Der Begriff Intelligence deckt ein weites Feld ab und lässt sich nur schwer exakt definieren. In diesem Beitrag sollen unter Intelligence Informationen verstanden werden, die nicht öffentlich bekannt sind oder Analysen, die auf solchen Informationen beruhen und für Entscheidungsträger in der Politik erstellt werden. Solche Informationen werden durch Observation, Ermittlung, Internet Recherchen und Analyse gewonnen und geben Aufschluss über die Fähigkeiten, Intentionen oder Aktivitäten von Regierungen, Personen oder Organisationen, eines Verhandlungspartners oder eines Gegners. Sie dienen letztlich dem Staat bei der Entscheidungsfindung, erhöhen die Qualität einer Entscheidung durch Ausschöpfen möglichst vieler Erkenntnisquellen und verringern das Risiko einer Fehlentscheidung.
In der Geschichte hat der Einsatz von Intelligence oft eine entscheidende Rolle gespielt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Zimmermann–Depesche, die der gleichnamige deutsche Staatssekretär des Auswärtigen Amtes im Januar 1917 über die deutsche Botschaft in Washington an den deutschen Gesandten in Mexiko sandte. Er schlug darin ein Bündnis zwischen Deutschland und Mexiko vor für den Fall, dass die USA ihre Neutralität im ersten Weltkrieg aufgeben sollten. Der Regierung von Mexiko sollte für diesen Fall Unterstützung für die Rückgewinnung des 1848 an die USA verloren gegangenen Territoriums in Aussicht gestellt werden.
Über den Autor
Maxim Worcester ist Geschäftsführer der German Business Protection GmbH in Berlin.GBP berät Unternehmen, Verwaltungen, und Privatkunden zum Thema Risikomanagement mit den Schwerpunkten Security und Compliance.
Intelligence ist wichtig in Krieg und Terrorismusbekämpfung
Dieses Telegramm wurde vom britischen Marinegeheimdienst abgefangen und entschlüsselt. Sein brisanter Inhalt wurde der US-Regierung zugespielt und veröffentlicht. Dies trug entscheidend dazu bei, die amerikanische Öffentlichkeit und Präsident Woodrow Wilson auf den Kriegseintritt der USA einzustimmen, der am 6. April 1917 erfolgte. Der Rest ist Geschichte.
Forum IT-Sicherheit
Der Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag hat auch dem letzten Vorstand die Augen geöffnet. Kein Unternehmen ist gefeit vor Cyberangriffen. Jede noch so kleine Sicherheitslücke in den IT-Systemen kann zum Einfallstor für Spionage- oder Sabotageattacken werden und Schäden in Millionenhöhe verursachen. Die Verunsicherung in den Unternehmen ist jedenfalls groß. Sind die Sicherheitsvorkehrungen wirklich auf dem allerneusten Stand, um die Kronjuwelen des Unternehmens zu schützen? Kennen die Mitarbeiter alle Indizien, die auf einen Angriff hindeuten? Wie lange brauchen die Alarmsysteme, um einen Angriff zu erkennen? Es gibt viele Fragen, aber nur wenige Experten, die fundierte Antworten liefern können. Zusammen mit Bernd-Oliver Bühler, geschäftsführender Gesellschafter der Janus Consulting und Spezialist für IT-Sicherheit, hat die WirtschaftsWoche die Sicherheitsverantwortlichen in deutschen Unternehmen gebeten, aus ihrer Sicht die größten Probleme und mögliche Lösungen vorzustellen.
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Im Kampf gegen Terrorismus jeder Art ist Intelligence von hoher Bedeutung. Ohne den Einsatz von Intelligence ist es kaum vorstellbar, dass ein Anschlag durch die Sauerland-Gruppe verhindert worden wäre. Im Oktober 2006 leitete die amerikanische National Security Agency (NSA) über die Central Intelligence Agency (CIA) Erkenntnisse über intensiven Mailverkehr zwischen Pakistan und Deutschland an den Bundesnachrichtendienst (BND) weiter. Dieser schaltete den Verfassungsschutz ein.
In der Operation Alberich überwachten 500 Beamte die Verdächtigen, hörten Telefone ab, verwanzten Wohnungen und Autos. Dabei arbeiteten die deutschen Behörden eng mit den Kollegen der CIA zusammen. Schließlich wurden im Juli 2007 die für den Bombenbau beschaffte Wasserperoxyd-Mischung durch eine harmlose Flüssigkeit ausgetauscht und die potentiellen Attentäter verhaftet.
