Maschendraht gegen Flüchtlinge Wie Zäune aus Tirol Europas Grenzen sichern

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Zäune sollen Flüchtlinge nur "umleiten"

Vergangene Woche griff auch das österreichische Innenministerium zu. 4,2 Kilometer Sicherheitszaun mieten die Österreicher von Geo-Alpinbau, um die aus Slowenien kommenden Flüchtlinge „umzuleiten“, wie österreichische Politiker das ausdrücken. Ausschlaggebend für die Wahl von Geo-Alpinbau war die technische Besonderheit des Zauns, der auch im unwegsamen Waldgelände verbaut werden kann. Gerade rodet das österreichische Bundesheer das Gelände, und Geo-Alpinbau bohrt die Stahlanker in den Boden. Rund zweieinhalb Meter soll der Zaun hoch werden, im Kernbereich sind es vier Meter.

Für Gewissensbisse sorgt das Grenzprojekt bei Geo-Alpinbau nicht. „Der Zaun ist in diesem Fall ja ein reines Leitsystem, damit die Flüchtlinge zur richtigen Stelle finden“, sagt Ortler. Ein Mitarbeiter ergänzt: „Genauso gut könnte man dort Pfeile oder Schilder anbringen.“ Würde Ortler denn den Bau anderer Grenzzäune ablehnen? Ortler sagt, die Politik müsse entscheiden, wo Zäune gebaut werden.

Mutanox hat Skrupel, Nato-Draht gegen Kinder einzusetzen

Talat Deger ist in der Sicherheitsbranche eine bekannte Größe. Der 39-Jährige ist Mitgründer und Geschäftsführer beim Berliner Metallgroßhändler Mutanox, einem internationalen Vertreiber von Nato-Draht. Die europäische Flüchtlingskrise erreichte Deger diesen Sommer auf einer Urlaubsfahrt durch Serbien, als ihm auf der Autobahn Hunderte Flüchtlinge entgegenkamen. „Ich habe überhaupt nicht verstanden, was da los war. Das war einfach nur irre.“

Aus diesen Ländern kommen Asylbewerber in Deutschland

Doch Degers Reise durch Serbien sollte noch irrer werden. Kurz nach dem Erlebnis auf der Autobahn rief ihn ein Kollege an: Ein Großauftrag aus Ungarn sei gekommen, eine Behörde und mehrere Unternehmen haben 10.000 Rollen Nato-Draht für den Bau des Grenzzauns geordert. Auftragsvolumen: rund 500.000 Euro.

Nato-Draht und Spendensammlungen bei Hilti

Deger rief Murat Ekrek an, den zweiten Geschäftsführer von Mutanox, und sie berieten sich. Die Ungarn, so viel war klar, wollten den Nato-Draht ungesichert auf die Erde legen. „Stell dir vor, da läuft ein Kind rein. Das kann doch sterben“, sagte Deger. Ekrek sah das genauso. Danach haben sie ihre Mitarbeiter angewiesen, keinen Nato-Draht an Ungarn zu verkaufen. Für Deger und Ekrek war die Sache damit erledigt.

Den Draht haben die Ungarn statt aus Berlin nach der Absage von Mutanox aus anderen Ländern bezogen. Auch Hilti ließ sich das Geschäft mit der ungarischen Grenzbarriere nicht entgehen. Rund 720.000 Euro verdiente Hilti Ungarn mit Direktbefestigungsgeräten und Verbrauchsmaterial für den Grenzzaun. Für Mitarbeiter des Liechtensteiner Konzerns wirft das Geschäft Fragen auf. Ein Insider erzählt, dass der Konzern sich intern weltoffen und liberal gegenüber Flüchtlingen zeigen würde. Sogar zu Spendensammlungen habe man die Mitarbeiter aufgerufen. „Wie passt denn diese Hilfe mit dem Zaunprojekt zusammen?“, fragt der Mitarbeiter nachdenklich.

In Tirol haben die Mitarbeiter von Geo-Alpinbau hingegen kein Problem mit ihrem Grenzzaun. „Schon wieder ein Journalist“, fragt ein Mitarbeiter beim Besuch der WirtschaftsWoche, „kommen Sie wegen der Seilbahn auf der Zugspitze?“ Als er die Antwort hört, scheint er sich fast zu freuen. Endlich kann er einmal über den Sicherheitszaun reden.

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