„Das war vor allem ein Angriff auf die Zeitungen“, sagt Alexander Kulpok, als Redaktionsleiter Videotext damals verantwortlich für den neuen Service. Der heute 75-jährige leitete die ARD Text-Redaktion danach mehr als 20 Jahre. Es waren die großen Zeiten: Die Zuschauerzahlen stiegen Jahr für Jahr, Kulpoks Redaktion wuchs zeitweise auf 40 Mitarbeiter an. Neben Nachrichten gab es bald unter anderem Theaterkritiken, interaktive Blitzschach-Spiele und den Wetterbericht. „Da ist irgendwann Rudi Carrell bei mir auf dem Sofa gesessen “, sagt Kulpok, „der musste für seine Sendungen immer Tage im voraus wissen, wie das Wetter wird. Und sagte mir: Mach das doch mal in Deinen Videotext“. Heute gibt es eine App dafür. Wie für fast alles, was der Videotext so kann.
„Aber solange die Menschen kurze Infos wollen, werden wir nicht abgeschaltet.“, sagt Langguth, die heute Kulpoks Job beim ARD Text macht. Leicht zu sagen bei einem gebührenfinanzierten Angebot. Aber auch die werbefinanzierten Privat-Sender lassen nicht ab vom vermeintlichen Technik-Relikt. RTL, mit 11 Prozent Marktanteil Quotenstärkster unter den Privaten, will auf „unabsehbare Zeit“ nichts am Videotext-Angebot ändern. „Der Werbeumsatz ist stabil, das ist ein einträgliches Geschäft“, so ein RTL-Sprecher. Eine Abschaltung stehe nicht zu Debatte, heißt es auch bei Pro Sieben Sat 1. Man sehe hier ein „lukratives Geschäftsfeld“.
Lukrativ wohl auch, weil der Videotext günstig zu produzieren ist. Zumindest für Fernsehverhältnisse. Der ARD Text, der neben dem Informationsangebot auch die Film-Untertitel liefert, hat nach Sender-Angaben ein Jahresbudget von rund 1,7 Millionen Euro. Er kostet damit nur etwas mehr als eine Folge „Tatort“.
Dementsprechend dürfte sich das Angebot für die Privaten recht schnell rechnen. Obwohl der Videotext Werbung für die ganz Knausrigen bietet: 1400 Euro kostet eine ganze Seite Videotext-Werbung etwa bei Sat.1. Pro Woche, wohlgemerkt. Beim Sender Sixx sind es gar nur 84 Euro. Zum Vergleich: Ein 30 Sekunden-Clip im Sat.1- Frühstücksfernsehen kostet laut Vermarkter Sevenone Media rund 2000 Euro.
Diese Kampfpreise lassen auf den Seiten der Privatsender einen bunten Werbe-Basar aus Pauschalreisen, Gewinnspielen und Hellsehern entstehen. „Handy ohne Schufa“ wird hier gleich neben einer Zahnersatz-Reise nach Ungarn („70 Prozent billiger als in Deutschland“) angepriesen. Auf den hinteren Seiten dann das Teletext-Rotlichtviertel, wo „Dating Hotlines“ mit aufwändigen Pixel-Grafiken die technischen Möglichkeiten des Mediums voll ausreizen.
„Das hat natürlich mit den Ursprüngen des Videotexts nichts zu tun“, sagt Videotext-Veteran Alexander Kulpok. Auch sein ehemaliger Arbeitgeber, die öffentlich-rechtlichen Sender behandelten den Videotext allzu stiefmütterlich. „Dort wird auf Sparflamme gekocht“. Im Jahre 2014, findet Kulpok, brauchen wir einen internetbasierten Videotext, mit Bildern und im modernem Design.
In diese Richtung geht das sogenannte Hybrid Broadband Broadcast TV, das den klassischen Videotext mit Internet-Daten verknüpft. Diesen Dienst bieten die großen Sender inzwischen alle an; laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts ALM nutzt ihn aber nur gut eine Million Deutsche, weil man unter anderem einen internetfähigen Fernseher braucht.
„An dem traditionellen Design des klassischen Videotextes können wir nichts ändern“, sagt ARD Text-Chefin Langguth. Trotzdem will man den Medien-Oldie, der seit knapp vier Jahren auch unter @ARDText auf Twitter sendet, mit Internetdiensten verknüpfen. Beim „Teletwitter“ etwa kann man sich zum Tatort die Kurznachrichten-Tweets anderer Zuschauer auf den Fernsehschirm einblenden. Ähnliche Angebote gibt es auch bei den privaten Sendern.
Die Kernaufgabe des Videotexts, sagt ARD-Frau Langguth, hat sich aber in den vergangenen 34 Jahren nicht geändert: „Da gucken Sie abends schnell drauf und sehen: Aha, die Welt steht noch“.