2006 vereitelte der MI5 einen großen Anschlag
Geplant hatten sie Anschläge auf amerikanische Einrichtungen in Deutschland, die möglicherweise viele Opfer gefordert hätten. Auch wären die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland im Fall eines erfolgreichen Anschlages schwer belastet gewesen – durch den Einsatz von Intelligence wurden die Pläne vereitelt.
Die Operation Overt im Sommer 2006 in Großbritannien folgte einem ähnlichen Muster. Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 wurde auf einen jungen Islamisten aufmerksam, der in regelmäßigen Abständen von Großbritannien nach Afghanistan und Pakistan reiste. Nach einer solchen Reise wurden am Flughafen sein Gepäck untersucht und verdächtige Artikel gefunden. MI5 erhielt die Erlaubnis, Gespräche des Islamisten abzuhören, dabei wurden Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag gefunden, so dass die Observationen verstärkt wurden.
Es wurde schnell deutlich, dass gleichzeitige Anschläge auf bis zu sieben Flugzeuge geplant waren, womöglich im amerikanischen Luftraum. Der Islamist und seine Komplicen wurden verhaftet und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Behörden schätzen, dass der geplante islamistische Anschlag mehr Opfer gefordert hätte, als die Anschläge vom 9. September 2001 in New York. Ferner hätte ein solcher Anschlag auch zu größeren Problemen in den Beziehungen zwischen Großbritannien und den USA geführt.
Der vereitelte Anschlag hatte nachhaltige Folgen für den Flugverkehr– das Verbot, Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen mit sich zu führen, gilt seither, bis heute.
Die deutsche Regierung hat ein Problem dem eigenen Geheimdienst
Deutsche Regierungschefs scheinen dagegen, anders als US-amerikanische und britische, ein Problem mit ihren eigenen Geheimdiensten zu haben. Helmut Schmidt ließ sich nach eigenen Aussagen als Bundeskanzler nie einen Bericht des BND vorlegen. Er meinte, die Ergebnisse solcher Berichte beruhten oftmals auf Eindrücken, die stark durch die politischen Präferenzen des Berichterstatters gefärbt seien. Durch seine engen Kontakte zu den damaligen Größen der Politik in Ost und West verfügte er wohl über ausreichend Informationen. Auch Helmut Kohl war kein dankbarer Klient der deutschen Dienste. Auf einem Empfang anlässlich des 60. Geburtstages von Klaus Kinkel 1996 in Bonn kam er in seiner Laudatio auf die BND-Tage des Jubilars zu sprechen, die ein blinder Fleck in dessen Biographie seien.
Merkel verhandelt lieber als zu spionieren
Im Übrigen wüsste er, Kohl, nicht, was und ob dort überhaupt etwas gearbeitet würde. Dass diese Einschätzung bei den Sicherheitsbehörden nicht sonderlich gut ankam, erscheint verständlich. Schließlich war es derselbe Helmut Kohl, der 1991 den damaligen Generalsekretär Gorbatschow gegen die Moskowiter Putschisten unterstützte. Das schien zu jenem Zeitpunkt eine mutige Entscheidung, schließlich standen noch 400.000 russische Soldaten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Allerdings wusste Kohl aus BND-Berichten, dass die Putschisten keine breite Unterstützung im Militär hatten. Mit dieser Information konnte er seinem Freund Gorbatschow ohne großes Risiko für Deutschland zur Seite stehen. Das hat Gorbatschow auch nie vergessen.
Auch Bundeskanzlerin Merkel scheint dem Nutzen von geheimdienstlichen Informationen eher ablehnend gegenüber zu stehen. Im ARD-Sommerinterview 2015 wurde sie auf die Aktivitäten der NSA angesprochen und meinte, dabei stünden Aufwand und Ertrag nicht im Verhältnis. Auch richte das Ausspionieren von Freunden mehr Schaden an als es Nutzen bringe. Sie verhandle lieber, ohne zu wissen, was ihre Gesprächspartner dächten.
