Preispolitik Bezahl doch, was du willst!

Wenn nicht das Unternehmen, sondern der Kunde den Preis bestimmt, wird es für den Anbieter schwierig, den Profit zu beeinflussen. Spendenorganisationen setzen auf sozialen Druck und veröffentlichen häufig Spender und Summe. Doch kann das auch auf dem Onlinemarkt funktionieren?

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Spenden mit Gegenleistung – in der Ökonomie heißt diese Preispolitik Pay-What-You-Want (PWYW). Quelle: dpa

Ein Umzug mit dem gesamten Unternehmen steht an. Auf einem Sammeltisch im Foyer der Firma werden Bücher und Taschen, Kugelschreiber, Küchenutensilien und sonstige Überbleibsel deponiert, die es nicht ins neue Gebäude schaffen. Jeder Mitarbeiter darf zugreifen, und wieviel jeder für die Sachen geben möchte, darf er oder sie selbst entscheiden. Ein Mitarbeiter greift sich zwei Bücher und ein Elektrogerät im Wert von circa 50 Euro – und steckt verschämt zwei Euro in den dafür vorgesehenen Schuhkarton.

Spenden mit Gegenleistung – in der Ökonomie heißt diese Preispolitik Pay-What-You-Want (PWYW). Nicht das Unternehmen, sondern der Konsument bestimmt den Preis. Vor allem in Museen, Zoos und Restaurants experimentieren Anbieter mit diesem System, aber auch manche Onlinehändler nutzen diese Strategie. Solche Unternehmen sind, auch wenn sie keine Festpreise setzen, natürlich trotzdem daran interessiert, den vom Kunden bezahlten Betrag zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Bei klassischen Spendenmodellen und PWYW-Situationen in der analogen Welt kann ein Anbieter sich dabei sozialen Druck und soziale Anerkennung zu Nutze machen: Diverse Experimente und Studien haben gezeigt, dass der Spendenbetrag steigt, wenn Betrag und Spender publik gemacht werden.

Ob die strategische Nutzung von sozialem Druck auch bei Onlinehändlern mit PWYW-Bezahlsystem funktioniert, haben die Ökonomen Tobias Regner und Gerhard Riener jetzt in einer Studie des Düsseldorfer Institute for Competition Economics (DICE) untersucht. Anlass war eine reale Situation, die Regner und Riener im Feld beobachten konnten: Der Online-Musikhändler Magnatune aus Kalifornien nahm sich das System der Spendenorganisationen zum Vorbild – und scheiterte kläglich. Unter dem Motto „We are not evil“ grenzte sich die Plattform mit dem PWYW-System von anderen Musikanbietern ab und erzielte über mehrere Jahre steigende Umsätze.

Um diese noch weiter in die Höhe zu treiben stieg das Unternehmen dann auf die Taktik von Spendenorganisationen um und begann, die Emailadresse des Käufers sowie den von ihm gezahlten Betrag bekanntzugeben. Es folgte ein Umsatzeinbruch von mehr als 25 Prozent. Das lag jedoch nicht an den gezahlten Beträgen – diese blieben bei rund acht Dollar pro Album – sondern daran, dass die Nutzer den Anbieter wechselten. Die Forscher nahmen die ihnen von Magnatune zur Verfügung gestellten Daten als Anlass für ein Laborexperiment. „Wir haben an Magnatune gesehen, dass die Leute, sobald der PWYW-Händler ihre Email-Adresse und Namen veröffentlicht, zum Fixpreishändler wechseln, auch wenn sie dort einen höheren Preis für das Gut bezahlen müssen“, erklärt Gerhard Riener. „Wir konnten diese These durch das Laborexperiment bestätigen.“

Sozialer Druck kann funktionieren

Am Experiment nahmen insgesamt 136 Studenten teil, in zwei verschiedenen Gruppen. Jeder Teilnehmer erhielt zu Beginn des Experiments ein Startguthaben von drei Euro. Ihnen allen wurde ein künstliches Gut angeboten, das einen variierenden Wert zwischen zwei und zehn Euro hatte. Jeder konnte frei wählen, das Gut entweder bei einem Händler mit PWYW-System oder einem Händler mit Festpreis-System zu kaufen.

Beim Festpreis-Händler hatte das Gut einen konstanten Preis von vier Euro, während der Wert des Gutes, der den Teilnehmern am Ende des Experiments ausgezahlt wurde, variierte. Beim PWYW-Händler konnten sie den Preis selbst bestimmen, auch hier variierte der Wert des Gutes von Teilnehmer zu Teilnehmer. Das Gut vom PWYW-Händler zu beziehen und nichts dafür zu zahlen, wurde damit zur gewinnmaximierenden Strategie.

In der Kontrollgruppe blieben die Käufer bei beiden Händlern anonym. In der Experimentgruppe mussten die Teilnehmer beim PWYW-Händler ihre Anonymität aufgeben, blieben beim Festpreis-Händler jedoch anonym. „Wenn den Teilnehmern ihre Privatsphäre völlig egal gewesen wäre, wären sie in der Experimentgruppe nicht zum Fixpreis-Händler abgewandert, da es rein rechnerisch vorteilhafter war, beim PWYW-Händler zu kaufen“, erklärt Riener. Das Gegenteil war jedoch der Fall und die These, dass der Bruch der Anonymität die Nutzer vom PWYW-Händler zu den Fixpreis-Händlern wechseln lässt, bestätigt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe verringerte sich der Anteil der Teilnehmer, die beim PWYW-Händler kauften, um 35 Prozent.

Der bezahlte Preis von den verbleibenden Konsumenten veränderte sich hingegen kaum. Sozialer Druck durch das Aufheben der Anonymität hat im Bereich PWYW-Onlinemarkt also den gegenteiligen Effekt wie im Bereich der Spendenorganisationen und ist daher keine erfolgreiche Strategie. „Unternehmen müssen darauf achten, wie sie mit privaten Informationen ihrer Kunden umgehen. Die Leute geben ihre Informationen zwar gerne an, bei Facebook oder ähnlichen Plattformen, aber diese Informationen auch strategisch zum Firmenvorteil zu verwenden, das halte ich für wenig vorteilhaft“, sagt Riener.

Im Fall Sammeltisch kann sozialer Druck hingegen funktionieren. Hätte statt der anonymen Box ein Mitarbeiter die Kollegen aufgefordert, sich am Tisch zu bedienen und dafür einen Betrag ihrer Wahl zu zahlen, dann hätte auch der Kollege mit dem Elektrogerät anders reagiert, glaubt Riener: „Der Herr hätte durch den hiermit erzeugten sozialen Druck sicher mehr als zwei Euro gegeben“

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