Spanien gerät zunehmend in den Strudel der Finanzmärkte. Die Risikoaufschläge für spanische Bonds sind am Montag auf ein neues Rekordhoch von 630 Basispunkten geklettert. Damit ist die Rendite für Staatbonds mit einer Laufzeit von zehn Jahren erstmals über 7,4 Prozent gestiegen, auch bei Schuldtiteln mit einer Restlaufzeit von fünf Jahren liegt die Rendite bei dieser kritischen Marke. Anleihen gelten nach allgemeiner Erkenntnis als nicht finanzierbar, wenn die Renditen dauerhaft über sieben Prozent liegen.
Aus Sicht der Händler erklärt sich die Zuspitzung an den Anleihenmärkten mit den finanziellen Problemen der spanischen Regionen. Die autonome Region Valencia hatte am Freitag einen Antrag gestellt, um unter den nationalen Rettungsschirm zu schlüpfen.
Am Sonntag ist die Region Murcia dazugekommen, nachdem der Präsident dieser Region in einem Interview durchblicken ließ, zwischen 200 und 300 Millionen Euro des 18-Milliarden-Euro schweren Rettungsfonds anzufordern. Die Regionen Katalonien sowie Kastilien-La Mancha sollen nach spanischen Medieninformationen auch vor diesem Schritt stehen.
Überblick: Spaniens Rettungspaket
Der Kredit im Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro wird durch den spanischen staatlichen Bankenrettungsfonds FROB geleitet. Die Banken, die Gelder benötigen, können darauf zurückgreifen. Bei der Summe ist eine „Sicherheitsspanne“ mit einkalkuliert.
Der FROB soll im Auftrag des spanischen Staates handeln, der die volle Verantwortung für die Finanzhilfe behält und die Vereinbarung unterzeichnet. Die Bedingungen sollen sich „auf spezifische Reformen im Finanzsektor konzentrieren”.
Die Fortschritte, die Spanien bei strukturellen Reformen und dem Defizitabbau macht, sollen „parallel zur Finanzhilfe eng und regelmäßig überwacht” werden.
Ob die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder der permanente Rettungsschirm Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) den Kredit zur Verfügung stellen wird, ist noch nicht entschieden. Sollten die Kredite über die EFSF vergeben werden, wird Finnland Sicherheiten verlangen. Die Kredite des ESM sind gegenüber anderen Verbindlichkeiten vorrangig eingestuft.
Einem Bericht der Zeitung „El Pais“ zufolge wird der Zinssatz für den Kredit bei drei Prozent liegen.
100 Milliarden Euro entsprechen ungefähr zehn Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Verbindlichkeiten des FROB werden den Staatsschulden zugerechnet, die sich im vergangenen Jahr auf 69 Prozent beliefen. Die Zinsen für den Kredit das Haushaltsdefizit beeinflussen.
Die Wirtschaftskrise hat zu einem Rückgang der regionalen Einnahmen geführt, dabei sind die Sozialausgaben wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit gestiegen. Die spanischen Regionen sind nicht nur deshalb in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Zusätzlich dazu haben sie an den Finanzmärkte ihre Anleihen nur gegen hohe Renditen platzieren können. Darauf hat die Regierung in Madrid mit der Einrichtung eines nationalen Rettungsschirms reagiert.
Ähnlich wie der EFSF-Rettungsschirm sieht dieser vor, dass den geholfenen Ländern strikte Sparanstrengungen diktiert werden und das Budget unter verschärfter Aufsicht gestellt wird. Zudem soll die Neuverschuldung der einzelnen Region in diesem Jahr nicht mehr als 1,1 Prozent und im nächsten Jahr dann 0,7 Prozent wachsen. Katalonien ist mit 42 Milliarden Euro die am höchsten verschuldete Region Spaniens.
Sparmaßnahmen drücken das Land in die Rezession
Dass sich die Situation in so kurzer Zeit verschärfen würde, darauf schien Madrid nicht vorbereitet zu sein. Nach Medienberichten gingen bis vor vergangener Woche führende Politiker in der spanischen Hauptstadt davon aus, dass die vorhandene Liquidität das Land noch über den Sommer gebracht hätte.
Erst im Herbst, so die Tageszeitung „EL Pais“, hätte man eine komplette Rettung durch die internationalen Rettungsmechanismen in Erwägung gezogen. Mit dem Druck an den Finanzmärkten, so wie den autonomen Regionen, die ihre Finanznot anmelden, sei dieses Szenario nun nicht mehr aufrecht zu erhalten. In der Öffentlichkeit möchte die Regierung in Madrid trotzdem nicht davon sprechen.
Auch der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos hält sich an diese Regelung fest. Auf die Frage, ob Spanien möglicherweise ganz unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen könnte, sagte Guindos am Montag: „Absolut nicht.“
Um dieses Schicksal abzuwenden, hat die spanische Regierung erst kürzlich ihre Sparanstrengungen weiter intensiviert. Das Parlament verabschiedet Mitte vergangener Woche ein 65-Milliarden schweres Sparpaket. Und gleich am Freitag mussten die verdutzten Politiker mit ansehen, dass die Anleihemärkte ihre Anstrengungen nicht honorierten.
Schäuble: Spanien nicht mit Griechenland vergleichen
Zumal die härteste Sparmaßnahmen in der Geschichte der spanischen Demokratie das Land im zweiten Quartal tiefer in die Rezession gedrückt hat. Die spanische Zentralbank hat am Montag in ihrem Monatsbericht mitgeteilt, dass die Wirtschaft um 0,4 Prozent im Quartalsvergleich geschrumpft ist. Spanien steht damit vor dem dritten Quartalsminus in Folge: In den beiden vorherigen Berichtsperioden ging die Wirtschaftsleistung um jeweils 0,3 Prozent zurück. Für 2012 erwartet die Regierung der viergrößten Volkswirtschaft der EU bislang einen Einbruch der Wirtschaftsleistung von 1,5 Prozent.
Wird Spanien das neue Griechenland? Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble möchte von solchen Vergleichen nichts wissen. „Das Land wird schnell wieder vorankommen“, sagte er der „Bild“-Zeitung vom Montag. Mit Hilfe des jüngst beschlossenen europäischen Hilfsprogramm für die spanischen Banken von maximal 100 Milliarden Euro werde das Bankensystem des Landes wieder stabiler und widerstandsfähiger, die Sparanstrengungen der spanischen Regierung werden nach Überzeugung Schäubles Früchte tragen.
Schäuble wird mit seinem spanischen Amtskollegen Luis de Guindos die Lage am Dienstag besprechen. Der spanische Minister kommt dann nach Berlin. Es ist ein Treffen, das nach Angaben der spanischen Regierung bereits seit geraumer Zeit geplant ist.
mit Material von dpa und Reuters