Künstliche Intelligenz GPT-4 Die populärste KI der Welt wird noch schlauer

Redet bald noch schlauer daher: Der Sprachbot ChatGPT. Quelle: REUTERS

Der Sprachbot ChatGPT hat künstliche Intelligenz zum Massenphänomen gemacht. Jetzt ist eine neue Version des KI-Modells erschienen – mit noch erstaunlicheren Fähigkeiten. Was das für die Wirtschaft bedeutet.

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Auf dem Foto ist eine Schale mit Mehl zu sehen, daneben vier Eier, eine Karaffe mit Milch, ein Teller mit Butter. Vor wenigen Jahren hätte man es noch für unglaublich gehalten, wenn eine Software allein die Eier darauf erkannt hätte. 

Der neue Algorithmus des US-Start-ups OpenAI dagegen ist bedeutend schlauer: Fragt man ihn, was man mit den Zutaten auf dem Foto kochen könne, legt er mit Vorschlägen los: „Es gibt viele Möglichkeiten, was man mit diesen Zutaten machen kann! (...) Pfannkuchen oder Waffeln, Crepes, French Toast...“.

Die künstliche Intelligenz, genauer gesagt das Sprachmodell, von dem hier die Rede ist, heißt GPT-4 – und das Beispiel mit den Kochzutaten ist eines von vielen verblüffenden Fähigkeiten der neuen Software, die OpenAI am Dienstagabend präsentiert hat. Im Vergleich zu ihrem Vorgänger GPT 3.5 soll sie nicht nur Bilder analysieren können, sondern auch längere Texte verstehen, kreativer sein und deutlich besser im logischen Denken.

Viele Internetnutzer haben in den vergangenen Wochen mit Spannung auf die Veröffentlichung gewartet. Künstliche Intelligenz ist im Silicon Valley und der weltweiten Start-up-Szene aktuell das Trendthema Nummer eins, und das liegt vor allem an OpenAI und seinem Sprachbot ChatGPT, den das Start-up im Dezember 2022 herausgebracht hat.

100 Millionen Nutzer in zwei Monaten

Der Bot, basierend auf GPT 3.5, verblüffte Internetnutzer weltweit mit seiner verbalen Versiertheit und seinem Weltwissen – und ist innerhalb von zwei Monaten auf 100 Millionen registrierte Nutzer angewachsen, so schnell wie nie ein Internetdienst zuvor. 

Er hat die Chefetage von Google alarmiert, die Gründung von zahlreichen KI-Start-ups angeregt, Milliarden an Investitionen ausgelöst – Microsoft investiert allein in OpenAI zehn Milliarden Dollar - und Unternehmen weltweit zum Nachdenken gebracht, weiche Bürojobs sich demnächst automatisieren lassen.

Mit GPT-4 wird der Dienst nun bald noch erheblich mächtiger. Eine der wichtigsten Neuerungen: Die Software versteht jetzt auch Bilder. „GPT-4 ist nicht nur ein Sprachmodell“, sagte Greg Brokman, Präsident und Mitgründer von OpenAI, Dienstagabend  in einem Livestream, „sondern auch ein visuelles Modell.“

ChatGPT: Wie die KI funktioniert und welche Einsatzgebiete es gibt

Zeigt man der Software ein Foto von einem Bündel Luftballons, die mit Helium gefüllt sind, erkennt GPT-4 nicht nur die Ballons – sondern kann auch beantworten, was mit Ihnen passiert, wenn man ihre Befestigungsleinen durchschneidet: „Die Ballons würden davonfliegen.“ Aus einer krakeligen handgemalten Skizze für eine Webseite erzeugt OpenAI-Co-Gründer Brockman in seiner Präsentation flugs mit GPT-4 einen passenden Programmiercode und damit die fertige Webseite. 

Eine aberwitzige Idee, aber sie funktioniert

Es ist eine Fähigkeit zum Schlüsseziehen, die schon ChatGPT bei Texten beeindruckend gezeigt hat. „GPT-4 ist nicht nur gut darin, Wissensfragen zu beantworten“, sagt Florian Gallwitz, Professor für Informatik an der TH Nürnberg, „sondern auch in der logischen Verknüpfung von Wissen.“ So kann die neue Version aus einem Text, in dem die freien Zeiten im Kalender mehrerer Kollegen erwähnt werden, auf den idealen Zeitraum für ein gemeinsames Meeting schließen.

Umso verblüffender sind diese Fähigkeiten, wenn man weiß, dass GPT-4 nicht ausdrücklich für diese Herausforderungen programmiert ist. „Die GPT-Modelle wurden allein für die Aufgabe optimiert, das jeweils nächste Wort im Internet vorauszusagen“, sagt KI-Experte Gallwitz. 

