Gewinner und Verlierer der Krise So viel verdienen Beschäftigte in der Öl- und Gasindustrie

Junge Qualitätsmanager verdienen in der Öl- und Gasbranche drei Prozent mehr als im Vorjahr. Quelle: imago images

Die einen scheffeln Milliarden, die anderen müssen vom Staat gerettet werden. Der große Gehaltsreport zeigt, wie sich die Löhne in Gasunternehmen entwickelt haben – und ob Ölkonzerne ihre Gewinne weitergeben.

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Ein Jahr wie dieses hat Rainer Maass noch nie erlebt. Seit 32 Jahren leitet er die Personalarbeit beim Ulmer Mittelständler Liqui Moly, Hersteller von Schmierstoffen und Motorölen. Keine einfache Branche. Der schwankende Ölpreis beeinflusst das Geschäft massiv. Als im Jahr 2010 die Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko explodierte, traf das auch die Firma in weit entfernten Baden-Württemberg. Aber 2022, sagt Maass, ist anders: „Wir sind Getriebene – von der Weltlage und unseren Lieferanten.“ Liqui Moly musste das lukrative Russlandgeschäft aufgeben, die Lieferanten des Mittelständlers erhöhen stetig die Preise. „Wir müssen heute viel intensiver kalkulieren, was wir den Mitarbeitern ermöglichen können – ohne uns selbst in Gefahr zu bringen“, sagt Maass.

Was für Liqui Moly gilt, gilt für sämtliche Unternehmen, die mit Öl und Gas handeln. Nie standen sie so sehr im Fokus der Geopolitik. Nie haben sie so hohe Gewinne verzeichnet oder so drastische Verluste hinnehmen müssen. Denn während die größten Ölkonzerne der Welt wie Shell oder BP im zweiten Quartal des Jahres ihre bisherigen Rekordgewinne um mehrere Milliarden übertrafen, weil sie ihr Öl zu viel höheren Preisen loswurden, schlitterte so manches Gasunternehmen in die Krise, weil die Lieferungen aus Russland ausblieben. Der Düsseldorfer Gasimporteur Uniper musste erst im September vom Bund übernommen werden.

Aus Sicht der Mitarbeiter bedeutet diese Gemengelage: Die einen könnten ihre Belegschaften am Erfolg beteiligen. Die anderen sparen bei den Gehaltserhöhungen womöglich. Wie sich die Gehälter tatsächlich entwickelt haben, zeigt der große Gehaltsreport, den die Personalberatung Korn Ferry exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat. Dafür hat das Unternehmen mehr als 360.000 Gehaltsdatensätze aus 764 Unternehmen analysiert. Die Zahlen stammen aus den Branchen Chemie, Konsumgüter, Pharma und Gesundheit, Automobil, Öl und Gas, Industrie und Maschinenbau – und sind nach Abteilungen untergliedert, also etwa Personal, Produktion oder IT. Korn Ferry sammelte die Daten bis Ende August.

Der große Vergütungsreport: In diesen Branchen und Jobs steigen die Gehälter stärker als die Inflation – und hier verzeichnen Angestellte Einbußen.
von Dominik Reintjes, Niklas Hoyer

Und tatsächlich sind die Gehälter in keiner anderen Branche in einzelnen Unternehmensbereichen zuletzt so stark gestiegen wie in der Öl- und Gasbranche. Über alle Jobpositionen hinweg verdienen Berufseinsteiger mit einem Hochschulabschluss sowie Facharbeiter in leitenden Funktionen in der Branche 85.265 Euro – fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Führungskräfte im mittleren Management und Experten mit langjähriger Berufserfahrung erhalten im Mittel 136.760 Euro. Das sind zwei Prozent mehr als im Vorjahr.

Unter den sechs Branchen, die Korn Ferry untersucht hat, lag das Zielgehalt der Führungskräfte im mittleren Management und der erfahrenen Experten nur in der Chemiebranche über dem Wert, den Ölunternehmen und Gaskonzerne im Mittel zahlen. Und die Erhöhung bei den Akademikern und Facharbeitern fiel in keiner anderen Branche so hoch aus.

Die wichtigsten Tipps für Gehaltsverhandlungen

In manchen Jobs fallen Erhöhungen aus

Doch tatsächlich klaffen die Gehälter und vor allem die Gehaltssteigerungen in den verschiedenen Jobpositionen jedoch weit auseinander. Während die jungen Akademiker in der Finanzabteilung 23 Prozent und in der Personalabteilung 20 Prozent mehr erhielten, gab es für diese Mitarbeiter in der Produktion im Mittel gar keine Gehaltserhöhung. Diese Werte beziehen sich auf das Zielgehalt, das aus einem fixen Grundgehalt besteht und aus einem variablen Anteil, der gezahlt wird, wenn vereinbarte Ziele erreicht werden.

Erfahrene Personalmanager durften sich über sieben Prozent mehr freuen, Qualitätsmanager und Vertriebsmanager erhielten ebenfalls keine Gehaltserhöhungen. Christine Seibel arbeitet als Vergütungsexpertin bei Korn Ferry und betreut die Auswertung bei der Personalberatung. Sie überrascht es nicht, dass die Gehälter in manchen Jobgruppen zuletzt nicht gestiegen sind: „Den Ölkonzernen geht es recht gut. Die Branche hat schon immer gut verdient und entsprechend hohe Gehälter gezahlt – das ist nicht neu“, sagt Seibel.

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Tatsächlich ist die Zurückhaltung bei den Gehältern auch aufgrund der innenpolitischen Lage nicht überraschend: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Zufallsgewinne zum Teil abzuschöpfen. Und anders als Mittelständler Liqui Moly wollte sich etwa Shell nicht auf Anfrage der WirtschaftsWoche äußern.

Alle Ergebnisse im Überblick: Der große Gehaltsreport 2022 zeigt, wo es die besten Löhne gibt.

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