US-Milliardär Wer hat Angst vor George Soros?

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Orbán gegen Soros

Sie zeterten nicht von Anfang an gegen Soros. Doch 2012, nachdem Desillusionierung über Orbán einzusetzen begonnen hatte und es keinen ernsthaften politischen Gegner gab, wandte sich der Ministerpräsident dem Milliardär zu. So beschreibt es der anonyme ehemalige ungarische Politiker. Zum Teil sei das auch deswegen geschehen, weil Orbán einst auf Soros und sein Geld gebaut hatte.

„Als Orbán begann, sich zu einer eher autoritären und weniger liberalen politischen Persönlichkeit zu verändern, begann er Soros zu hassen und verleugnete diesen Teil seiner Vergangenheit, als er von jemandem gefördert wurde, der sich um offene Gesellschaften kümmert,“ sagt er. „Das ist zum Teil persönlich.“

Die ungarische Regierungspartei geht drakonisch gegen NGOs vor, die Förderung aus dem Ausland erhalten; viele von ihnen erhalten tatsächlich Geld von den Open Society Foundations. Das Parlament des Landes verabschiedete zudem ein Gesetz gegen Universitäten mit ausländischen Verbindungen, und die Regierung insistiert, dies habe nichts mit Soros zu tun, der 1991 in Budapest die Central European University gegründet hatte.

Eine ähnliche Lage entfaltet sich derzeit in Rumänien, wo Dragnea und seine regierende Partei die Probleme ihres Landes Soros anlasten. „Diesen Kerlen in der Regierung ist klar, dass Soros keine Bedrohung darstellt,“ sagt Petrescu, der Leiter der Serendinno-Stiftung. „Aber sie ziehen daraus Nutzen – wie Sie wissen, waren die Oppositionsparteien während der Wahlen sehr schwach.“

Einige der NGOs, denen vorgeworfen wird, sie seien Soros-Marionetten, werden in der Tat von Open Society unterstützt. Aber bei anderen NGOs, die bezichtigt werden, mit Soros vernetzt zu sein werden, gibt es keine Verbindung. Cosmin Pojoranu, der in Bukarest die Pressearbeit einer NGO namens Funky Citizens macht, welche sich dafür einsetzt, Bürgerbeteiligung in der rumänischen Gesellschaft zu erhöhen, berichtete der Financial Times, dass er als Soros-Marionette tituliert worden sei.

„Die Leute haben keine Ahnung, dass es ein aufwendiges Ausschreibungsverfahren gibt, um an Zuschüsse zu kommen... Sich durchfragen und Förderungen an Land ziehen, Papierkram ausfüllen. Es ist nicht so, dass ich irgendwo ein Telefon habe und einfach mal so Soros anrufen kann,“ sagt er. Pojoranu bestätigt, dass er Zuschüsse aus dem Ausland bekommt, aber er sagt, das sollte keine Rolle spielen.

Einige Menschen stellen sich vor, „da sind fünf Leute in einer Wohnung, die können einfach bei Soros anrufen. Soros, ich meine, der ist so alt,“ sagt Pojoranu. Er ist entnervt von den ganzen Behauptungen, dass NGOs beeinflusst würden. „Wenn ihr keine handfesten Beweise habt, dann verpisst euch.“

Aber in Wirklichkeit spielt es keine Rolle, ob es einen handfesten Beweis gibt, denn die Arbeit von NGOs wird so oder so angegriffen. Soros, der Mann, mag in der Region nicht mehr den Einfluss haben, den er einmal hatte, aber Soros, der Mythos, das Gespenst, der Star jeder Verschwörung, spielt eine größere Rolle als je zuvor.

„Der wichtigste Nutzen von NGOs, und warum Bürger ihnen vertrauen und an sie glauben, ist ihre Redlichkeit,“ sagte Sandor Lederer, ein Aktivist der Korruptionsbekämpfung in Ungarn. „Das einzige, was dies zerstören kann, wäre der Nachweis, dass sie nur Marionetten fremder Interessen sind.“

Und doch ist Ungarn weiter gegangen, als von Soros unterstützte Organisationen anzugreifen; man konzentriert alle Energien auf Soros, den Mann. Die nationale Konsultation der ungarischen Regierung befragt erwachsene Bürger dazu, ob sie verschiedenen Aussagen zustimmen oder diese ablehnen: „Ein weiteres von George Soros' Zielen ist, Zuwanderern schwächere strafrechtliche Urteile für die von ihnen begangenen Verbrechen zu ermöglichen“ oder „Es gehört auch zum Soros-Plan, politische Angriffe auf jene Staaten zu veranlassen, die sich gegen Zuwanderung aussprechen, und diese streng zu bestrafen.“

Es ist, wie man es auch betrachten mag, ein eigentümlicher politischer Vorgang, angesichts dessen, dass es im Grunde eine Volksbefragung zu einem fast 90 Jahre alten Mann ist, der nicht in Ungarn lebt, um kein Amt kandidiert und nicht für die ungarische Zuwanderungspolitik verantwortlich ist.

Orbán „hat dies de facto zu seiner persönlichen Kampagne gegen George Soros gemacht,“ kommentiert Silber, die Sprecherin für Open Society. „Und George Soros empfindet das überhaupt nicht auf die gleiche Weise.“

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