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„Es ist eigentlich eine aberwitzige Idee, dass es funktioniert. Aber ab einer gewissen Menge von Daten und Parametern hat das Modell dadurch Fähigkeiten entwickelt, die ich vor drei Jahren noch für unmöglich gehalten habe.“ GPT-4 kann in diesem Prozess mehr als 25000 Wörter in einem Kontext verarbeiten, achtmal mehr als sein Vorgänger.

So soll GPT-4  auch kreative Aufgaben lösen. Zum Beispiel: „Erklären Sie die Handlung von Aschenputtel in einem Satz, bei dem jedes Wort mit dem nächsten Buchstaben des Alphabets von A bis Z beginnen muss, ohne dass Buchstaben wiederholt werden.“ 

Test für Stanford-Uni bestanden

Vor allem bei einer Reihe von Standard-Tests, die für Studenten in verschiedenen Fachrichtungen von Jura bis Medizin entwickelt wurden, schneidet GPT-4 deutlich besser ab als die Vorversion. Im so genannten Uniform Bar Exam etwa, einem Test für angehende Rechtsanwälte in den USA, landet ChatGPT im Ergebnis heute noch unter den untersten zehn Prozent der Geprüften – GPT-4 dagegen schneidet so gut ab wie die besten zehn Prozent. „GPT-4 besteht die Prüfungen souverän“, sagt KI-Experte Gallwitz, „in vielen Bereichen ist die Software sogar unter den Besten.“




GPT-4 könne an der renommierten Stanford-Universität nun als Student anfangen, resümierte der Stanford-Absolvent und Nvidia-KI-Wissenschaftler Jim Fan am Dienstagabend auf Twitter. Gary Marcus, emeritierter Professor an der New York Universität und Autor mehrerer Bücher über KI, widersprach: Benchmarks zu bestehen bedeute noch lange keine robuste Intelligenz wie die eines Studenten.

GPT-4 sei „immer noch steckengeblieben an der gleichen Mauer der Wahrheit und Zuverlässigkeit“, so Marcus, „zwölf Monate und eine Menge Hype später.“ Die KI mache „viele Fortschritte, aber dieselben grundlegenden Herausforderungen bleiben bestehen.“

Auch KI-Experte Gallwitz sieht noch Herausforderungen: „Vieles funktioniert bei GPT-4 besser als beim Vorgänger, aber viele Probleme, die es vorher gab, sind immer noch da“, sagt der Informatik-Wissenschaftler. „Wenn die Aufgabe zu schwer wird, vermittelt das Sprachmodell den Eindruck, es wüsste Bescheid – antwortet aber Nonsens.“

Sprachmodelle halten Einzug in Apps und Unternehmen

Wie zuverlässig KI sein kann, ist also immer noch offen, auch wenn GPT-4 in einigen Punkten deutlich besser geworden ist. Das hindert unzählige Start-ups und Unternehmen nicht daran, die Software in ihre Dienste bereits einzubauen. Vom Kundenmanagementprogramm bis zur Fitnessuhr gibt es bereits digitale Angebote, mit denen Nutzer via ChatGPT reden können.

„Sprachmodelle werden schnell in die Wirtschaft Einzug halten“, sagt KI-Experte Gallwitz. „Wir werden mit Software, Handys, vernetzten Fernsehern fast in so natürlicher Sprache umgehen wie mit Menschen.“ Als erste Kunden für GPT-4 nannte OpenAI Morgan Stanley Wealth Management, das damit sein internes Wissensnetzwerk organisiere, die Sprachlernapp Duolingo und die isländische Regierung, die damit ihre Landesprache bewahren wolle.

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Mit ChatGPT optimiert der Softwarekonzern Salesforce bereits seine Kundenmanagementsoftware, Entwickler anderswo beschleunigen ihre Programmierprozesse, weil die KI auch Code herbeisinnen kann – auf Twitter zeigten Dienstagnacht Nutzer bereits, wie sie angeblich in weniger als 60 Sekunden mit GPT-4 das legendäre Atari-Computerspiel Pong nachgebaut haben. Marketing-Plattformen wiederum lassen den Chatbot binnen Sekunden maßgeschneiderte Texte dichten. Sogar zur Suche nach neuen Arzneimitteln wird die KI erprobt, auch wenn Experten hier starke ethische Bedenken äußern.

Das dürfte nur der Anfang sein. „Ich habe den Eindruck, wir erleben gerade eine technische Revolution, die ähnlich tiefgreifend ist wie das Internet“, sagt KI-Experte Gallwitz. „Ich habe ‚künstliche Intelligenz‘ immer in Anführungsstrichen gesetzt“, sagt Gallwitz. „Seit November traue ich mich, die Anführungszeichen wegzulassen.“

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