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Statt WallboxKann ich mein E-Auto einfach an der Steckdose laden?

Muss man sich eine Wallbox zulegen, um das E-Auto zu Hause zu laden – oder reicht es, wenn man eine Haushalts-Steckdose nutzt? Ein Experte gibt Antworten. Spotpress und Dirk Schwarz 06.09.2022 - 19:11 Uhr
Foto: imago images

Moderne E-Autos können auch an Haushaltssteckdosen geladen werden. Doch Johannes Kautenburger, Kfz-Experte der Sachverständigen-Organisation KÜS mahnt: Anders als bei frühen Elektroautos ist ein Laden der Akkus über die 230-Volt-Steckdose heute standardmäßig nicht mehr vorgesehen.

Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, moderne E-Autos ohne Wallbox oder Ladestation an einer normalen Haushaltssteckdose zu laden. Für diesen Zweck gibt es meist im Zubehör für die Fahrzeuge Ladekabel der Hersteller, die über eine sogenannte In-Kabel-Kontrollbox (ICCB) verfügen. Dabei handelt es sich um ein fest integriertes Gerät zur Ladesteuerung. Das Gerät übernimmt unter anderem eine Sicherheitsfunktion beim Laden, um Haushaltssteckdosen nicht zu überlasten.

Das Problem hierbei ist: Normale Steckdosen sind nicht für Dauerströme von mehr als zehn Ampere ausgelegt. Fließt mehr Strom durch die Leitungen, können diese und die Kontakte in der Steckdose überhitzen, was im schlimmsten Fall zu einem Kabelbrand führen kann. Die In-Kabel-Kontrollbox sorgt entsprechend für eine Drosselung des Ladestroms. Das bringt allerdings auch deutlich längere Ladezeiten mit sich. Bei 230 Volt und einer Drosselung auf zehn Ampere wird eine Ladeleistung von maximal 2,3 kW abgerufen.

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Über eine Wandladestation sind hingegen 3,7, 7,4 oder 11 kW möglich. Mit dieser Leistung lassen sich selbst größere Traktionsbatterien in der Regel innerhalb weniger Stunden und somit meist problemlos über Nacht vollständig laden. Bei einem großen Akku, wie etwa dem des VW ID.3 mit 77 kWh, würde sich das Laden über die 230-Volt-Steckdose hingegen über 30 Stunden hinziehen. Deshalb bezeichnen einige Hersteller die Lademöglichkeit per ICCB auch als Notladung.

Es gibt allerdings auch E-Autos mit vergleichsweise kleiner Batterie, die sich mit 2,3 kW in überschaubaren Zeiträumen aufladen lassen. Beim Fiat 500 mit 24-kWh-Batterie oder dem Smart Forfour 17,6-kWh-Akku ist ein Aufladen mit entsprechendem ICCB-Ladekabel und einfachem Haushaltsstrom in 6 bis 8 Stunden möglich.

Die Aufenthaltsqualität an einer klassischen Tankstelle ist überschaubar. Selbst auf den gepflegtesten Anlagen riecht es nach Öl und Benzol, das ständige Kommen-und-Gehen sorgt für ein Gefühl der Hektik und das kulinarische Angebot lässt viele Wünsche offen. Wer nicht muss, bleibt daher kaum länger als ein paar Augenblicke. An E-Auto-Ladestationen sieht das notwendigerweise anders aus – denn selbst die schnellste Akkufüllung benötigt mehrere Minuten. Während dieser Zeit sollen sich Kunden möglichst wohlfühlen.

Wie die Ladeparks der Zukunft aussehen könnten, hat kürzlich ein kanadischer Design-Wettbewerb mit internationalem Teilnehmerfeld auszuloten versucht. Gewonnen hat der schottische Entwurf „More with less“, ein modularer, ovaler Holzbau mit leichtem Sixties-Flair, der Kaffees, Shops und Duschen beherbergt. Angegliedert sind Spielplätze, Kunstausstellungen, Grillecken und eine Art Zen-Garten zur Entspannung.

Foto: Electric Autonomy Canada

Aktuell ist die Ladesäulen-Landschaft in Deutschland noch stark durch Steckdosen-Stelen geprägt, etwa am Straßenrand oder auf Autobahn-Rasthöfen. Der Trend geht aber zu großen Ladeparks mit Dutzenden Anschlusspunkten. Viele haben ein Dach und eine Beleuchtung, die Wohlbefinden und Sicherheitsempfinden stärken sollen.

