Neue Deutsche Welle Das Festspielstädtchen Bayreuth als Vorbild

Hartmut Egger erforscht den Einfluss der Weltwirtschaft auf die Arbeitsmärkte - mit bahnbrechendem Erfolg. Ideale Inspiration findet er im Festspielstädtchen Bayreuth.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ökonom Hartmut Egger Quelle: Uwe Mühlhäuser für WirtschaftsWoche

Im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel wird der Schlussakkord kaum verhallt sein, wenn sich Politiker und Schickeria schon wieder auf der Reise zurück in die Metropolen befinden. Doch auch ohne sie pulsiert das Leben im 70.000-Einwohner-Städtchen munter weiter. Denn neben Wagners Opern hat Bayreuth auch eine kleine, aber renommierte Universität zu bieten, die für einen ständigen Zustrom an Studenten und Wissenschaftlern sorgt. In den traditionsreichen Brauereien am Ort tummeln sich daher das ganze Jahr über Gäste aus aller Welt. Einer der vielen Bildungszuwanderer ist der Österreicher Hartmut Egger, seines Zeichens Globalisierungsforscher und seit rund zwei Jahren Professor für Makroökonomie an der hiesigen Fakultät für Recht und Wirtschaft.

Der erst 35-jährige Ökonom ist ein Glücksgriff selbst für den handverlesenen Lehrkörper der Bayreuther Universität, die in einschlägigen Hochschulrankings weit oben steht. In der Fachwelt hat er bereits einen außerordentlichen Ruf; Wissenschaftspreise pflastern seinen Weg. Das neueste Stück in Eggers Trophäenschrank ist der „Excellence Award in Global Economic Affairs“. Den erhielt er im Juni vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) wegen seiner herausragenden Forschung zum Einfluss der Globalisierung auf die Arbeitsmärkte. Doch schon steht das nächste Projekt an. Es dreht sich um die Internationalisierung von Gewerkschaften und passt perfekt in das Spezialgebiet des Jungökonomen. „Es ist ein Rätsel, warum sich Arbeitnehmer bisher kaum über Grenzen hinweg zusammengeschlossen haben, während die Unternehmen längst weltweit operieren“, sagt Egger. Bei der jüngsten Streikwelle der deutschen Opel-Mitarbeiter jedoch solidarisierten sich die Belegschaften belgischer Werke plötzlich mit den Kollegen in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach. Wird dieses Beispiel international konzertierter Arbeitskämpfe Schule machen – und was wären die Folgen für die Tarifpolitik? Egger will es herausfinden.

Weitblick der Eltern

Es wäre nicht die erste Nuss, die der Wissenschaftler knackt. Ein Blick auf die lange Publikationsliste enthüllt das Geheimnis seiner akademischen Durchschlagskraft: Egger arbeitet zielstrebiger und fokussierter als die meisten Konkurrenten auf dem Wissensmarkt. Bereits lang vor seiner Dissertation im Jahr 2004 griff er mit der Globalisierung ein Thema auf, das nicht nur Akademikern Kopfzerbrechen bereitet, sondern auch in der Öffentlichkeit heiß diskutiert wird. Die außergewöhnliche Karriere verdankt er jedoch auch dem Weitblick seiner Eltern. Die schufteten als Metzger und Gastwirte in der österreichischen Heimatstadt Enns, ermöglichten aber trotzdem -allen vier Kindern die besten Bildungschancen. Statt wie damals üblich im Familienbetrieb eingespannt zu werden, darf Egger aufs Gymnasium und erlangt 1993 die Hochschulreife. Nach dem Volkswirtschaftsstudium in Linz und Wien geht er 1999 als Doktorand nach Regensburg und Zürich. Ein Forschungsaufenthalt am Münchner ifo Institut führt ihn schließlich nach Bayreuth, wo er seinen ersten Lehrstuhl übernimmt.

„Ich fühle mich hier sehr wohl, denn die Kollegen räumen mir viele Freiheiten für die Forschung ein“, sagt Egger. Um dieses Privileg muss der Ökonom allerdings kämpfen, denn auch die Pflicht zur Lehre ruft – und der Fokus auf die Forschung fordert seinen Preis. Eggers Studenten werden nach ihrem Abschluss zwar behaupten können, bei einer Koryphäe in die Lehre gegangen zu sein. Doch die wenigsten Vorlesungen dürften sie beim Professor selbst gehört haben.

Nah dran an seinen Studenten bleibt der forschungsbegeisterte Egger trotzdem – manchmal sogar näher, als diese es vermuten. Jüngst platzte ein frisch Immatrikulierter ins Lehrstuhlsekretariat und orderte lässig ein Vorlesungsskript bei einer vermeintlichen Hilfskraft. Diese jedoch entpuppte sich als Egger höchstpersönlich, der dem Verdutzten das gewünschte Lernmaterial sogleich augenzwinkernd aushändigte. So etwas erleben Studenten eben nur in Bayreuth.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%