Stephans Spitzen

Da muss man durch. Thilo Sarrazins neues Buch

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"Wer aber fängt dereinst die Bundesrepublik auf?"

Natürlich gibt es kulturelle und kognitive Faktoren, die Menschen unterscheiden, und nicht all diese Unterschiede sind per „Inklusion“ oder „Integration“ einzuebnen. Auch fällt es schwer, nationale Differenzen zu leugnen, selbst unter Demokratien: Demokratie verträgt sich durchaus, wie in Griechenland, mit Klientelismus oder, wie in Haiti oder Nigeria, mit kleptokratischen Eliten. Dass es Deutschland nach zwei verlorenen Weltkriegen wieder geschafft hat, der wirtschaftliche Motor Europas zu sein, hat mit seinen institutionellen Traditionen ebenso zu tun wie mit dem Einfluss des Protestantismus, dem Humboldtschen Bildungsideal und der kreativen Konkurrenz aus der Zeit der Kleinstaaterei.

Das zu verstehen wäre hilfreich, wenn man schon über die Verbesserung der Welt nachdenkt. Es ist eben nicht egal, wo jemand herkommt, was er glaubt, was er gelernt oder nicht gelernt hat. Das mag traurig stimmen. Trauriger aber ist, Realität zu missachten, denn das macht unglücklich.

Dass Sarrazin der Einwanderungspolitik Angela Merkel keine Sympathie entgegenbringt, war zu erwarten. Wer hier nach „Stellen“ sucht, wird reich belohnt. Merkel habe „das größte Sozialexperiment Europas seit der Russischen Revolution“ gestartet, heißt es da, sie führe die Deutschen „in ein neues Abenteuer der Entgrenzung“, womit sie nicht nur den eigenen Nationalstaat, sondern auch Europa gefährde. Solchen Sätzen werden seine Anhänger applaudieren: „Wer“, schreibt Sarrazin, „schützt eigentlich ein Land, wenn seiner Regierung die Urteilskraft abhandengekommen ist? Die untergegangenen DDR wurde immerhin von der westdeutschen Bundesrepublik aufgefangen. Wer aber fängt dereinst die Bundesrepublik auf?“

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Das mag jemandem, der beständig ein „wir schaffen das“ auf den Lippen trägt, tatsächlich „finster“ vorkommen. Anderen dürfte es als wenig übertriebene Schilderung der Lage erscheinen.

Sarrazins Hauptthese zielt auf die große Lebenslüge, die die Willkommensgarde von Rotgrünschwarz  vor sich her trägt: man brauche Einwanderung (man bekommt ja „Menschen geschenkt“, so unübertroffen Katrin Göring-Eckard), schon aus Eigeninteresse, um nämlich die Schrumpfung der deutschen Bevölkerung aufzuhalten und damit den Wohlstand Deutschlands zu sichern.

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Doch es hat sich längst herumgesprochen, dass Einwanderung kein „Geschenk“ ist, solange sie völlig unkontrolliert vonstatten geht. (Verschenken kann man im übrigen höchstens Sklaven.) Einwanderer mit Aussicht auf ein erfolgreiches und gutes Leben in Deutschland, das auf Eigeninitiative und Arbeit beruht, müssen Qualifikationen mitbringen, die hierzulande gebraucht werden. (Von Menschen, die hier vorübergehend Schutz suchen, kann und darf das natürlich nicht erwartet werden.) Auf die schiere Menge kommt es nicht an, sondern auf das „kognitive Kapital“, das sie mitbringen. Nicht die Arbeitsmenge ist das Entscheidende, sondern die Arbeitsproduktivität, die sich auf Sozialisation, Intelligenz und Bildung stützt. Das kognitive Kapital aber, und da steht Sarrazin auf der Seite seriöser Bildungsforscher, ist nicht dort am höchsten, woher derzeit die meisten Zuwanderer kommen – im arabischen Raum.

Sarrazin war und ist auch in diesem Buch Politiker. Seine Polemik gehört im Grunde in den Bundestag, wo ja durchaus mit scharfen Geschützen operiert wird. Doch im Bundestag sitzt eben keine Opposition, die den Namen verdient.

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