Deutsche Politiker haben Intelligence nicht verstanden
Diese Beispiele zeigen, dass es die deutsche Politik bislang nicht recht verstanden hat, welchen Wert Intelligence besitzen kann. Sie steuert die Beschaffung von Intelligence nicht nach Prioritäten in enger Anbindung an die vorhandenen nachrichtendienstlichen Ressourcen und Fähigkeiten. Eine solche Vorgehensweise zwänge die Dienste, Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen, und sie zwänge die Politik, sich darüber schlüssig zu werden, welche Intelligence sie tatsächlich benötigt. Die Politik verwechselt auch zu oft öffentlich zugängliche Informationen mit Intelligence. Öffentlich zugängliche Informationen können Politiker der Presse und sonstigen Veröffentlichungen entnehmen, Intelligence hingegen wird von den Diensten geliefert.
Die klassische Intelligence basiert auf dem Sammeln von Informationen aus diversen Quellen. Diese reichen von menschlichen Quellen und Informanten (HUMINT) über abgefangene Gespräche und Kommunikation (COMINT) sowie elektronische Informationen (ELINT). In letzter Zeit sind weitere Informationsquellen wie Satellitenbilder (IMINT), Standortbestimmungen (LOCINT) und geografische Informationen (GEOINT) hinzugekommen. Auch sind öffentlich verfügbare Informationen (OSINT) immer wichtiger geworden. Das Internet erlaubt den Diensten Zugang zu einer Vielzahl von Informationen über Zielpersonen, Länder und Wirtschaft. Gleichzeitig nutzen Zielpersonen und -gruppen das Internet, um miteinander zu kommunizieren und ihre Botschaften in die Welt zu tragen. Die Dienste bedienen sich nicht nur aus dem Internet, sie müssen auch genau verfolgen, wer im Internet was kommuniziert.
Von der Information zur Intelligence
Das Internet bietet eine Fülle von Informationen, die für die Behörden von Nutzen sein können. Diese persönlichen Daten (PROTINT) reichen von Reisedaten und Telefonverbindungen über Einkäufe, Kreditwürdigkeit, biometrische Daten bis hin zu Registern verschiedener Art. Die Analyse solcher Daten ist in der Bekämpfung von Kriminalität und Strafverfolgung von großem Nutzen und wird von den Behörden auch zur Verfolgung von terroristischen Organisationen genutzt.
Diese gesammelten Informationen aus den beschriebenen Quellen sind keine Intelligence. Erst durch Bearbeitung dieser Informationen in Fachkreisen, Prüfung, Analyse und Bewertung der Ergebnisse zusammen mit dem Auftraggeber, werden Informationen zu Intelligence. Man spricht hierbei von einem „Intelligence Cycle“. Dieser Begriff ist aber eher als interaktives Netzwerk, bestehend aus Auftraggeber und den zuarbeitenden Behörden, zu sehen. In diesem Prozess gewinnt die Intelligence an Bedeutung, je öfter sie von allen Beteiligten hinterfragt wird.
Der neue Skandal um BND und NSA
Der BND soll dem US-Geheimdienst NSA jahrelang geholfen haben, Ziele auch in Europa auszuforschen. Es geht dabei um große Datenmengen, die der BND an seiner Abhörstation in Bad Aibling abgreift und die die NSA nach europäischen Unternehmen und Politikern durchforstet haben soll. In Bad Aibling belauscht der BND internationale Satellitenkommunikation, angeblich vor allem aus Krisenregionen wie Afghanistan oder Somalia. Es ist aber nicht ganz klar, was dort tatsächlich alles abgefischt wird.
BND und NSA vereinbarten vor Jahren, dass die Amerikaner nach bestimmten Suchmerkmalen (Selektoren) Zugriff auf diese Daten bekommen - zur Terrorbekämpfung und unter Einhaltung deutscher Interessen. Die Amerikaner hielten sich aber wohl nicht an diese Vereinbarung, sondern nutzten die Daten keineswegs nur für den Kampf gegen den Terror, sondern möglicherweise auch zur Wirtschaftsspionage und für andere Zwecke, die deutschen und europäischen Interessen zuwiderlaufen.
