger Abnehmer fänden - denn diese hätten sich bereits bei der ukrainischen Konkurrenz bedient. 

Oprea bestätigte die Zahlen im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. 70 Prozent der ukrainischen Agrarerzeugnisse würden seit Beginn der des russischen Angriffskriegs über den rumänischen Hafen Konstanza am Schwarzen Meer sowie mit Bahnen und Lkw außer Landes gebracht, sagte er. Anders als ursprünglich geplant, gelange aber nur ein Teil davon in bedürftige afrikanische Staaten.



Der sozialdemokratische Wirtschaftsminister kritisiert, dass Rumäniens Anstrengungen, mögliche Hungersnöte in Afrika und daraus folgende Fluchtgründe zu verhindern, bisher nicht belohnt wurden. Im Gegenteil: Im Zuge der aktuell erneut sehr emotional geführten Migrationsdebatte werde der Beitritt Rumäniens und auch Bulgariens zum Schengen-Raum der EU weiter auf die lange Bank geschoben. Was ebenfalls hohe Kosten verursache, in Rumänien selbst, aber auch in Deutschland, wohin 30 Prozent der rumänischen Exporte gingen. Die Regierung von Österreich, die im vergangenen Dezember die Schengen-Beitritte mit einem Veto blockierte, halte wider besseren Wissens an dem Argument fest, damit illegale Einwanderung in die EU verhindern zu wollen.

„Alle Zahlen zeigen, dass die Migrationsrouten nicht über Rumänien führen - und auch nicht über Bulgarien“, so Oprea. „Das ist eine innenpolitisch motivierte Darstellung der Österreicher. Sie blendet aus, wie wir in Europa gemeinsam und solidarisch handeln sollten. Wenn Rumänien so kurzsichtig denken würde wie das manchmal bei österreichischen Politikern der Fall ist, dann würden wir nicht so viel auf uns nehmen, um ukrainisches Getreide außer Landes zu bringen.“

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Die deutsche Bundesregierung hat Rumänien in den vergangenen Tagen erneut ihre Unterstützung für einen Schengen-Beitritt versichert. Die Migrations-Routen über Land führen über Belarus und Polen einerseits beziehungsweise über Serbien und den österreichischen Partner Ungarn nach Österreich. Rumänien droht, Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.

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