WirtschaftsWoche: Frau von Daniels, die EU will mit dem Blockade-Statut Unternehmen verbieten, sich an die US-Sanktionen gegen Geschäfte mit dem Iran zu halten. Ist das der Beginn einer ernsthaften Auseinandersetzung?
Laura von Daniels: Sogar innerhalb der EU gibt es aktuell noch geteilte Ansichten darüber, ob diese Verordnung aus dem Jahr 1996 tatsächlich übertragbar ist auf die heutige Situation. Insofern würde ich erst einmal abwarten mit solch einer Bewertung.
Laut der EU-Kommission sollen die EU-Maßnahmen binnen zwei Monaten aktiviert werden. Das Ganze ist ein großer Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Ist er aus ihrer Sicht legitim?
Das hängt von den politischen Zielen ab, die die EU verfolgt. Bis jetzt sieht es so aus, als wolle die EU – vorangetrieben von Frankreich und mitgetragen von der Bundesregierung – Trumps Iran-Politik und seiner Drohung von Sekundärsanktionen gegen europäische Unternehmen etwas entgegensetzen. Insofern könnte das Blockade-Statut tatsächlich ein effektives Mittel sein, um europäische Unternehmen dazu zu bringen, sich an Vereinbarungen mit dem Iran zu halten.
Und die Unternehmen werden sich das einfach so gefallen lassen? Auf dem US-Markt werden sie ja trotz des Blockade-Status Probleme kriegen.
Ich rechne damit, dass die Unternehmen in solch einem Fall Schadensersatzklagen gegen die EU voranbringen. Letztlich wird wohl der Europäische Gerichtshof die Frage klären müssen, ob wir Unternehmen zwingen können, ihr Iran-Geschäft aufrechtzuerhalten, auch wenn das für sie große, negative Konsequenzen auf dem US-Markt mit sich bringt.
Zur Person und dem Blocking Statute
Laura von Daniels ist stellvertretende Forschungsgruppenleiterin Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie beschäftigt sich mit der Wirtschaftspolitik der USA, den Bedingungen der US-Außenwirtschaftspolitik und mit Finanzmarktregulierungen.
Die EU-Kommission hat Maßnahmen zum Schutz europäischer Firmen gegen US-Sanktionen beim Handel mit dem Iran eingeleitet. Die Brüsseler Behörde begann am Freitag damit, das sogenannte Blocking Statute (Blockade-Statut) von 1996 zu reaktivieren. Die EU-Maßnahmen würden innerhalb von zwei Monaten greifen, sofern das EU-Parlament und die Mitgliedsländer dies nicht zurückwiesen, teilte die EU-Kommission mit. Die Verordnung könne aber auch früher aktiviert werden, wenn es dafür eine starke politische Unterstützung gebe.
Mit dem Blockade-Statut ist EU-Firmen verboten, sich an jene Sanktionen zu halten, die von den USA nach ihrem Austritt aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran angedroht wurden. Zudem werden keine US-Strafmaßnahmen gegen Firmen anerkannt, die Handel mit dem Iran betreiben. Die EU-Kommission hatte die Aktivierung der Regelung am Donnerstag nach dem Treffen der 28 EU-Staats- und Regierungschefs in Sofia angekündigt. Anders als US-Präsident Donald Trump will die EU am Atom-Abkommen mit dem Iran festhalten.
Die EU will Unternehmen für möglicherweise entstehende Kosten und Verluste entschädigen. Wie könnte das aussehen?
Noch ist vollkommen ungeklärt, wie die EU Unternehmen kompensieren will, wenn sie sich nicht an die US-Sanktionen halten und dann Verluste einfahren. Vor allem, wie der mögliche Verlust des Zugangs zum US-Finanzmarkt entschädigt werden soll, ist unklar. Die Nachteile der US-Sanktionen überwiegen heute die Vorteile des Iran-Geschäfts, vor allem aus Sicht der Banken.
Was für Summen könnten da auf die EU zukommen?
Das hängt von den erwarteten Gewinnen ab – so etwas ist immer schwer zu berechnen. Aber zwecks Orientierung: Deutschland und Frankreich sind in der EU die beiden großen Handelspartner Irans. Deutschland hatte im vergangenen Jahr ein Exportvolumen von drei Milliarden Euro mit Iran, Frankreich eines von 1,5 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass gerade französische Unternehmen zuletzt stark im Iran investiert haben – die Firma Total alleine hat fünf Milliarden Euro in ein Gasfeld dort gesteckt.
„Die EU-Strategie gegen Trump ist naiv“
Wie sehen die historischen Erfahrungen mit Sekundärsanktionen aus?
Als die US-Regierung 2010 und 2011 ihre Sanktionen gegen Dritte, die mit dem Iran Geschäfte machen, erheblich verschärft und auf Finanztransaktionen ausgeweitet hat, haben sich die Unternehmen aus Iran zurückgezogen. Was passiert, wenn sich Unternehmen nicht an die US-Regeln halten, haben wir anhand der kostspieligen Strafen gegen Banken wie Barcleys, HSBC und Lloyds gesehen.
Glauben Sie, die USA lassen sich beeindrucken von der EU-Maßnahme?
In Anbetracht des großen politischen und öffentlichen Drucks, den die USA auf Europa und insbesondere auf die Bundesregierung ausüben, scheinen sie zumindest kein Interesse an einem Kräftemessen mit der EU zu haben. Die Tatsache, dass der gerade vom Kongress berufene neue US-Botschafter in Deutschland gleich in seinem ersten Interview über die Umsetzung der Iran-Sanktionen spricht, zeigt an, dass die USA den Druck auf die deutschen Unternehmen erhöhen.
Und die sollen dann wiederum Druck auf die Bundesregierung ausüben.
Sobald deutsche Unternehmen durch die US-Sanktionen unter Druck geraten, wird in der innenpolitischen Debatte die Frage aufkommen, ob die Geschäfte mit dem Iran es wirklich wert sind, die Handelsbeziehungen mit den USA zu verschlechtern.
Sehen Sie eine bessere Alternative zum Blockade-Statut?
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der iranische Außenminister Dschawad Sarif haben bereits bei ihrem Aufeinandertreffen gemeinsame Schritte vorgeschlagen, um das Geschäft im Iran zu erhalten. Die EU möchte Investitionen in dem Land fördern, eigene Bank- und Versicherungsaktivitäten aufbauen und den Handel erhalten.
Aber ohne das Blockade-Statut werden sich dafür kaum Unternehmen finden lassen.
Im Grunde kann das nur mit anderen Partnern laufen. Die EU müsste geschlossen gegen die US-Interessen einstehen und ein eigenes Finanzierungsgeschäft aufbauen, Bankgeschäfte abwickeln über Banken, die nicht oder nicht mehr auf den US-Markt tätig sind und daher keinen Schaden nehmen könnten.
Mit Material von Reuters