Rein äußerlich wirken die Ladeparks auf den ersten Blick wie klassische Tankstellen. Kein Zufall, wie Linda Boll vom niederländischen Ladesäulenbetreibers Fastned erklärt: „Das Design unserer Stationen orientiert sich an dem von konventionellen Tankstellen. Dort ist es für den Autofahrenden wichtig, die nächste Tankmöglichkeit schnell und einfach aufzufinden und den Tankvorgang unkompliziert durchführen zu können.“

Foto: Volkswagen

Fastned hat daher im vergangenen Jahr gemeinsam mit anderen E-Mobilitäts-Unternehmen die größte Schnellladestation des Vereinigten Königreichs im englischen Oxford eröffnet. Der „Energy Superhub“ hängt an einem 10-Megawatt-Kabel und bietet zum Start 26 Schnellladesäulen verschiedener Betreiber mit bis zu 300 kW Leistung, die im Extremfall das Nachladen von 400 Kilometern Reichweite in 20 Minuten erlauben sollen. In der Zwischenzeit könnte der Fahrer an der angegliederten Gastronomie einen Kaffee trinken, die Toilette benutzen oder im freien WLAN surfen.

Foto: Fastned

Auch in Deutschland gibt es bereits vergleichbare Anlagen, etwa seit 2020 den Schnellladepark Seed & Greet am Hildener Kreuz der Autobahn 3. Initiator ist der regional bekannte Bäcker Roland Schüren, der bei seiner Firmenflotte schon früh auf E-Autos gesetzt hatte und mit Ladesäulen seinen eigenen Verkaufsbetrieb schnell zu einem Anlaufpunkt für die zunächst kleine, aber schnell wachsende E-Fahrer-Szene gemacht hat. Am Rande der großen Nord-Süd-Autobahn führt er das Konzept nun auf die nächste Stufe: Perspektivisch soll die Anlage 40 Tesla-Supercharger, 22 Fastned-Säulen und 52 AC-Ladepunkte bieten.

Foto: Tesvolt

Für die kulinarische Versorgung sorgt ein von dem Bäcker betriebener Imbiss, der neben Getränken und Brötchen auch frisch gebackene Pizza offeriert. Später sollen auf dem Gelände auch noch ein Bürogebäude sowie ein vertikales Gewächshaus entstehen. Dort werden auf 1000 Quadratmetern über vier Stockwerke Salat, Erdbeeren und Blaubeeren für den Bedarf der Bäckerei angebaut.

Foto: Tesvolt

Das Tankstellen-Konzept für Ladesäulenparks ist aber nicht nur in Europa beliebt. Die VW-Tochter Electrify America baut in den USA als Buße für den Diesel-Betrug aktuell ein Netz an Anlagen, die sich ebenfalls am klassischen Tankstellen-Layout und -Design orientieren, aber mehr Aufenthaltsqualität bieten sollen. Ein Dach aus Solarzellen schützt vor dem Wetter, Licht und Kameras vor Kriminellen und die Wartezeit lässt sich mit einem Kaffee überbrücken. Anders als vielerorts in Deutschland finden sich die Parks in den Städten, häufig in der Nachbarschaft von Shopping-Malls. Wer vor dem Einkauf sein Auto nicht selbst einstöpseln will, kann das einem der in den USA beliebten „Valet Services“ überlassen. Um möglichst unabhängig vom lokalen Stromnetz zu sein, nutzt VW Batteriespeicher als Puffer, die hohe Ladeleistungen ermöglichen.

Der Business-Lounge-statt-Tankstellen-Ansatz könnte Schule machen. Gerade Hersteller exklusiverer E-Autos wie Porsche und Tesla setzen bereits auf eigene Ladesäulennetze, die sich prinzipiell auch zu Marken-Leuchttürmen mit exklusivem Lounge-Zutritt ausbauen ließen.

Foto: Volkswagen

Ein grundsätzlicher Nachteil beim Laden über die Steckdose sind allerdings höhere Ladeverluste im Vergleich zu einer Wallbox. Je nach Ladesituation könne diese durchaus ins Gewicht fallen und bis zu 20 Prozent ausmachen, so Kautenburger.

Wer dennoch mit 230 Volt laden will, sollte dies an einer fest in der Wand installierten und eigens abgesicherten Steckdose tun. Zudem empfiehlt der Experte eine Prüfung und gegebenenfalls Ertüchtigung durch einen Elektriker.

Wer häufiger über eine Haushaltssteckdose lädt, sollte diesen Vorgang regelmäßig beobachten, da immer auch die Gefahr einer Überhitzung besteht. Sollte es im schlimmsten Fall durch das Laden an einer Steckdose zu einem Kabelbrand kommen, sind die Schäden nicht automatisch vom Gebäudeversicherer abgedeckt. Deshalb sollte die Versicherung entsprechend informiert und gegebenenfalls der Versicherungsvertrag ergänzt werden, empfiehlt Kautenburger.

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