Microsoft Der oft unterschätzte Wert der Suchmaschine Bing

Im Wettlauf um die meisten Suchanfragen liegt Microsoft abgeschlagen hinter dem Rivalen Google. Trotzdem könnte sich das Konkurrenz-Produkt Bing noch als Goldgrube erweisen - und zwar im Bereich künstlicher Intelligenz.

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Die Suchmaschine Bing könnte sich noch für Microsoft als Goldgrube erweisen. Quelle: dpa

In Fachkreisen wurde Bing fast von Beginn an belächelt. Doch wer zuletzt lacht, der lacht am besten. Das dürften sich die Macher im Hause Microsoft derzeit denken. Denn mit ihrer, wenn auch zweitrangigen, Suchmaschine haben sie über die Jahre hinweg Daten gesammelt, die weit mehr wert sind als die kurzfristigen Gewinne durch Werbeerlöse. Der Trend in der IT-Branche geht klar in Richtung KI - künstliche Intelligenz. Und um die zu erstellen, werden genau die Informationen benötigt, die Millionen Nutzer täglich in ein Suchfeld tippen.

„Maschinen lernen, indem sie in Daten nach bestimmten Mustern suchen“, betonte kürzlich der frühere Microsoft-Chef Steve Ballmer, der vor knapp zehn Jahren die Suchmaschine Bing mit aus der Taufe hob. „Damit das funktionieren kann, müssen riesige Datensätze zur Verfügung stehen.“ Google mag bei der Online-Suche also zwar die Nase vorn haben. Doch auch Microsoft kann seine Algorithmen inzwischen mit all den Dingen füttern, für die sich „echte Menschen“ nachweislich interessieren - vom Wetter und der Gesundheit bis hin zu Öffnungszeiten und Wegbeschreibungen.

Lange verließ sich Microsoft fast ganz auf sein Kerngeschäft - den Verkauf des Betriebssystems Windows und dazu passender Büro-Software. Doch um gegenüber den neuen Internet-Riesen aus dem Silicon Valley nicht den Anschluss zu verlieren, investiert das am Rande von Seattle ansässige Unternehmen seit Jahren auch massiv in die KI-Forschung. Herausgekommen sind unter anderem Produkte wie der Sprachassistent Cortana oder Funktionen der Cloud-Plattform Azure.

Doch Microsoft will noch deutlich weiter in diese Richtung vorstoßen. Das zeigte etwa die Übernahme von Maluuba im Januar. Das kanadische Unternehmen galt als Spezialist auf dem Gebiet der Spracherkennung. Dessen Ziel war die Schaffung von „gebildeten Maschinen“, die Informationen ähnlich wie Menschen verarbeiten und zur Kommunikation aufbereiten.

Bing könnte bei der weiteren Arbeit an diesem Ziel nun als Fundament genutzt werden. „Sie erhalten darüber riesige Mengen an Daten aus den verschiedensten Kontexten“, sagt Larry Cornett, der einst als Manager für die Suchmaschine von Yahoo zuständig war. „Ob es nun Absicht war oder nicht - hunderte Millionen Suchanfragen pro Tag sind exakt das, was für den Betrieb von riesigen KI-Systemen gebraucht wird.“

Die mithilfe der Bing-Daten erzeugten Anwendungen werden wichtiger

Kurz nach dem offiziellen Start von Bing im Jahr 2009 einigten sich Microsoft und Yahoo auf eine Zusammenarbeit. Dadurch habe Microsoft Zugang zu einem sehr viel größeren Suchvolumen erhalten, sagt Cornett, der zu dieser Zeit für Yahoo tätig war. Es folgten weitere Kooperationen, die zu einer Nutzung von Bing auf Tablets von Amazon und - bis vor wenigen Wochen - auch durch Apples Sprachassistent Siri führten.

All das habe Microsoft zu einem besseren Verständnis von Sprache, Bildern und Texten verholfen, sagt Steve Clayton, der im Unternehmen als „Chief Storyteller“ für die Kommunikation über die eigene KI-Strategie zuständig ist. Bing sei für Microsoft „so viel mehr als nur eine Suchmaschine“, betont er. „Es ist der Kraftstoff, der die Entwicklung anderer Dinge antreibt.“ Als Datenquelle unterstütze Bing sowohl die Schaffung von künstlicher Intelligenz als auch die Bereitstellung von nützlichen Anwendungen.

Und während Google für derartige Entwicklungen über eine noch viel breitere Datengrundlage verfügt als Microsoft, haben Konkurrenten wie IBM oder Amazon, die ebenfalls kräftig in das Geschäft mit KI investieren, bisher überhaupt keine vergleichbare Suchmaschine. „Amazon hat zwar Zugang zu unzähligen Anfragen im Bereich des Online-Handels, aber nicht auf das, was die Menschen im Alltag darüber hinaus interessiert“, sagt Cornett.

Finanziell spielen Bing und künstliche Intelligenz bei Microsoft bisher eine eher nebensächliche Rolle. Der Umsatz des Unternehmens lag in dem Ende September abgeschlossenen Quartal bei insgesamt 24,5 Milliarden Dollar (21,1 Milliarden Euro). Die über Bing generierten Werbeerlöse stiegen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar (1,4 Milliarden Euro). Der Anteil der Suchmaschine am Gesamtumsatz liegt also nur bei etwa sieben Prozent.

Zumindest indirekt werden die mithilfe der Bing-Daten erzeugten Anwendungen aber immer wichtiger. „Wir integrieren KI in alle unsere Produkte“, betont Microsoft. Die Bedeutung dieser Algorithmen kennt der aktuelle Konzernchef Satya Nadella wie wohl kein anderen - zumal sein Vorgänger Ballmer vor knapp zehn Jahren die Entwicklung von Bing just in seine Hände gelegt hatte. In seiner gerade erschienenen Autobiografie beschreibt Nadella die Suchmaschine als „großartiges Experimentierfeld“ für die Neuausrichtung des Unternehmens - weg vom reinen Anbieter von PC-Programmen hin zu neuen Technologien.

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