Wirtschaftsweiser Bei Brexit droht keine zweite Lehman-Krise

In der EU bleiben oder sie verlassen? In gut einer Woche müssen britische Wähler diese Frage beantworten. Wirtschaftsexperten warnen vor einem Austritt. Und doch: so schlimm wie 2008 dürfte ein Brexit nicht werden.

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Die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit würden vor allem der britischen Wirtschaft wehtun, glauben Experten. Quelle: dpa

Berlin Noch acht Tage bleiben den englischen Wählern, um sich für oder gegen eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu entscheiden. Was hätte ein möglicher Austritt Großbritanniens für wirtschaftliche Folgen? Zwei Wirtschaftsexperten haben sich zu dieser Frage geäußert: der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, und Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret. Beide warnen vor den wirtschaftlichen Auswirkungen eines Austritts.

„Für die Realwirtschaft würde ein Brexit kurz- und mittelfristig voraussichtlich erhebliche Wachstumseinbußen für Großbritannien nach sich ziehen, unter anderem durch die Wirkung von negativen Vertrauenseffekten und Einbußen beim internationalen Handel”, sagte Schmidt der „Rheinischen Post”.

Dennoch erwartet er keine Wiederholung der Lehman-Krise: „Man sollte bei aller Sorge den kühlen Kopf nicht verlieren, eine derartige Episode zeichnet sich derzeit nicht ab. Ernsthafte Sorgen bereiten mir allerdings die möglichen Konsequenzen für den langfristigen Zusammenhalt Großbritanniens einerseits und Europas andererseits, die sich aus Folgereaktionen auf einen Brexit ergeben könnten.”

Auch Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret sieht einen möglichen Austritt der Briten als ein Problem – allerdings in erster Linie für die britische Wirtschaft. In gewissem Maß dürften sich die Konsequenzen eines solchen Schritts aber auch in der restlichen EU bemerkbar machen, sagte Dombret am Mittwoch in einer Rede in der deutschen Industrie- und Handelskammer in Tokio. Vorhersagen zu den Auswirkungen eines Brexits seien aber mit Unsicherheit behaftet.

Er stimme mit der Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) überein, dass ein EU-Ausstieg Großbritanniens zu einer längeren Phase erhöhter Verunsicherung und stärkeren Schwankungen an den Finanzmärkten führen dürfte. Um solche Risiken in Grenzen zu halten, sei es notwendig, bei einem Brexit schnell zu konstruktiven Verhandlungen überzugehen. In den Gesprächen müssten Großbritannien und EU ihre künftigen Beziehungen festlegen. Die Einführung von Handelsbarrieren könne nicht im Interesse Großbritanniens oder der EU sein.

Unterdessen macht sich unter den britischen Wählern eine kleine Stimmungswende bemerkbar: Der Vorsprung der Brexit-Gegner in Großbritannien laut einer Umfrage geschrumpft. Laut der Zeitung „The Sun” sprechen sich 46 Prozent der Befragten für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union aus. 45 Prozent sind dagegen.

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