Staatsanleihen Bundesbank-Vize will Anleihenkauf von Banken deckeln

Banken sollen nur eine bestimmte Anzahl an Staatsanleihen ihres Landes kaufen können. Das fordert die Vizepräsidentin der Bundesbank in einem Interview. Sie glaubt, dass dies das Vertrauen der Märkte steigert.

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Sabine Lautenschläger, Vizepräsidentin der Bundesbank, fordert, dass Banken nicht unbegrenzt Staatsanleihen kaufen können. Quelle: Reuters

Frankfurt Die Bundesbank will das Schicksal der Geldhäuser durch eine Obergrenze für Staatskredite vom Wohl und Wehe ihrer Heimatstaaten abkoppeln. „Für die Staatsfinanzierung sollten mittelfristig Großkreditgrenzen und eine Eigenmittelunterlegung eingeführt werden, die das Risiko adäquat widerspiegelt“, sagte die für die Bankenaufsicht zuständige Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview. „Letztlich würde ein derartiger Schritt die Widerstandsfähigkeit der Banken und damit das Vertrauen der Märkte steigern.“ In der Schuldenkrise hatten sich Institute vor allem aus Spanien und Italien mit hochverzinsten Staatsanleihen ihrer Länder vollgesogen und sich damit noch stärker von der Zahlungsfähigkeit der Staaten abhängig gemacht.

Lautenschläger, die dem Baseler Ausschuss für Finanzaufsicht angehört, zeichnet damit den nächsten Reformschritt vor. Selbst das vor der Einführung stehende Regelwerk „Basel III“ betrachtet alle Staatsanleihen trotz der Erfahrungen der vergangenen Jahre als grundsätzlich risikolos, so dass Banken kein Eigenkapital dafür hinterlegen müssen. „Hier setzt die Regulierung falsche Anreize“, sagte die Bundesbank-Vizepräsidentin. Eine schnelle Lösung ist aber nicht in Sicht. „Kreditinstituten wie Staaten muss Zeit gegeben werden, sich darauf einzustellen, wie etwa mit Hilfe von Übergangsfristen.“ Konkrete Pläne gebe es im Baseler Ausschuss, der Kapital- und Liquiditätsvorschriften für die wichtigsten Finanzplätze der Welt ausarbeitet, noch nicht.

In der Finanzierung von Städten und Gemeinden schlagen sich die neuen Basel-III-Vorschriften schon nieder. Das Geschäft mit den Kommunalkrediten lohnt sich für viele Banken nicht mehr, seit ihnen eine Verschuldungsobergrenze ins Haus steht. „Mit der Leverage Ratio wird die Kommunalfinanzierung vermutlich deutlich teurer werden. Ein Ausgleich der geringen Margen durch ein hohes Geschäftsvolumen wird dann nicht mehr möglich sein“, sagte die Bundesbank-Vizepräsidentin.

In den USA, aber auch in der EU stockt die Umsetzung von Basel III in geltendes Recht. „Es ist sehr wichtig, dass Basel III so schnell wie möglich in Kraft tritt – ich wünsche mir das für das nächste Jahr“, drängte Lautenschläger. Sie forderte die EU auf, den Starttermin zu fixieren. „Für mich ist wichtig, dass die Diskussion jetzt zum Ende kommt. Nicht alles ist perfekt, aber die Richtung ist die richtige.“ Danach brauchten die Banken und die europäische Bankenaufsicht EBA einige Monate, um sich vorzubereiten. „Ob es dann Sommer oder Winter wird, ist nicht so wichtig.“

In den USA und bei Wissenschaftlern waren sogar Forderungen laut geworden, die vor zwei Jahren festgezurrte Reform zu verwerfen, weil sie zu kompliziert sei. „Manche wünschen sich eine einfachere Regulierung: schlichte Kennziffern statt komplexer Risikomodelle“, so Lautenschläger. Doch davon hält sie wenig: „Die Eigenmittelunterlegung sollte sich nach den Risiken der Geschäfte ausrichten, und mit der Risikobewertung steigt die Komplexität der Regulierung.“ Die US-Vertreter hätten im Baseler Ausschuss bekräftigt, dass sie Basel III einführen wollten. Doch Lautenschläger zweifelt an einem zügigen Start: „Ein Datum konnten sie noch nicht nennen.“ Für die meisten Regeln sind Übergangsfristen bis 2019 vorgesehen.

Den deutschen Banken attestiert die Aufseherin Fortschritte: „Wir haben eine ganze Menge geschafft. Die deutschen Institute sind Ende 2012 im Großen und Ganzen bedeutend besser aufgestellt als sie es 2008 oder 2009 waren. Aber das eine oder andere hat noch seine Schwächen. Die Banken, aber auch die Aufsicht sind ein gutes Stück Weges vorangeschritten - am Ziel sind wir noch nicht angekommen.“ In Deutschland teilt die Bundesbank sich die Bankenaufsicht mit der BaFin.

Die billionenschweren Liquiditäts-Spritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) Anfang 2012 hätten die Anspannung unter den Banken etwas gelöst. „Wir sind aber noch lange nicht so weit, dass der Interbankenmarkt so funktioniert wie vor der Krise“, sagte Lautenschläger. Doch womöglich sollte er das gar nicht. Ein Zurück zu alten Gepflogenheiten, als die Banken einander fast unbegrenzt und ohne Sicherheiten Geld liehen, berge nämlich auch Gefahren. „Die Banken haben das Liquiditätsrisiko vor der Krise völlig unterschätzt; so unbedarft sollte keine Bank mehr sein.“ Die Geldhäuser müssten sich aber wieder ohne Notmaßnahmen der EZB refinanzieren können, das sei das Ziel.

Um zu verhindern, dass den Banken abrupt das Geld ausgeht, wenn der Markt in der Krise austrocknet, wollen die Aufseher 2015 neben den Kapitalregeln Mindestliquiditätsquoten einführen. Doch über Einzelheiten wird noch gefeilscht, im Dezember war eine Einigung im Baseler Ausschuss gescheitert. Es gehe darum, welche Papiere als so liquide eingestuft werden, dass sie als Liquiditätspolster gelten können. An dem Grundsatz, dass die Banken 60 Prozent ihrer Liquiditätsreserven in erstklassigen Staatsanleihen und Bargeld halten müssen, werde sich aber wohl nichts mehr ändern, stellte Lautenschläger klar.

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