Um aus den großen Datenmengen relevante Informationen herauszusuchen und die Kommunikation von Verdächtigen aufzuspüren, filtern sie diese nach bestimmten Suchmerkmalen - zum Beispiel E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern. Die NSA hat dem BND massenhaft solche Suchkriterien übermittelt, damit dieser die Daten aus Bad Aibling danach maschinell durchkämmt und anschließend an die USA weitergibt. Wie viele Selektoren die Amerikaner geliefert haben, ist unklar. Die Rede ist von mehreren Hunderttausend oder mehr als einer Million. Sie werden ständig überarbeitet und ergänzt.
Der BND prüft nach eigenen Angaben durchaus, was die NSA an Daten anfragt und welche Suchkriterien sie übermittelt. Und der Geheimdienst beteuert, dass er Selektoren, die deutschen Interessen widersprechen, aussortiert und keine Daten dazu liefert. Angesichts der riesigen Mengen an Daten und Selektoren sind die Prozesse aber computerbasiert. Der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz, geht deshalb davon aus, dass alles grundsätzlich automatisiert und ohne Prüfung der einzelnen Suchmerkmale abläuft. „Dieses System ist unkontrollierbar“, sagt er. „Und der BND wusste das auch.“
Der BND bemerkte schon 2005, dass die NSA in dem Wust an abgehörten Daten auch nach europäischen Zielen suchte - nach den Firmen EADS und Eurocopter und nach französischen Behörden. Nach den Enthüllungen der NSA-Affäre 2013 schaute sich der BND die Suchanfragen noch genauer an und stieß auf rund 2000 kritische Selektoren der NSA. Insgesamt hat der BND über die Jahre rund 40 000 solcher Suchkriterien der USA abgelehnt. Nach eigenen Angaben fischten die BND-Mitarbeiter diese heraus, gaben den Amerikanern dazu also keine Daten.
Doch die Linke-Obfrau im NSA-Ausschuss, Martina Renner, glaubt nicht an diese Version. „Wir gehen davon aus, dass ein Teil der Selektoren auch eingesetzt wurde.“ Wen genau die Amerikaner alles ausforschen wollten und bei welchen Stellen ihnen das in welchem Umfang gelang, ist noch unklar. Das Kanzleramt erfuhr angeblich erst vor ein paar Wochen von der ganzen Sache - nachdem der NSA-Untersuchungsausschuss nachhakte.
Öffentliche Sicherheit wird immer wichtiger
Die Bereitstellung von Intelligence bedarf eines Auftrags der Politik, sie ist kein Zufallsprodukt der laufenden Arbeit. Die Rolle der Politik in der Nutzung von Intelligence beschränkt sich aber nicht nur auf den Abruf von Intelligence. Die Politik sollte eng eingebunden werden und Feedback innerhalb des Intelligence-Zyklus liefern. Ein solcher Prozess führt dazu, die Fragen klarer zu formulieren, die Methoden der Informationsgewinnung zu schärfen und die Qualität von Intelligence zu steigern. In Großbritannien erfolgt dieser Prozess durch das Joint Intelligence Committee (JIC), das direkt an den Premierminister berichtet. Mitglieder dieses Committees sind neben den drei Geheimdiensten auch Kabinettsmitglieder und Entscheidungsträger verschiedener Ministerien. Das Ergebnis ist die professionelle Zusammenfassung einer Lage durch die britische Intelligence Community – nicht nur der Dienste sondern auch von Experten aus allen betroffenen Bereichen.
Das Thema öffentliche Sicherheit nimmt an Bedeutung zu. Eines der Merkmale einer guten Regierung ist, wie sie öffentliche Sicherheit gewährleistet, denn darauf basiert die Idee des staatlichen Gewaltmonopols. Nichtsdestotrotz erwartet die Bevölkerung, dass die Aktivitäten des Staates das Recht nicht beugen und die grundrechtlichen Freiheiten unangetastet bleiben.
In anderen Worten: Die Regierung muss zum Schutz von Bevölkerung und Wirtschaft ein professionelles Risikomanagement betreiben. Um Sicherheit zu garantieren, ist die Regierung gefordert, nicht nur die gegenwärtige Lage zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, sie muss auch künftige Risiken erkennen, analysieren und ihnen im Vorfeld begegnen. Dies schafft Vertrauen in den Staat und ermöglicht eine kontinuierliche Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft. Ein Schlüssel für Stabilität in der Zukunft ist die Bereitstellung von Intelligence, um die Entscheidungsträger in ihren wichtigen sicherheitspolitischen Entscheidungen zu unterstützen.