Ein Jahr wie dieses hat Rainer Maass noch nie erlebt. Seit 32 Jahren leitet er die Personalarbeit beim Ulmer Mittelständler Liqui Moly, Hersteller von Schmierstoffen und Motorölen. Keine einfache Branche. Der schwankende Ölpreis beeinflusst das Geschäft massiv. Als im Jahr 2010 die Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko explodierte, traf das auch die Firma in weit entfernten Baden-Württemberg. Aber 2022, sagt Maass, ist anders: „Wir sind Getriebene – von der Weltlage und unseren Lieferanten.“ Liqui Moly musste das lukrative Russlandgeschäft aufgeben, die Lieferanten des Mittelständlers erhöhen stetig die Preise. „Wir müssen heute viel intensiver kalkulieren, was wir den Mitarbeitern ermöglichen können – ohne uns selbst in Gefahr zu bringen“, sagt Maass.
Was für Liqui Moly gilt, gilt für sämtliche Unternehmen, die mit Öl und Gas handeln. Nie standen sie so sehr im Fokus der Geopolitik. Nie haben sie so hohe Gewinne verzeichnet oder so drastische Verluste hinnehmen müssen. Denn während die größten Ölkonzerne der Welt wie Shell oder BP im zweiten Quartal des Jahres ihre bisherigen Rekordgewinne um mehrere Milliarden übertrafen, weil sie ihr Öl zu viel höheren Preisen loswurden, schlitterte so manches Gasunternehmen in die Krise, weil die Lieferungen aus Russland ausblieben. Der Düsseldorfer Gasimporteur Uniper musste erst im September vom Bund übernommen werden.
Aus Sicht der Mitarbeiter bedeutet diese Gemengelage: Die einen könnten ihre Belegschaften am Erfolg beteiligen. Die anderen sparen bei den Gehaltserhöhungen womöglich. Wie sich die Gehälter tatsächlich entwickelt haben, zeigt der große Gehaltsreport, den die Personalberatung Korn Ferry exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat. Dafür hat das Unternehmen mehr als 360.000 Gehaltsdatensätze aus 764 Unternehmen analysiert. Die Zahlen stammen aus den Branchen Chemie, Konsumgüter, Pharma und Gesundheit, Automobil, Öl und Gas, Industrie und Maschinenbau – und sind nach Abteilungen untergliedert, also etwa Personal, Produktion oder IT. Korn Ferry sammelte die Daten bis Ende August.
Und tatsächlich sind die Gehälter in keiner anderen Branche in einzelnen Unternehmensbereichen zuletzt so stark gestiegen wie in der Öl- und Gasbranche. Über alle Jobpositionen hinweg verdienen Berufseinsteiger mit einem Hochschulabschluss sowie Facharbeiter in leitenden Funktionen in der Branche 85.265 Euro – fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Führungskräfte im mittleren Management und Experten mit langjähriger Berufserfahrung erhalten im Mittel 136.760 Euro. Das sind zwei Prozent mehr als im Vorjahr.
Unter den sechs Branchen, die Korn Ferry untersucht hat, lag das Zielgehalt der Führungskräfte im mittleren Management und der erfahrenen Experten nur in der Chemiebranche über dem Wert, den Ölunternehmen und Gaskonzerne im Mittel zahlen. Und die Erhöhung bei den Akademikern und Facharbeitern fiel in keiner anderen Branche so hoch aus.
Die wichtigsten Tipps für Gehaltsverhandlungen
Überraschen Sie Ihren Vorgesetzten nicht mit einer Gehaltsforderung. Vereinbaren Sie ein Gespräch und machen Sie deutlich, dass Sie über eine Gehaltserhöhung sprechen möchten. Der beste Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung bietet sich vor allem dann an, wenn Sie ein Projekt erfolgreich abgeschlossen, einen Neukunden gewonnen haben oder die Personalbudgets erhöht wurden.
Sammeln Sie im Vorfeld schlagkräftige Argumente für die Gehaltsverhandlung. Welche Erfolge haben Sie seit Ihrer letzten Gehaltserhöhung erzielt? Hat sich Ihr Aufgabenbereich verändert? Haben Sie Teamverantwortung oder Aufgaben, die nicht direkt zu Ihrem Verantwortungsbereich gehören, übernommen? Ihre Argumente müssen Ihre Forderung stützen, wenn Sie wollen, dass sie erfüllt wird.
Informieren Sie sich über marktübliche Gehälter von Fachkräften mit ähnlicher Qualifikation und Berufserfahrung.
Ist aktuell keine monetäre Gehaltserhöhung möglich, sollten Sie nach Zusatzleistungen oder anderen Verbesserungen, wie Zuschüsse zur Weiterbildung, mehr Urlaub oder flexible Arbeitszeiten, fragen. Zeigen Sie Ihrem Arbeitgeber, dass Sie eine Lösung finden möchten, die für beide Seiten akzeptabel ist.
Wichtig ist, bleiben Sie während des gesamten Gesprächs freundlich und professionell. Dies gilt insbesondere dann, wenn aus bestimmten Gründen derzeit keine Gehaltserhöhung möglich ist. Fragen Sie, wann der richtige Zeitpunkt ist, das Thema erneut anzusprechen. Und in der Zwischenzeit sollten Sie weiter daran arbeiten, Ihre Performance zu verbessern und Ideen einzubringen, die das Unternehmen voranbringen.
In manchen Jobs fallen Erhöhungen aus
Doch tatsächlich klaffen die Gehälter und vor allem die Gehaltssteigerungen in den verschiedenen Jobpositionen jedoch weit auseinander. Während die jungen Akademiker in der Finanzabteilung 23 Prozent und in der Personalabteilung 20 Prozent mehr erhielten, gab es für diese Mitarbeiter in der Produktion im Mittel gar keine Gehaltserhöhung. Diese Werte beziehen sich auf das Zielgehalt, das aus einem fixen Grundgehalt besteht und aus einem variablen Anteil, der gezahlt wird, wenn vereinbarte Ziele erreicht werden.
Erfahrene Personalmanager durften sich über sieben Prozent mehr freuen, Qualitätsmanager und Vertriebsmanager erhielten ebenfalls keine Gehaltserhöhungen. Christine Seibel arbeitet als Vergütungsexpertin bei Korn Ferry und betreut die Auswertung bei der Personalberatung. Sie überrascht es nicht, dass die Gehälter in manchen Jobgruppen zuletzt nicht gestiegen sind: „Den Ölkonzernen geht es recht gut. Die Branche hat schon immer gut verdient und entsprechend hohe Gehälter gezahlt – das ist nicht neu“, sagt Seibel.
Tatsächlich ist die Zurückhaltung bei den Gehältern auch aufgrund der innenpolitischen Lage nicht überraschend: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Zufallsgewinne zum Teil abzuschöpfen. Und anders als Mittelständler Liqui Moly wollte sich etwa Shell nicht auf Anfrage der WirtschaftsWoche äußern.
Alle Ergebnisse im Überblick: Der große Gehaltsreport 2022 zeigt, wo es die besten Löhne gibt.